Reformierte und Täufer

“Versöhnung liegt in der Luft”

“Versöhnung liegt in der Luft.” Damit fasste der bekannte mennonitische Autor John Ruth Mitte April an einer Konferenz in New Holland im US-Bundesstaat Pennsylvania zusammen, was manche Täufer und Reformierte nach 480 Jahren Trennung empfinden. Die Schweizer Gäste, reformierte Pfarrerinnen und Pfarrer, brachten zum Ausdruck, was sie mit den Täufern verbindet.
Die Tage in New Holland lösten unter den Teilnehmenden aus verschiedenen Täuferkirchen intensive Gespräche aus.
Die Schweizer Gruppe an der Konferenz in New Holland. Links der Mitte Martin Müller.
Sabine Aschmann
„New Beginnings“: Konferenzleiter Lloyd Hoover und Pfr. Peter Dettwiler von der Zürcher Landeskirche.
Geri Keller
Joachim Hermann
Der Holländer Pastor Menno Simons (1496-1561) sammelte die verfolgten Täufer; von ihm haben die Mennoniten den Namen.

Nach einem Videoclip vom Thunersee sagte der Konferenzleiter und mennonitische Bischof Lloyd Hoover, ohne seine Emotionen zu verbergen: „Das ist mein Land – von da sind wir gekommen.“ Lester Zimmerman, der Pastor der Gemeinde, in deren Räumlichkeiten die Konferenz stattfand, sprach in der Begrüssung von der Zerbrochenheit des Volks der Täufer.

Eingeständnis von Schuld ermöglicht Versöhnung

Pfarrer Peter Dettwiler verlas eine Botschaft des Zürcher Kirchenratspräsidenten Ruedi Reich. Er zitierte Sätze, die dieser am 26. Juni 2004 bei der Einweihung der Gedenkplatte für die täuferischen Märtyrer an der Limmat gesprochen hatte. Reich drückte an diesem Tag Scham und Schmerz darüber aus, dass die Kirche Zwinglis, die sich rühmte, in der Reformation das befreiende Evangelium wieder entdeckt zu haben, zur Verfolgerin wurde.

Dies sei ein Verrat an der Frohbotschaft gewesen, sagte Dettwiler. „Wir bitten Gott und euch, uns zu vergeben.“ Bei diesen Worten – nun in den USA, im Herzen des grössten Siedlungsgebiets der Täufer, vor Hunderten ausgesprochen – kniete die ganze Schweizer Gruppe von 20 Personen auf der Bühne nieder.

Dettwiler fügte hinzu, dass man in der reformierten Kirche um die Notwendigkeit einer ständigen Erneuerung durch den Heiligen Geist wisse. „In diesem Fall glauben wir, dass Erneuerung nur auf den Schultern der Versöhnung vorankommt. Und Versöhnung bedingt weitere Schritte im Dialog.“

Versöhnung statt Vorurteile

Die Gäste aus dem Kanton Bern kamen ohne den Segen ihrer Kirchenleitung nach Pennsylvania, wie Paul Veraguth, Pfarrer in Wattenwil bei Thun, sagte. Er brachte dies mit der aktuellen Auseinandersetzung um die angemessene Aufarbeitung der Täuferverfolgung in der Kirche in Verbindung.

Martin Müller (Kirchberg bei Burgdorf) erzählte Begegnungen aus 35 Jahren Pfarramt und meinte, die Reformierten hätten sich selbst mentale Ketten angelegt, als sie die Täufer einkerkerten. Diese Ketten zeigten sich etwa im tiefsitzenden Misstrauen gegenüber Freikirchen – als könne allein der Landeskirchenpfarrer in der Kirche Gottes Wort recht auslegen. „Wir bemühen uns, dies zu überwinden“, sagte Müller zu den 400 Konferenzteilnehmern aus verschiedenen Täufer-Kirchen, „aber wir brauchen eure Gebete, dass wir von diesen Vorurteilen frei werden können.“

