Jesus und die Hölle

Hat Jesus Angst vor der Hölle? Fast könnte man es meinen. Jedenfalls steht ihm vor Augen, dass manche zu ihr unterwegs sind. Er warnt davor und ruft eindringlich auf, die Weichen richtig zu stellen.
Drastisch: Auf die am Jüngsten Tag Verurteilten wartet das Höllenfeuer. Portal der Kathedrale von Bourges.
Moderne Hölle: Auf den "Killing Fields" in Kambodscha wurden Tausende von Menschen umgebracht.
Der triumphierende Christus: Portal der Kathedrale von Charles.

Jesus geht es immer darum, die Liebe, Güte und Grosszügigkeit Gottes vorzuleben und zu verkündigen. Darin ist er einzigartig. Er tut dies jedoch mit nüchternem Blick für Menschlich-Allzumenschliches. So sagt er einmal: "Wenn also ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen, die ihn bitten, Gutes geben" (1). Jesus ist bewegt und erfüllt von der Güte Gottes, doch die dunklen Seiten der Realität blendet er nicht aus.

Durst nach Gerechtigkeit

Menschen können ohne Gerechtigkeit nicht leben, nicht ohne die Erwartung, dass geschehenes Unrecht und rohe Gewalt von einer Instanz beurteilt und gerichtet werden. Übeltäter gehören bestraft, wenn nicht bald, dann irgendwann. Wo wäre sonst Gerechtigkeit? Ein tief eingewurzelter Sinn für Gerechtigkeit, der dem menschlichen Gewissen entspringt, ruft nach Gericht, wenn Würde verletzt und Recht missachtet wird.

Gott - als Richter zu fürchten

Für den Juden Jesus, der die Heilige Schrift studiert und verinnerlicht hat, ist klar: Gott richtet. Er ist der gütige Vater im Himmel, der "seine Sonne aufgehen lässt über Böse und Gute" (2) - zugleich ist er der Richter, vor dem alle Menschen schliesslich stehen, die Instanz, der niemand entrinnen kann. Zur Furcht vor Menschen ist kein Anlass - doch unbedingt zur Ehr-Furcht vor diesem Gott: "Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können. Fürchtet euch mehr vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann", sagt er seinen Freunden, die auf eine Predigttour vorbereitet (3).

Im Jenseits keine Auslöschung

Hölle bedeutet Verderben nach diesem Leben für Seele und Leib - nicht ihre Auslöschung oder völlige Vernichtung. Dies macht Jesus deutlich in scharfen Warnungen, die er in einem anderen Zusammenhang ausspricht. Es gibt kaum Ärgeres, als Menschen, insbesondere Kindern, das einfache, (kindlich-)feste Vertrauen zu Gott zu rauben, sagt er. Alles muss getan werden, damit man selbst nicht zu Fall kommt.

Damit niemand dies auf die leichte Schulter nimmt, braucht Jesus drastische Worte (4): "Wenn dich deine Hand zu Fall bringt, dann hau sie ab. Es ist besser für dich, verstümmelt ins Leben einzugehen, als mit beiden Händen zur Hölle zu fahren, ins unauslöschliche Feuer." In der Hölle leiden Menschen, von Gott gerichtet, von ihm aus seiner Gegenwart weggewiesen, Qualen. Das Feuer (das ihre Schmerzen versinnbildlicht) kann nicht gelöscht werden. Jesus verstärkt die Warnung mit dem Bild des Wurms, der nicht stirbt, der ohne Ende sein Opfer peinigt.

Die Macht der Zunge

Wie weit weg ist das Höllenfeuer? Nicht weit, müssen die Hörer der Bergpredigt von Jesus schockiert denken, als er das verächtliche Reden, das Verfluchen und Verspotten von Menschen geisselt: "Wer zu seinem Bruder sagt: Du Trottel, der sei dem Hohen Rat übergeben. Und wer sagt: Du Narr, der sei der Feuerhölle übergeben!" (5) Menschen mit Worten fertig machen ist kein Kavaliersdelikt!

Auferstehung zum Gericht

Gott stellt die Menschen nach diesem Leben vor sich: Davon ist Jesus zutiefst überzeugt. Er kann nur den Kopf schütteln über die Gruppe der Sadduzäer, welche meinen, mit dem irdischen Tode sei alles zu Ende. Sein Gespräch mit ihnen endet mit einem selten scharfen Wort: "Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift noch die Kraft Gottes kennt" (6).

Die Menschen, sagt er bei anderer Gelegenheit, sollen sich nicht wundern, dass es heisst: "Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und herauskommen werden - die das Gute getan haben, zur Auferstehung ins Leben, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung ins Gericht" (7). Wer ins Gericht aufersteht, wird zur Hölle fahren. Nicht die Angst vor der Hölle soll die Menschen bedrücken. Die Ehr-Furcht vor Gott dem Schöpfer, der das Gute will und fordert und durch seinen Heiligen Geist zum Tun des Guten ermächtigt, soll uns positiv motivieren und vom Bösen abhalten.

