Glauben 12 Kurs

Die Landeskirchen brauchen eine Vielfalt von Glaubenskursen – auch Alphalive

Am 1. September stellten Erwachsenenbildner der Zürcher Kirche den Kurs Glauben 12 vor. Der Kurs für 12 Gesprächsabende soll zum mündigen reformierten Christsein anleiten. Am Dienstag hat die Evangelisch-kirchliche Fraktion EKF in der Zürcher Kirchensynode die Vermarktung des Kurses in den Medien kritisiert.
„Diskutieren, ob G12 wirklich reformiert ist“: Pfr. Jürg Buchegger an einer Retraite der EKF.
Auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund empfiehlt Glauben 12: Christoph Stückelberger, im SEK für Theologie zuständig, am 1. September vor den Medien.
Pfr. Dr. Matthias Krieg
Glauben 12
Alphalive

Nach der von Pfr. Jürg Buchegger soll die reformierte Landeskirche eine Vielfalt von Kursen für Menschen mit religiösen Fragen anbieten. – Livenet dokumentiert die Erklärung im Wortlaut; der Hauptverfasser Pfr. Matthias Krieg nimmt dazu Stellung.

EKF-Erklärung:

Es ist zu begrüssen, dass sich unsere Kirche der Herausforderung stellt, der zunehmenden Entfremdung vom christlichen Glauben mit konkreten Massnahmen zu begegnen. Wie wir aus der Presse erfahren, werden andere Kantonalkirchen diesen Glaubenskurs mit dem Titel "Das reformierte Einmaleins" übernehmen.

Die kirchliche Kommunikationsarbeit in dieser Angelegenheit hat zu Verstimmungen geführt. So sollte unsere Kirche mit der Vielfalt der Glaubensformen nicht umgehen.

Einige Blüten dieser Kommunikation, die teils aus amtlichen oder halbamtlichen Kanälen der Kirche kommen.

1.Der Alphalive-Kurs , der auch in vielen reformierten und in einigen katholischen Kirchgemeinden durchgeführt wird, wird in die freikirchliche, evangelikale Ecke gestellt. Tatsächlich haben die ersten zwei Alphalive-Kurse in der Schweiz 1996 jedoch in zwei Zürcher Kirchgemeinden stattgefunden. Der Kurs selbst wurde in einer anglikanischen Kirchgemeinde mitten in London entworfen.

2. Der Glauben 12-Kurs (G12) wurde als „der mündige Bruder“ des Alphalive-Kurses bezeichnet. Damit wird den Verantwortlichen und den Teilnehmern an den Alphalivekursen unmündiger Glaube unterstellt. Dem Alphalive-Kurs wird eine vor-aufklärerische, dualistische Weltsicht angelastet. G12 dagegen gehe von heutigen Denkvoraussetzungen aus. Was immer das heisst! Wir denken, dass wir in unserer Kirche von den Artikeln 1 und 4 unserer Kirchenordnung ausgehen.*

3. In einer Kirche, die sich die Vielfalt der Glaubensauffassungen auf die Fahne schreibt und Toleranz für alle fordert, mutet es seltsam an, wenn in öffentlichen Medien (Radio, Zeitungen, TV) von kirchlicher Seite Aussagen gegen die Alphalive-Kurse gemacht werden. Die Folgen sind absehbar. Kirchgemeinden, die Alphalive-Kurse anbieten, werden als freikirchlich abgestempelt bis hin zum Sektenverdacht. Das ist nicht Dialog, wie er sich für unsere Kirche gehört.

4. G12 wird mit Bedacht als „Das reformierte Einmaleins“ bezeichnet. Diese Betonung ist derart ausschliesslich, dass andere Glaubenskurse als nicht-reformierte Kurse gelten müssen. Ob der G12 wirklich reformiert ist im Sinn der Theologie von Zwingli und Bullinger, von Karl Barth und Emil Brunner, wäre zu diskutieren. In einer Kirche, die Mühe bekundet zu definieren, was reformierte Identität ist, wird auf dem Weg der Erwachsenenbildung beinahe bekenntnismässig vorgegeben, was reformiert ist. Eine seltsame Umgehung aller Gepflogenheiten in unserer synodal verfassten Kirche.

