Bekenntnis

Glaube äussert sich im Reden - und Essen

In der Flut der Worte den Glauben auf den Punkt bringen - wie machen Christen das? Was gehört zum Bekennen? Was bedeuten die überlieferten Bekenntnisse für die Kirche von Jesus heute und morgen? Diesen Fragen gingen Theologen in Aarau nach.
Zentrales Thema für die Kirchen: Paul Kleiner leitete das Podium mit den Referenten.
Im Herzen und auf den Lippen: Jürg Buchegger sprach über Glaube und Bekennen in der Bibel.
Auch Tischgemeinschaft kann Bekenntnis sein: Peter Wick.
Kommt ein Frühling für fröhliches Bekennen?
Die AfbeT-Tagung in der Methodistenkirche in Aarau.
Schmerzhafte Einblicke: Christine Stuber über den Bekenntniszwang in der Alten Eidgenossenschaft.
Seegüetli Toggenburg

Die "Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie" (AfbeT) führte am 16. Februar in Aarau ihre Jahrestagung durch. Die 50 Teilnehmenden hörten, wie in der Bibel Bekenntnis abgelegt wurde, was Essen mit Bekennen zu tun hat und wie Schweizer Obrigkeiten seit der Reformation das Bekenntnis für ihre Ziele einsetzten. Sie diskutierten die Tragweite der Bekenntnisse der alten Kirche und moderner Texte (Glaubensbasis der Evangelischen Allianz, Leuenberger Konkordie).

Im formulierten Bekenntnis hält die Kirche fest, was sie glaubt. Aber es geht um viel mehr: Sie anerkennt dabei den Herrn, Jesus, an den sie glaubt, und identifiziert sich mit ihm. Zum Bekennen gehört das Nachsprechen vorgegebener Glaubenssätze wie auch ihre herzhafte Aneignung. Einleitend beschäftigte sich AfbeT-Vizepräsident Dr. Bernhard Ott auch mit der einzigartigen Schweizer Situation: Die Reformierten wollen seit 150 und mehr Jahren bekenntnisfrei Kirche sein (1), wo doch der - von ihnen bejahte - gesellschaftliche Pluralismus heute ein deutliches Profil verlangt. Auch in den Freikirchen denke man über Bekenntnisformulierungen nach, sagte Ott.

Lobpreis, Klärung, Verpflichtung, Abgrenzung

Dr. Jürg Buchegger, FEG-Pastor in Buchs SG, nannte vier Aspekte des Bekenntnisses: Es fasst den Glauben zusammen, kennzeichnet die Gemeinschaft derer, die Gott damit loben, es verpflichtet die Bekennenden und setzt sie von der Umgebung ab. Die Israeliten antworteten mit ihrem Bekenntnis zum einen Gott Jahwe (2) auf sein Reden und rettendes Handeln.

Im Neuen Testament fokussiert das Bekenntnis auf Jesus als Messias (Christus), Sohn Gottes, Herr und Erlöser. "Jeder nun, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater im Himmel", sagte Jesus seinen Freunden (3). Laut Buchegger ist "das 'Urbekenntnis' auch für Christen das jüdisch-alttestamentliche Schema Jisrael. Der einzig-eine Gott Jahwe offenbart sich und handelt jetzt rettend in seinem Sohn und Messias Jesus" (4).

Nach dem Härte-Test der Kaiser-Test

Nachdem Verhöre durch die römischen Behörden und die Irrlehren der Gnostiker früh pointierte Bekenntnisse provoziert hatten (5), läutete der Sieg des Machthabers Konstantin über seine Rivalen eine neue Zeit ein. Prof. Peter Wick, Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum, schilderte in Aarau, wie der Kaiser um 325 für sein Imperium eine im Bekenntnis geeinte Reichskirche anstrebte. Er lud als Pontifex Maximus die Bischöfe zu einer Synode ein und liess sie diskutieren, da Einigkeit unter den Kirchenleitern nicht durch ein Machtwort zu erzwingen war (6). Auch das Datum des Osterfests wurde an diesem Konzil von Nicäa fixiert.

Mit der von Konstantin geschaffenen Reichskirche wurden Bekenntnisse in einem neuen Sinn politisch (7). Der Begriff Protestanten leitet sich von der ‚Protestatio' evangelisch gewordener Reichsfürsten vor dem Kaiser im Jahre 1529 ab (8). Wick warf die Frage auf, ob die Bekenntnisfreiheit in der föderalistischen Schweiz im Grunde gewollt sei - gemäss dem obersten Wert der politischen Klugheit, welche der Treue zu Prinzipien vorgehe. Man habe es im 19. Jahrhundert für klug gehalten, die Bekenntnisfrage zu "verflüssigen", um die drohende Spaltung der Kirchen abzuwenden.

Sage mir, mit wem du isst…

Unter den ersten Christen war auch entscheidend, wer mit wem ass: Paulus kämpfte für die Tischgemeinschaft mit Nichtjuden, die Christus als Herrn angenommen hatten. Auch auf diese Weise wurde "um die Identität des Gottesvolks gerungen und eine Aussengrenze aufgehoben", sagte Wick mit Verweis auf die Paulusbriefe (9). Der Glaube ist Herzenssache, doch zeigt er sich im Reden und Handeln - und im Essen.

