Floyd McClung

„Wir brauchen eine organischere, dynamischere Sicht von Gemeinde“

Der bekannte christliche Leiter und Buchautor Floyd McClung forderte Ende Juni an einer Tagung für Gemeindegründer in Winterthur ein leidenschaftliches, ganzheitliches Christsein - und ein organisches Verständnis von Gemeinde. Was wenn Christen als Fundis bezeichnet werden? - Livenet hat nachgefragt.
„Gott will uns so viel mehr schenken“: Floyd McClung.
Schubladen vergessen: Floyd McClung in Winterthur.
Floyd McClung in Winterthur

Livenet: Floyd McClung, Sie sind nach Winterthur gekommen, um für ein anderes Denken über Gemeinde zu werben. Was schwebt Ihnen vor?
Floyd McClung: Ich liebe es, Leuten zu helfen, ausserhalb der Schubladen über uns als Nachfolger von Christus nachzudenken. Christen sollen kreativ und frei werden. Ich liebe es, ihnen von der Bibel und der Psychologie her zu erlauben, zu sein, wer sie sind. Zu lange haben wir Nachfolger von Jesus in Schubladen gesteckt, diese abgeschlossen und den Schlüssel weggeworfen. Wir haben Leute eingeschlossen in eine Religion, die am Sonntagmorgen während 1-2 Stunden passiert. Das ist tragisch. Gott will uns so viel mehr schenken, Frieden - und auch Einfluss in dieser Welt -, wenn wir dazu kommen, christliche Gemeinde an sieben Tagen pro Woche zu gestalten, in der Firma, in der Nachbarschaft, an unseren Schulen. Wir Christen sind alle Vollzeiter! Vollzeiter für Jesus. Wir haben einfach verschiedene Jobs.

Einige haben die Aufgabe, andere zu befähigen.
Ja, es gibt Leiter in der Kirche. Wir brauchen sie. Wir brauchen die apostolischen, prophetischen, evangelistischen, pastoralen und Lehr-Gaben (Epheser 4,11). Wir dürfen nicht auf eine Gabe fokussieren und die ganze Gemeinde um eine einzige Leitungsgabe - den Pastor - herum bauen. Das legt ihm zu grosse Lasten auf, überspannte Erwartungen. Wir brauchen eine viel organischere, dynamischere Sicht von Gemeinde - das Bild, das uns die Apostelgeschichte gibt. Es geht nicht um gross oder klein, nicht um ein Modell oder eine Struktur. Mir geht es darum, was im Modell steckt. Nicht das Weinglas ist entscheidend, sondern der Wein…

…das Leben mit Jesus.
Ja, das Leben mit ihm und damit das Verlangen, dieses Leben weiterzugeben als missionale Gemeinde, auf dem Weg, seine Herrlichkeit zu verbreiten. Weiter gehört dazu, dass wir Jüngerschaft trainieren, unser Leben teilen, die Liebesbeziehung zum Vater pflegen, Jesus anderen nahebringen.

In der Schweiz wird 2007 das Täuferjahr begangen. Täufer brachen vor bald 500 Jahren aus den staatskirchlichen Strukturen auf.
Die starke Seite der Täufer liegt darin, dass sie an die sichtbare Kirche glaubten. Das bewegt mich. Wir sollten, was Jesus uns geschenkt hat, sichtbar darstellen und als Gemeinschaft ausleben. Die Täufer gaben einander Rechenschaft über ihren Lebensstil und standen leidenschaftlich für ihre Überzeugungen ein. Ihre Gemeinschaft diente nicht dem Einzelnen, sondern band die Einzelnen zu etwas Grösserem zusammen. Sie waren dem, was sie glaubten, radikal verpflichtet und bereit, dafür ihr Leben zu geben.

Heute dagegen sagen viele Christen, sie wollten ihre Sicht niemandem aufdrängen und den privaten Bereich des Anderen respektieren usw. Dabei wird Furcht mit netten Worten bemäntelt. Gott will, dass wir Jesus in jede Beziehung hineinbringen - wenn wir ihn wirklich lieben.