Die Evangelisch-kirchliche Fraktion ist der Meinung, dass es eine Vielfalt von Glaubenskursen geben soll in unserer Kirche. Die Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste der EKD kennt eine Vielzahl Kurse, die sie anbietet. Sollte die gleiche Vielfalt nicht Platz haben in unserer Kirche? Abgrenzungen und Polemik führen nur zu Flurschäden in unserer kirchlichen Landschaft.

Halten wir es doch mit dem Apostel Paulus, der den Christen in Philippi (1,18) schrieb: dass doch „auf alle Weise, sei es zum Vorwand oder in Wahrhaftigkeit, Christus verkündigt wird. Darüber freue ich mich.“


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Pfr. Dr. Matthias Krieg, Leiter der Erwachsenenbildung der Zürcher reformierten Landeskirche und des Teams, das G12 verfasst hat, nimmt wie folgt zur EKF-Erklärung Stellung:

Als Projektverantwortlicher nehme ich die Erklärung der Evangelisch-kirchlichen Fraktion (EKF) in der Herbstsynode vom 22.11.05 zur Kenntnis, nicht ohne Freude über die Wirkungen von glauben12, die damit einmal mehr dokumentiert werden. Dass wir in möglichst vielen Teilen des Schweizer Protestantismus ins Gespräch über den Glauben kommen, ist das Ziel des Einführungskurses in den Glauben. Es geht um das Glaubensgespräch, das zu wenig geführt wird (fides quae, Inhalt des Glaubens), nicht um die Glaubensformen, deren Vielfalt niemand bestreitet (fides qua).

Zu Punkt 1: Die Bezeichnung "evangelikal" ist schon lange keine stigmatisierende Fremdbezeichnung mehr, sondern eine aufrichtige Selbstbezeichnung der Evangelikalen. Niemand kann deshalb damit in eine "Ecke" gestellt werden. Noch unverständlicher ist es, wieso die Bezeichnung "Freikirche" diffamierend sein soll, wo doch weltweit viele Freikirchen dieses Wort selbst in ihrem Titel führen.

Mit dem Adjektiv "evangelikal" wird sachlich niemals eine Konfession oder Denomination bezeichnet, sondern stets eine religiöse Denkweise, eine theologische Couleur. Die aber kann in sämtlichen Kirchen dieser Welt vorkommen. Die von Alphalive selbst ins Netz gestellte Liste der Gemeinden, die in der Schweiz den Kurs anbieten, zeigt allerdings klar, dass sie überwiegend zu Freikirchen gehören.

Zu Punkt 2: Die Bezeichnung von glauben12 als "mündiger Bruder" stammt weder aus "amtlichen" noch aus "halbamtlichen Kanälen der Kirche", sondern vom gewiss unabhängigen "Tages-Anzeiger". Von mir stammt das häufig falsch wiedergegebene Adjektiv "voraufgeklärt": Damit beziehe ich mich auf die Epoche der europäischen Geistesgeschichte, die man "Aufklärung" nennt.

Die Reformierten hatten in ihrer Epoche der Reformation viele "voraufklärerische" Züge, liefen also mit manchem auf die nachfolgende Epoche der Aufklärung zu. Wenn ich (mit vielen anderen) Alphalive als "voraufgeklärt" bezeichne, meine ich, dass der Kurs Züge aufweist, etwa den Dualismus, die geistesgeschichtlich nicht nur vor der Aufklärung liegen, sondern auch vor der Reformation. Dies ist eine beschreibende Feststellung. Man darf so denken.

glauben12 denkt nicht so, sondern setzt (wie Art. 1 und 4 der Zürcher Kirchenordnung) Reformation und Aufklärung voraus. Und das heisst etwas Bestimmtes, das man den 48 Fragen und Antworten auch entnehmen kann: dass ich als Christ in meinem Glauben sehr fromm sein und ihn verbindlich leben kann, zugleich aber auch immer wieder aus ihm heraustreten und ihn wie von aussen unterscheidend (kritisch) betrachten kann. Ich verliere meinen Glauben nicht, wenn ich alles, was mit ihm zusammenhängt, kritisch reflektiere. Im Gegenteil: Ich trage den mir möglichen Teil zu seiner Festigung bei. Das ist mit "aufgeklärt" gemeint.

