Wilfried Hoffmann

Pionier der Evangelisation geht in die aktive Pension

Wilfried Hoffmann wird als Dozent am Seminar für biblische Theologie in Beatenberg pensioniert. Evangelisation und Mission bleiben seine Leidenschaft. Wir wollten wissen, wie es bei ihm weiter geht und welche Einsichten er in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hat.
Wilfried Hoffmann Dozent am Seminar für biblische Theologie in Beatenberg wird pensioniert
Das Seminar für biblische Theologie in Beatenberg
Das Haus vom Seminar für biblische Theologie in Beatenberg

Livenet: Wilfried Hoffmann, Sie sind jetzt offiziell pensioniert. Wie werden Sie Ihre Pensionierungszeit gestalten?
Wilfried Hoffmann: Ich werde bis 31. Mai 2015 für zwei weitere Semester am Seminar für biblische Theologie in Beatenberg noch verschiedene Fächer unterrichten. Dann habe ich vor, im Januar und Februar 2015 mit meiner Frau Renate verschiedene Dienste auf dem Missionsfeld in Kenia wahrzunehmen und dies mit unserem Urlaub zu verbinden. Wir haben gute Kontakte zu mehreren Missionaren und Missionswerken, die wir gerne unterstützen würden.

Weiterhin nehme ich auch gern Predigtdienste, Vorträge bei Freizeiten und evangelistische Dienste in verschiedenen Gemeinden an. Etliche Termine sind bereits fest abgemacht. Ich freue mich aber auch darauf, nun noch mehr Zeit mit meiner Frau, den Kindern und Enkelkindern verbringen zu können. Zusammen mit meiner Frau möchte ich noch einige Bergtouren und Reisen machen.

Das Wichtigste ist und bleibt mir jedoch die tiefe Beziehung zu meinem Herrn Jesus Christus beim intensiven Bibellesen und Gebet. Mein Lebensmotto steht in 2. Korinther 5,14-15: «Die Liebe von Christus soll mein Leben bestimmen. Er ist für mich gestorben und auferstanden, auf dass ich nicht für mich selbst lebe, sondern für Ihn und andere Menschen.»

Sie gelten als Pionier der Evangelisation der Freikirchen in der Schweiz. Worin lagen die Chancen der Evangelisation in den 70er und 80er Jahren?
Diese Fragestellung ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Aber seitdem ich zu Jesus Christus gefunden habe, ist es mir wirklich ein grosses Anliegen, verlorenen Menschen die Liebe Jesu Christi zu bezeugen, damit noch viele Rettung von ihrer Schuld erfahren und ein sinnvolles Leben finden.

Deshalb kamen meine Frau Renate und ich jung verheiratet im März 1973 nach Zürich, um die «Newlife»-Arbeit zu unterstützen. Dort leitete ich ein Team von ca. zehn Mitarbeitern während zweieinhalb Jahren. Wir führten jede Woche zwei Strasseneinsätze an der Bahnhofstrasse und im Niederdorf durch und luden die Zuhörer zu einem evangelistischen Programm in der Teestube ein.

Was hat Sie dabei angetrieben?
Wir waren einfache Leute, aber hatten ein brennendes Herz und die Überzeugung, dass Menschen ohne Jesus Christus verloren sind. Wir lebten in grosser Abhängigkeit von Gott und seinem täglichen finanziellen Versorgen und verbrachten viel Zeit im Gebet. Deshalb predigten wir auf den Strassen, schulten junge Christen, wie sie Jesus Christus bezeugen und ein Leben der Hingabe führen konnten. Durch Gottes Gnade durften wir erfahren, wie Hippies, Rauschgiftsüchtige, Rocker, Spiritisten, aber auch «gut bürgerliche» Menschen sowie Studenten zum lebendigen Glauben fanden.

Es war gewaltig, mitzuerleben, wie Menschen Woche für Woche zum Glauben fanden. Innerhalb von zwei Jahren entstand eine neue Gemeinde in Zürich. Während unserer achtmonatigen «Jüngerschule» in Zürich erhielten junge Christen fünf Monate lang intensiven biblischen Unterricht, und wir führten danach drei Monate lang mit ihnen einen «Sommereinsatz» durch.

Was war damals anders als heute?
In den 70er Jahren gab es viele junge Leute, die unzufrieden waren mit ihrem Leben und der Gesellschaft. Sie hatten erkannt, dass nicht der Materialismus ihre Lebenserfüllung sein kann. Etliche waren auf der Suche nach Herzensfrieden und Lebenssinn. Dadurch waren sie sehr offen für die Frohe Botschaft von Jesus und sein Angebot der Vergebung. Es war vor allem Gottes besondere Gnade, die sie zum Umdenken bewog.

Damals haben manche Christen neu begriffen, was in Matthäus 28,18-20 steht. Jesus sagte dort seinen Jüngern, dass ihm alle Macht gegeben ist. Darum sollen sie hingehen, das Evangelium verkündigen, Menschen zu Jüngern Jesu machen und sie alles lehren, was Jesus ihnen befohlen hat. Dann wird er mit ihnen sein, bis ans Ende der Weltzeit.