Der aus Basel stammende Theologe betonte im Weiteren, dass Jesus sich vor Pilatus als König der Juden erklärt habe (10). Kirchliches Profil heute sei nicht durch das Schreiben neuer Bekenntnisse zu gewinnen. Indes regte Wick an, das Apostolische Glaubensbekenntnis (11) vermehrt im Gottesdienst zu sprechen, auch als Zeichen der weltweiten Verbundenheit der Christen, und "zu sehen, was es mit uns macht".

Als die Reformierten um Glaubensformeln stritten

Die Kirchenhistorikerin Dr. Christine Stuber ging am Nachmittag auf die Rolle von Bekenntnissen in der Geschichte der reformierten Kirchen der Schweiz ein. Nach Überzeugung der Reformatoren genügte die Bibel für alles Lehren und Handeln der Kirche. Indes wurde das Zweite Helvetische Bekenntnis (12), vom Zürcher Reformator Heinrich Bullinger 1566 veröffentlicht, zum Band der reformierten Eidgenossen. Die Berner Pfarrer mussten es unterschreiben.

Zusammen mit der Helvetischen Konsensformel (13) diente es den Gnädigen Herren zur Disziplinierung der Geistlichen und zur Herrschaftssicherung besonders in der Waadt, damals Berner Untertanengebiet. Stuber kontrastierte diesen politischen Einsatz des Bekenntnisses mit der Antike, als Christen als Machtlose den Glauben gegenüber Mächtigen bekannten. Durch die politische Instrumentalisierung geriet die geistliche Bedeutung des Bekenntnisses aus dem Blick. Infolge der Aufklärung des 18. Jahrhunderts wurden die Stimmen lauter, die die Abschaffung jedes Bekenntniszwangs forderten.

Vom Bekenntniszwang zur Bekenntnislosigkeit

Beim Untergang der Alten Eidgenossenschaft 1798 wurde erstmals Gewissens- und Kultusfreiheit proklamiert. Nach 1830 strichen verschiedene protestantische Kantone das Bekenntnis aus ihren Gesetzestexten; die Erweckung in der Westschweiz führte zur Gründung Freier Kirchen. Der Heidelberger Katechismus, die eingängigste reformierte Bekenntnisschrift, verschwand aus den Schulen. Die Bekenntnistreuen gerieten in die Defensive. Die Pfarrer mussten sich bei der Ordination nicht mehr auf das Bekenntnis verpflichten. Im Gottesdienst wurde das Apostolikum fakultativ und geriet ausser Gebrauch.

Derzeit wird wieder über Bekenntnis diskutiert - wegen des unscharfen Profils der Kirchen. Stuber befand, heute sei die Bekenntnisfrage losgelöst von der Machtfrage. "Deshalb dürfen und müssen wir von den Lehrern der Kirche, den Theologieprofessoren und Professorinnen wie von ihren Schülerinnen und Schülern, den Pfarrern und Pfarrerinnen, erwarten und einfordern, dass sie aufgrund der Heiligen Schrift ein Bekenntnis ihres Glaubens ablegen und insbesondere bekennen, wie sie sich zu ihrer Taufe verhalten."

Im Lied die gemeinsame Sprache finden?

In der folgenden Diskussion regte der Basler Münsterpfarrer Bernhard Rothen an, die Leuenberger Konkordie von 1973 in den Landeskirchen und Pfarrversammlungen ins Gespräch zu bringen (14). Weiter wurde erörtert, welches Potenzial die Glaubensbasis der Evangelischen Allianz - ursprünglich ein Konsenspapier missionarisch gesinnter Christen - in sich birgt (15). Maja Schmid regte an, bei der Suche nach einem aussagekräftigen Bekenntnis messianische Juden einzubeziehen.

Stefan Schweyer erinnerte an die Statuten der AfbeT, die die Erneuerung der Theologie nicht von einem Bekenntnis, sondern von der Bibel her erwarten. "Bekenntnisse sollen uns den Weg zurück zur Heiligen Schrift weisen", unterstrich Andreas Loos, Lehrer auf St. Chrischona. An Bibelkenntnis mangle es allüberall - auch bei Studierenden aus Gemeinden, welche die Bibel hochhalten. Rothen mahnte zur Bescheidenheit. Wie Stuber gezeigt habe, seien Bekenntnis und Bibel vielfältig instrumentalisiert worden. Dass wir zu keiner gemeinsamen Sprache des Glaubens finden, sei auch ein Gericht Gottes.

Auf dem abschliessenden Podium hinterfragte Wick die "diffuse Vereinheitlichung", welche sich durch das Singen derselben Lieder in den letzten 15 Jahren ergeben habe. Buchegger äusserte, dass die Sprachlosigkeit in Glaubenssachen in Freikirchen ähnlich bedenklich sei wie bei den Reformierten. Ott, der ihm beistimmte, setzte eine täuferische Pointe: Die Macht der Kirche wird "immer aus der Ohnmacht des gelebten Glaubens kommen".

Datum: 20.02.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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