"…das sind die anderen"

Was ist mit der Hölle seit Jesus geschehen? Im Mittelalter den Menschen in Gerichtsszenen drastisch vor Augen geführt, schwand die Hölle der Bibel in der Moderne in dem Mass, wie Gott aus der Welt verbannt wurde. Doch sie verschwand nicht. "Die Hölle - das sind die anderen": Der Satz stammt vom gottlosen französischen Autor Jean-Paul Sartre. Zwischenmenschliche Kälte, Ausgeliefertsein und qualvolle Gefangenschaft in kaputten Beziehungen fasste er in diese Formel. Wer Gott leugnet, wird die Hölle auf Erden erfahren.

Ein Jahrhundert wie kein anderes

Auch wer den Himmel auf Erden schaffen will, schafft Hölle, ja macht die Erde dazu: Auf dieses Paradox hat der jüdische Denker der Freiheit Karl Popper in seiner Kritik der Ideologien hingewiesen. Tatsächlich hat das 20. Jahrhundert, das Sartre und Popper repräsentieren, Höllen geschaffen wie keines vor ihm: die Schützengräben von Verdun, die gezielte Aushungerung von Millionen, Giftgas und Vernichtungslager, die Atombombe, die Killing Fields, ethnische Säuberung.

Bei so vielen selbstgemachten Orten des massenhaften Tötens, aus Bosheit und Machtgier, fiel auch ein Schatten auf Gott, der dies (im Zeitalter des menschlichen Grössenwahns!) nicht verhindert hatte. Wenn er Liebe ist, kann er doch nicht wollen, dass es eine Hölle gibt, in der Menschen auf ewig schmoren…

Jesus retouchieren?

Während heute zahlreiche Filme temporäre Höllen vorführen, ist die von Jesus angedeutete Hölle (nach dem Gericht Gottes, ohne Ausgang) nicht in. Der Ausdruck "die Hölle heiss machen" meint etwas Verwerfliches, etwa das Unangenehmste, was man einem Mitmenschen antun kann. Manipulation durch Angstmacherei ist verpönt, erst recht mit Angst vor der ewigen Verdammnis. Die zitierten Sätze von Jesus (8) stehen gleichwohl in der Bibel; sie ordnen sich ein in sein realistisch-ernstes Menschen- und Gottesbild. Wir können die Worte verdrängen, und dies ist heute weithin üblich. Doch wem nützt ein derart retouchierter lieblicher Jesus?

Was Gott eigentlich will

Das griechische Wort Geenna, das mit Hölle übersetzt wird, findet sich im Neuen Testament bloss zwölf Mal. Das zeigt: Das Thema Hölle steht für Jesus nicht im Vordergrund, sondern Gottes Herrschaft und sein Wille, die Menschen durch ihn, den gesandten Sohn, zu retten. Er sagt einmal (9): "So hat Gott die Welt geliebt, dass er den einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. Denn Gott hat den Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde."

Der die Schlüssel hat

Dies wurde dadurch möglich, dass Jesus nach seiner Kreuzigung in die Welt der Toten ging und dann auferstand. "Dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden: dass er Herr sei über Tote und Lebende!" (10). In der vielleicht gewaltigsten Vision, die im Neuen Testament geschildert wird, sagt der auferstandene Christus zum Seher Johannes (11): "Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; ich war tot und siehe, ich lebe in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt."

(1) Die Bibel, Matthäus, Kapitel 7, Vers 11

(2) Matthäus 5,45

(3) Matthäus 10,28; vgl. Lukas 12,5

(4) Die Sätze in Markus 9,43-48 erschrecken uns heutige Leser; in der Zeit von Jesus, in einer Welt, wo der Tod ständig gegenwärtig war, mögen sie nicht weniger ernst, aber anders geklungen haben.

(5) Matthäus 5,22. Jakobus führt dies in seinem Brief aus, 3,6.

(6) Matthäus 22,29. Auch die Schriftgelehrten und Pharisäer, den anderen Teil der religiösen Elite, der an Auferstehung glaubt, kanzelt Jesus mit kaum zu überbietender Schärfe ab: "Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr zieht über Meer und Land, um einen einzigen zum Proselyten (Nichtjude, der zum Judentum übertritt; Red.) zu machen; und wenn er es geworden ist, macht ihr einen Sohn der Hölle aus ihm, doppelt so schlimm wie ihr", Matthäus 23,15. Und er fragt sie: "Wie wollt ihr dem Gericht der Hölle entgehen?", 23,33.

(7) Johannes 5,28-29; vgl. die gewaltige Schau Matthäus 25,31-46.

(8) Die in diesen Anmerkungen genannten Stellen und ihre Parallelen in anderen Evangelien sind alle im Neuen Testament.

(9) Johannes 3,16-17

(10) Der Apostel Paulus im Brief an die Römer 14,9

(11) Offenbarung 1,17-18

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Datum: 24.10.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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