Diesen Missionsauftrag haben wir damals ernst genommen und versuchten, ihn praktisch auszuleben. Uns prägte das Bewusstsein, dass wir gerettet waren, um Gott zu dienen. Vielleicht ist in der heutigen Zeit dieses Bewusstsein und der Auftrag der Evangelisation etwas schwächer ausgeprägt oder bei vielen verloren gegangen. Evangelisation sollte wieder ein Lebensstil werden und nicht nur in gewissen Abständen als Gemeindeveranstaltung durchgeführt werden.

Wo müssen die Menschen heute abgeholt werden?
Auch heute müssen wir die Menschen dort abholen, wo sie sind. Freundschaften schliessen und auf ganz natürliche Art und Weise aus unserem Leben mit Jesus sprechen. Freundschaftsevangelisation, Hilfsbereitschaft und anderen Menschen Liebe zu schenken, öffnet die Herzen. Wir sollten auch mit grosser Überzeugung und Mut von Jesus reden, denn wir haben die beste Botschaft, die es gibt.

Sie haben wohl Hunderte von Studierenden zu einem evangelistischen Lebensstil motiviert. Sehen Sie davon auch Folgen?
Es war und ist mein Lebensziel, Studierende und auch Christen aus Gemeinden zu einem evangelistischen Lebensstil zu motivieren. Wenn ich auf die 42 Jahre meines Dienstes zurückschaue, bin ich Jesus Christus von Herzen dankbar, dass viele Studierende, die ich mit ausbilden durfte, heute Jesus Christus in der Gemeindearbeit oder Mission dienen. Manche arbeiten unter Indianern in Brasilien oder Ecuador, andere in Kambodscha, in Afrika oder in muslimischen Ländern. Etliche im Gemeindebau in West- oder Osteuropa. Manche stehen im Dienst als Evangelist oder sogar als Missionspilot.

Ich staune immer wieder darüber, wie Jesus zum Teil aus zaghaften Studierenden hingegebene Diener Gottes gemacht hat. Das Geheimnis liegt darin, zu erkennen: Die Kraft Jesu ist in den Schwachen mächtig. Nur in der tiefen Abhängigkeit von Jesus kann ich ein kraftvolles Zeugnis weitergeben und ein wirksamer Zeuge sein (siehe Johannes 15,5).

Was heisst Evangelisation heute in der Schweiz konkret? Wo findet sie statt?
Es gibt Gemeinden, die immer wieder evangelistische Grossanlässe durchführen. Auch das Netzwerk Schweiz versucht, durch Zusammenarbeit von verschiedenen Gemeinden in unterschiedlichen Regionen, Menschen das Evangelium zu verkünden. Dies ist frohmachend und stimmt mich dankbar.

OM, Meos und weitere Werke setzen sich sehr unter Ausländern ein. Ich freue mich über diese Dienste, durch die Menschen in der Schweiz und vielen Ländern die frohe Botschaft gebracht wird. Ich wünschte mir jedoch noch mehr Schulungsarbeit in unseren Gemeinden in der Schweiz, zum Beispiel zum Thema: Wie führe ich einen Menschen zu Jesus Christus und wie begleite ich ihn, damit er selber ein Nachfolger Jesu wird? Evangelisation sollte für jeden Christen zum Lebensstil werden, und sich nicht nur auf «Profis» beschränken. Auch evangelistisch gestaltete Gottesdienste, die regelmässig während des Jahres durchgeführt werden, wären sehr sinnvoll, um immer wieder Freunde und Bekannte in die Gemeinde einladen zu können.

Wie beurteilen Sie die Veränderungen in der kirchlichen Landschaft in der Schweiz. Wohin bewegen sich Landes- und Freikirchen?
Ich denke, wir sollten neben allen guten sozialen Projekten, die von Landes- und Freikirchen durchgeführt oder unterstützt werden, nicht vergessen, das Wort Gottes verständlich und zeitgemäss zu verkündigen. Gottes Wort hat auch heute noch Kraft, Menschen zu retten und Leben zu verändern. Diese Tatsache traf vor 40 Jahren zu, und davon bin ich auch heute noch zutiefst überzeugt.

Sünde wird in unserer Zeit oftmals verharmlost und nicht mehr beim Namen genannt. Im Namen der Toleranz passen sich die Christen mehr und mehr dieser Welt an und verlieren so an Überzeugung und «Salzkraft».

Eine Tendenz ist leider auch der Mangel an verbindlicher Mitarbeit in der Gemeinde und der Wille, Verantwortung zu übernehmen, anstatt sich bedienen zu lassen. Natürlich spielt auch der Materialismus eine grosse Rolle, der uns oft wichtiger ist als der Bau des Reiches Gottes.

Wir brauchen in der Schweiz und Europa neues erweckliches Leben und vermehrte Hingabe an Jesus Christus für den Bau seiner Gemeinde.

Zur Webseite:
SBT Beatenberg


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Datum: 01.10.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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