Wenn Christentum allein nicht mehr genügt: SEA-Thesen zum Religionsunterricht

Die Mitglieder der SEA-Arbeitsgruppe: Vorne von links: Thomas Kempter, Marit Studer-Andestad, Peter Schmid. Hinten von links: Hansjörg Leutwyler, Armin Mauerhofer, Otto Zwygart, Daniel Kummer und Felix Studer-Wehren.

Die Zukunft des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen steht in Frage, nicht nur wegen Sparbemühungen. Alte Modelle scheinen überholt, wenn mehr Kinder aus Immigrantenfamilien in den Klassen sitzen. Zu den bisherigen Erwartungen an die Schulen tritt die Forderung, die Integration zu fördern – und dafür auch den Religionsunterricht einzusetzen.

In diesem Zusammenhang ergeben sich zahlreiche Fragen: Wie ist dem säkularen Charakter der Schule und der religiösen Vielfalt der Gesellschaft entsprechend zu unterrichten, dass Werte, die für unser Gemeinwesen grundlegend sind, gestärkt werden? Wie kann die christliche Tradition ansprechend vermittelt werden? Welche Information über die Weltreligionen wird ihnen gerecht? Welche Verantwortung haben bei alledem die Eltern für die religiöse Entwicklung ihrer Kinder?

Eine achtköpfige Arbeitsgruppe der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA hat sich diesen Fragen gestellt und zehn Thesen verfasst. Darin betont die Fachgruppe unter anderem, dass religiöse Identität aus selbst gelebter Religion entsteht. Diese Identität bildet die Voraussetzung zum echten Dialog mit Menschen verschiedener Religionen. Ein zweiter Hauptpunkt: Die öffentliche Schule soll grundlegende Kenntnisse über die Religionen vermitteln – primär über das Christentum.

Livenet dokumentiert hier die zehn Thesen. Sie werden erläutert in vier Texten, die als Dossier beim SEA-Sekretariat in Zürich bestellt und im Internet abgerufen werden können.

1. Aufgrund der Glaubens- und Gewissensfreiheit haben alle Menschen Anrecht auf die Ausübung von Religion.

2. Erziehung und Bildung haben mit tiefen religiösen und weltanschaulichen Fragen zu tun. Wird die Behandlung religiöser Fragen aus dem Bildungsauftrag gestrichen, können Gesellschaft und Staat bei ethischen Entscheiden nicht auf gemeinsame Grundwerte zurückgreifen.

3. Die Eltern sind für die religiöse Erziehung ihrer Kinder verantwortlich. Die Schule kann dabei eine unterstützende Funktion wahrnehmen.

4. Religiöse Identität entsteht aus selbst gelebter Religion. Sie bildet die Voraussetzung zum echten Dialog mit Menschen verschiedener Religionen.

5. Die Schule soll dem in der Schweiz geschichtlich gewachsenen Konsens in ethischen Grundfragen und der abendländischen Kultur Rechnung tragen. Der Person von Jesus Christus, dem Welt- und Menschenbild des Christentums und seinen Werten, die unsere Kultur bis heute prägen, gebührt ein besonderer Stellenwert: Der Staat ist angewiesen darauf, dass Menschen Nächstenliebe und Solidarität üben, Böses mit Gutem vergelten, Verantwortung übernehmen und nach Gerechtigkeit streben.

6. Wo Kinder aus verschiedenen Kulturen miteinander zur Schule gehen, darf dem Religionsunterricht nicht die primäre Verantwortung für den Umgang mit dieser Vielfalt aufgebürdet werden. Der Religionsunterricht kann aber zu gegenseitigem Verständnis beitragen.

7. Wenn der Staat einen religiösen Bildungsauftrag im Vermitteln von christlichen Werten übernimmt, muss dies durch sachliche Wissensvermittlung geschehen. Die öffentliche Schule soll grundlegende Kenntnisse über die Religionen vermitteln (‚teaching about religion’) – primär über das Christentum. Einen Unterricht, der die Weltreligionen grundsätzlich gleich behandelt, lehnen wir ab. Die Auseinandersetzung mit anderen Religionen soll auf der Oberstufe stattfinden.

8. Das Zusammenfügen und Mischen von Elementen verschiedener Religionen im Sinn einer Patchwork-Religiosität wird dem Selbstverständnis der Religionen nicht gerecht. Werden existentielle Fragen und sinnstiftende Antworten abwechselnd aus der Sicht verschiedener Religionen behandelt, sind Schüler überfordert. Sollte ein derartiger interreligiöser Unterricht eingeführt werden, ist ein Obligatorium nicht zu rechtfertigen.

9. Da es für die Glaubensentwicklung identitätsstiftende Angebote braucht, die der Staat selbst nicht anbieten kann, soll er an den öffentlichen Schulen den christlichen Konfessionen Zeiten und Unterrichtsräume für Religionsunterricht (‚teaching in religion’) zur Verfügung stellen.

10. Die SEA erwartet, dass der konfessionelle Unterricht sowohl von der reformierten und der katholischen Landeskirche als auch von evangelischen Freikirchen, die dem Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz (VFG) angehören, wahrgenommen werden kann.

Thesen und Hintergrundtexte im Internet:
www.each.ch/sea/stellungnahmen/index.php

Datum: 03.04.2004
Quelle: SEA

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