Warum der Römerbrief eine grosse „Gesellschaftsrelevanz“ hat

Strassenevangelisation in Bad Blankenburg

Die beste Botschaft aller Zeiten: „Gott ist für uns“

Vor 20 Jahren stand der Römerbrief schon einmal im Mittelpunkt einer Allianzkonferenz im thüringischen Bad Blankenburg. Auch damals ging es um die zentrale Aussage des christlichen Glaubens, dass der Mensch allein aus Gottes Gnade vor der ewigen Verlorenheit gerettet wird. Anders als heute, wo sich die Konferenz über breite Unterstützung durch Bürgermeister und Stadtrat freuen kann, waren die Behörden damals äusserst misstrauisch. Unter den bis zu 6.000 Besuchern waren zahlreiche offizielle und informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit, um herauszubekommen, was die überwiegend jungen Christen dachten. Als der Berliner Liedermacher Jörg Swoboda besonders die Besucher begrüsste, die mit langen Ohren und spitzen Stiften dabei waren, um ihren Stasi-Auftraggebern zu berichten, wäre er fast verhaftet worden. Auf dem Podium sass auch der damalige Beauftragte des Kreises für Religionsfragen, ein überzeugter Genosse der Sozialistischen Einheitspartei SED. Ihn sprachen die Bibelarbeiten mit den eindrücklichen Schilderungen von menschlicher Bosheit und Gottes vergebenden Liebe dermassen an, dass er sich wenig später für den christlichen Glauben entschied und umgehend alle Ämter verlor.

Die äusseren Umstände haben sich in den vergangenen 20 Jahren verändert. Statt unter Unfreiheit leiden die Menschen heute unter Ungewissheit. Arbeitsplätze und Renten sind nicht sicher, die Gegensätze zwischen arm und reich im eigenen Land und weltweit nehmen zu, die Umwelt wird immer mehr verschmutzt, Katastrophenberichte bestimmen die Nachrichten. Der Wert des Lebens nimmt drastisch ab, wie sowohl die hohen Abtreibungszahlen als auch die Diskussionen über Euthanasie und aktive Sterbehilfe zeigen. Auch im privaten Bereich häufen sich die Krisen: Ehe- und Erziehungsprobleme scheinen immer häufiger ausweglos, ein Anstieg der Scheidungen ist die Folge. Werte wie Treue und Ehrlichkeit, auf die man sich früher verlassen konnte, zählen nicht mehr viel. „Es gilt das gebrochene Wort“ – so lautet eine ironische Überschrift über zahlreichen Politiker-Reden. „Wir erleben eine nie dagewesene Staatsverdrossenheit, wenn Regierungen nur noch mit Lügen arbeiten und vorsätzlich gegen eigene Gesetze verstossen“, stellte der Finanzexperte Dietrich Bauer bei der Konferenz fest. Und die baptistische Theologin Astrid Giebel beschrieb die gegenwärtige Situation so: Wahrheit, Moral und Ethik sind zu störenden Spasskillern geworden.

Dass Deutschland einen geistlichen Aufschwung braucht, ist inzwischen keine neue Erkenntnis. Immer mehr Menschen sehnen sich wieder nach tragfähigen Fundamenten für ihr Leben und politischer Sicherheit. Und dennoch ändert sich nichts. Offensichtlich sind die Menschen nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Eigene Lösungsvorschläge, etwa die kommunistische Ideologie, sind gescheitert. Die DDR orientierte sich an Karl Marx, und heraus kam Murks, sagte der sächsische Evangelist Rainer Dick. Am verkehrten Denken änderte auch die friedliche Revolution 1989 nichts. „Wir sind falsch programmiert“, analysierte der Allianz-Vorsitzende Peter Strauch. Weshalb der Vorsitzende der deutschen Evangelisten-Konferenz, Wilfried Reuter, seine Zuhörer schlicht mit „liebe Sünderinnen und Sünder“ anredete, der seiner Ansicht nach kürzesten und umfassendsten Beschreibung der Menschheit.

Laut Einladungsprospekt zur 110. Allianzkonferenz mit dem Motto „Gott ist für uns“ soll der Römerbrief einen Ausweg aufzeigen. Der Direktor des Allianzhauses, Reinhard Holmer, schrieb: „Eine von Hass und Egoismus zutiefst verletzte Welt wartet auf das Zeugnis von Menschen, die als Botschafter der Liebe und Versöhnung Gottes leben.“ Auch Peter Strauch betonte wiederholt die „Gesellschaftsrelevanz“ dieses zentralen Bibeltextes. Dennoch widerstanden die Bibelarbeiter und Seminarreferenten der Versuchung, aus dem Römerbrief oberflächliche Rezepte abzuleiten. Vielmehr forderten sie die Christen auf, die Merkmale der sündigen Welt im eigenen Leben und in ihren Gemeinden zu erkennen, vor Gott zu bekennen und auszuhalten, dass sie ohne den Beistand des Heiligen Geistes das für richtig Erkannte nicht tun können.

Allein das zwölfte Kapitel des Römerbriefes nennt 23 Verhaltensweisen, die für Christen zwar selbstverständlich sein sollten, es aber erfahrungsgemäss selten sind: ungeheuchelte Liebe, gegenseitige Ehrerbietung, Demut, Feindesliebe, Verzicht auf gegenseitiges Beurteilen . . . Wenn Christen das praktizierten, sähe es in vielen Gemeinden besser aus. Die Wirklichkeit jedoch stellte die Diakonisse Maren Martens mit roten Boxhandschuhen dar: Christen gehen mit geballten Fäusten auf einander los, um sich anschliessend um so mehr über die zugesagte Vergebung freuen zu können. Vielmehr sollte es umgekehrt sein: Christen erfahren, dass Gott für sie ist, und dann leben sie so, dass ihre Mitmenschen ins Staunen geraten, „dass es solchen Glauben heute noch gibt“. Mit den Worten Bauers: Christen, die eine Visitenkarte des lebendigen Gottes sein wollen, brauchen mehr als einen Fischaufkleber an ihrem Auto. Ihr Lebensstil soll die Erfahrung widerspiegeln, dass sie keinen Grund haben, sich vor den Unsicherheiten des Alltags zu fürchten. Und je besser es gelingt, die beste Botschaft aller Zeiten deutlich zu machen, dass Gott „für uns“ ist, desto eher kann auch die Gesellschaft wieder Zuversicht gewinnen.

Datum: 12.08.2005
Quelle: idea Deutschland

Werbung
Livenet Service
Werbung