Zu Punkt 3: Unsere Landeskirche hat aus guten reformierten Gründen keine "Fahne", denn als "Volkskirche" ist sie offen. Offenheit und Toleranz sind aber nur möglich, wenn Kritik möglich ist. Es wäre seltsam, wenn keine Kritik an Alphalive oder glauben12 laut würde!

Die Leitung der Zürcher Landeskirche, alle anderen landeskirchlichen Empfehlungen und der Schweizerische Evangelische Kirchenbund, der glauben12 landesweit empfiehlt, verwenden alle die gleiche Formel, in meinen Worten: Es ist möglich, Alphalive anzubieten. Wir sind froh, dass wir nun eine reformierte Alternative haben.

Zu Punkt 4: Umgekehrt zur Argumentation der EKF kommt mir das seltsam vor, dass der Landeskirche unterstellt wird, sie habe Mühe zu "definieren, was reformierte Identität ist", obwohl sie dazu 2002 mit gutem Erfolg ein Grundlagenwerk herausgegeben hat (Die Reformierten, TVZ), und noch seltsamer, dass nun glauben12, womit sie nach dem ersten einen bereits erfolgreichen zweiten Schritt zur Klärung ihrer reformierten Identität tut, genau das nicht sein darf, und am allerseltsamsten, dass ausgerechnet die EKF, die völlig zu Recht ein reformiertes Bekenntnis fordert, den nun vorliegenden Leitfaden mit dem Adjektiv "bekenntnismässig" belegt, als wäre das ein negatives Wort.

Die Kursvielfalt der Einführungen in den Glauben, auch der Vertiefungen des Glaubens ist gewährleistet und wird kirchlicherseits von niemand bestritten. Die EKF darf froh sein, dass sie mit glauben12 noch vielfältiger geworden ist. Was ich hier geschrieben habe, ist keine offizielle kirchliche Antwort, denn eine solche entspräche weder den "Gepflogenheiten in unserer synodal verfassten Kirche", noch wäre sie meines Amtes. Es handelt sich lediglich um den Kommentar des Projektverantwortlichen von glauben12, der im übrigen genausowenig wie sonst ein(e) Reformierte(r) ein Lehramt innehat. Als Beitrag zum "Dialog" ist er richtig verstanden.

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*Artikel 1 und 4 der Kirchenordnung der Zürcher reformierten Landeskirche lauten:
Kirche ist überall, wo Gottes Wort auf Grund der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes verkündigt und gehört wird, wo Menschen, durch den Heiligen Geist zum Glauben erweckt und zur lebendigen Gemeinschaft verbunden, Jesus Christus als das Haupt der Gemeinde und als den Herrn und Erlöser der Welt anerkennen und durch ihr Leben die Hoffnung auf das Kommen des Reiches Gottes bezeugen.
Die Landeskirche ist mit ihren Gliedern allein auf das Evangelium von Jesus Christus verpflichtet. Er ist einziger Ursprung und Herr ihres Glaubens, Lehrens und Lebens. Die Landeskirche bekennt dieses Evangelium in Gemeinschaft mit der gesamten christlichen Kirche aller Zeiten. Sie weiss sich verpflichtet, ihre Lehre und Ordnung an dem in der Heiligen Schrift bezeugten Wort Gottes immer wieder zu prüfen und sich von da her im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe stets zu erneuern.

Glauben 12 online
www.glauben12.ch/
Alphalive: www.alphalive.ch

Livenet-Artikel über Glauben 12
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/26142/

Quelle: Evangelisch-kirchliche Fraktion der Zürcher reformierten Kirchensynode

Datum: 26.11.2005

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