Wie leben Christen den Glauben mit Leidenschaft, ohne militant zu werden?
Wie tun sie es, ohne religiös zu werden? Es kann und darf nicht darum gehen, dass ich dir sage, was du zu glauben hast. Sondern ich will dich segnen und dir dienen. Wenn du davon nichts wissen willst, respektiere ich das. Aber ich bin frei, dir anzubieten, was ich in Jesus habe. Menschen segnen - nicht ihnen etwas aufdrängen: darum geht es.

Wie gehen Sie mit militanten Gottlosen um, die das öffentliche Zeugnis des Glaubens als ‚fundamentalistisch' brandmarken?
Ich glaube an intellektuelle Toleranz. Doch ich halte nichts von moralischer Toleranz. Wir brauchen die Freiheit, Ideen und Konzepte und Glaubensüberzeugungen zu debattieren. Dabei behandle ich andere Meinungen mit Respekt und toleriere jeden Andersdenkenden. Ich will hören, was du zu sagen hast, deine Meinung respektieren - und dann auch meine Meinung darlegen. Dies in der Weise, dass wir uns auseinandersetzen und zu überzeugen suchen, ohne einander zu bedrängen, ohne dem Andern die Freiheit nehmen zu glauben, was er will. In diesem Sinn glaube ich an intellektuelle Toleranz.

Davon ist aber moralisches Geltenlassen zu unterscheiden. Es herrscht da grosse Verwirrung. Als Christen glauben wir an einen Gott, der Gebote gegeben hat für unser Leben. Diese moralischen Vorgaben gelten für alle. Ich gelte als intolerant, wenn ich mir erlaube, jemand (liebevoll und zur richtigen Zeit!) auf seinen falschen Lebensstil hinzuweisen. Doch das folgt aus meinem Festhalten an Gottes Geboten. Ich unterscheide mich von denen, die die Schwulenehe für richtig halten, und sage das auch deutlich.

Dies hat nichts mit politischer Intoleranz zu tun: wenn ich jemand zwingen will, meine Überzeugungen anzunehmen und danach zu leben. Wenn eine Mehrheit der Bevölkerung diesen Weg gehen will, dann soll sie es tun. Christen sind nicht dazu da, mit politischen Massnahmen die Herzen der Menschen zu gewinnen.

Streben Sie nicht einen Staat an, in dem christliche Werte gelten - in dem den Geboten, die Gott gegeben hat, nachgelebt wird?
Ich glaube, wir erliegen einem Trugschluss, wenn wir auf einen christlichen Staat hinarbeiten. Denn da versuchen wir, die Herzen der Menschen zu regieren, ihre moralischen Entscheide mit politischer Macht zu lenken. Dabei verwechseln wir Macht mit Autorität. Gottes Autorität geht aufs Herz des Menschen. Der Staat übt Zwang aus. Ich glaube nicht, dass Christen versuchen sollten, mit seinen Instrumenten gutes moralisches Verhalten zu erzwingen.

Uns ist es aber gegeben, Menschen zu überzeugen. Das sollten wir mit dem ganzen Gewicht tun, das Gott uns schenkt. Menschen überzeugen, dass sie anders zu leben beginnen.

…und damit leben, dass man als intolerant, als Fundamentalist verunglimpft wird?
Die USA brauchen diese Debatte, denke ich. Der Mythos der christlichen Nation ist zu hinterfragen. In meinen Augen liegt die christliche Rechte in den USA falsch. Sie hat Werte eingesetzt, um die Leute zu etwas zu zwingen. Das wird als intolerant und lieblos wahrgenommen. Ich finde ihr Vorgehen falsch.

Lesen Sie am Montag: Floyd McClung: "Ich habe keine Angst vor Minaretten".

Weiterführende Links:
Homepage von Floyd und Sally McClung
Mehr zu Gemeindegründung von Floyd McClung

Datum: 12.07.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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