Versöhnung mit Zeichen stärken

Sabine Aschmann, Pfarrerin in Thayngen an der deutschen Grenze, erwähnte, dass im 16. und 17. Jahrhundert aus dem Gebiet Schaffhausens 1-2'000 Täufer vertrieben wurden. Ein Weg, den viele nahmen, um ungesehen über den Randen nach Schleitheim zu ihren Versammlungen zu kommen, war der „Täuferstieg“ bei Hemmental. Aschmann ergriff die Initiative, um dort einen tonnenschweren, liegenden Granitblock zum Gedenken zu platzieren. Die Vorbereitung dieses Akts am 28. März 2004 forderte und förderte das Zusammengehen und Versöhnung von Christen aus den Schaffhauser Kirchen.

Aschmann gab sich nüchtern: „Noch heute sind die Fronten Landeskirche-Freikirchen verhärtet. Es braucht Schritte, aufeinander zuzugehen und zu sagen: ‚Jetzt erkenne ich dich.’“ Aschmann ist froh darüber, „dass wir das Zeichen setzen konnten. Aber es braucht mehr: dass wir auf Menschen zugehen.“

Wiedertaufe – weiterhin ein Ärgernis

Joachim Hermann, Pfarrer in Wolfwil im Kanton Solothurn, erzählte von einer Gruppe von Christen, denen ein Pfarrkollege die Wiedertaufe abschlug, gemäss der Kirchenordnung. „Ich traf die acht und spürte, dass sie Gott gern haben und Jesus ganz nachfolgen wollen – und dass sie das im Gehorsam zur Schrift mit der Taufe zum Ausdruck bringen möchten.“

Hermann bat die Kirchenleitung in einem Schreiben, die Taufe zuzulassen, und setzte auch einen Artikel in die Kirchenzeitung – beides trug ihm Schelte ein. (Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund hat Ende letzten Jahres in einer Stellungnahme die Wiedertaufe strikt abgelehnt.)

Mit Täufern die Reformation vollenden

Laut Hermann haben die Reformatoren ab 1525 „nicht nur die Täufer, sondern den Heiligen Geist ausgeschlossen“. Daher sei die Reformation nicht zum Ziel gekommen, Jesus sei noch nicht wirklich Herr dieser Kirche. Doch, rief Hermann: „Wir sind berufen zusammenzuarbeiten, um den Willen Gottes zum Ziel zu bringen.“

Der Platz von Grebel und Manz sei noch leer und könne von Reformierten nicht ausgefüllt werden. „Ohne euch sind wir zu schwach.“ Der Pfarrer bat die Anwesenden, in der Verbreitung des Evangeliums in der Schweiz mitzuwirken: „Ich glaube dass unter euch Menschen sind, die von Gott gerufen werden, zurückzugehen in die Schweiz, ihre Heimat hinter sich zu lassen, um den Platz einzunehmen, den Gott für sie freihält, und das Erbe anzutreten.“

Versöhnung und das Sehnen nach Verwandlung

Pfr. Geri Keller, der Leiter der Stiftung Schleife in Winterthur, sprach von einer tiefgehenden Veränderung von Pfarrern. „In uns ist ein Hunger wieder geweckt worden, Jesus nachzufolgen und in das Bild Jesu verwandelt zu werden. Und wir haben ganz tief verstanden, was die Täufer verstanden haben. Die erste Taufe ist die innere Taufe, die Taufe unseres Herzens.“

Die Wassertaufe sei nur eine „Bestätigung dessen, was im Herzen geschehen ist. Wir zögern nicht länger, wenn diese Herzenstaufe geschehen ist, uns nochmals zu identifizieren mit dem Tod und der Auferstehung von Jesus Christus.“

Keller bezeichnete die Glaubenstaufe als „Zeichen, dass wir eingewilligt haben in diesen Prozess des Sterbens“. Die reformierten Kirchen dürften Menschen nicht länger daran hindern, „die Herzenstaufe durch eine Wassertaufe zu bestätigen. Es geht uns letztlich nicht um Taufe, sondern um die wahre Nachfolge.“

Zusammenfassender Bericht www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/23020/

   

Bilder: Copyright Dale D. Gehman

Datum: 21.04.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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