Täuferjahr

Begeisterung für Gott – durch dick und dünn

Paul Veraguth, Pfarrer in Wattenwil bei Thun und Buchautor, skizziert, wozu die Täufer von damals uns heute inspirieren können. Der Text findet sich in ‚Hotspot’, dem Blatt zum Openair Trachselwald:
„Mut und Schwung holen für morgen“: Paul Veraguth
Werden wir auseinandergerissen? Diskussion in einer bedrängten Familie (Freilichtspiel ‚Wehrlos’).

Für die Täuferbewegung im Bernerland interessiert sich momentan eine breite Palette von Menschen aller Schichten. Leute aus unserer Gemeinde stecken mir Zeitungsartikel zu: „Hast du das gewusst?“ Eine gebürtige Entlebucherin gab mir einen ganzseitigen Bericht aus einer Innerschweizer Zeitung. Katholiken berichteten mit Respekt von den Täufern.

Eben, viel altes Gestein wird jetzt an die Oberfläche geschwemmt, sei es durch die kleine oder grosse Emme oder die Ilfis. Sogar verwandtschaftliche Beziehungen zu frühen Täuferfamilien werden ausgemacht! Es ist sehr erfreulich, denn wir kommen als Kirchen, Obrigkeiten und Gesellschaft schneller auf die saftigen Wiesen, wenn wir die dunklen Kapitel der Vergangenheit aufarbeiten. Dies ist Volkshygiene.

Viele Leute fragen sich im Täuferjahr: Wer waren jene Leute, was glaubten sie, wogegen wehrten sie sich? Das Gros von ihnen bestand aus einfachen Bauersleuten und Handwerkern. Es könnten also meine oder deine Nachbarn sein. Zu ihrer Zeit, wo alles verwaltet wurde (ähnlich wie heute), war ihnen Gott begegnet. Aber nicht als Oberverwalter, sondern als Freund, Vater, Bruder, Partner. Eine solche Begegnung kann freilich jedermann passieren, weil Gott derselbe ist. Wie reagiere ich auf Gottes persönliches Anklopfen? Man kann eben verschieden, und die damaligen Täufer waren Leute, die mit Freude auf die Stimme von Jesus oder Gott oder des Heiligen Geistes (es kommt aufs selbe heraus) reagierten. Mit Offenheit, oder noch besser gesagt: mit Gehorsam in Sinne von „hören und tun“.

Zu allen Generationen spricht Gott, zu allen Zeiten gibt es welche, die das Gehörte nicht verdrängen. Und genau das ist das Erbe der Täufer: Ungeachtet der Umstände (Menschen, Sachzwänge, allgemeine Erwartungen etc) tun, was Gott sagt. In Gottes Reden ist immer beides in völliger Balance: Das geschriebene Wort und sein Reden in unseren Herzen und Gewissen. Das beides ergänzt sich und widerspricht sich nie. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.

Und schon jetzt, wenn man das bedenkt, merkt man: Die Täufer waren flexibel. Sie waren bereit, immer wieder bei Null anzufangen. Das mussten sie teils auch äusserlich, wenn sie Haus und Habe verloren. Aber es entsprach auch der innern Einstellung: Viele waren bereit, von einem Tag auf den andern als „Sendboten“ in ein anderes Gebiet oder Land zu gehen, nicht wissend, was ihnen zustossen würde.

Das Erbe der Täufer ist gerade das Nicht-Konservative. Es ist das Aufstehen inmitten von Konserven, das Schwimmen gegen den Trend der Konservierung. Natürlich können wir sagen: Die Amischen, Ammanns Nachfahren, singen uralte Lieder. Und es stimmt. Aber die Lieder waren nicht gemeint als immerwährendes Liederbüchlein für jede künftige Generation. Die besungenen Geschichten waren bloss als Ermutigung für neue Taten in neuen Umständen und neuen Jahrhunderten gedacht.

Und auch wenn viele Mennoniten ihre Stammbäume erforschen, so ist das nur teilweise historisches Interesse. Hauptsächlich geht es darum, Mut und Schwung zu holen und zu sagen: Wenn sie damals mit so wenig Mitteln und so einfältigem Glauben so viel erreichten, so sollte es uns in der komplizierten Welt von morgen auch möglich sein. So wahr Gott noch derselbe ist.

Ein völliges Missverständnis wäre die Ansicht, es gebe so etwas wie ein genetisches oder kulturelles Erbe, das den Gründern wichtig gewesen wäre. Nein nein, die wollten bloss ein Feuer anzünden, eine Begeisterung für Gott, eine Leidenschaft, ihm zu dienen. Sogar die viel diskutierte Tauffrage war gemessen daran nur zweitrangig. Die Glaubenstaufe war für sie einfach der Einstieg in das Lebensprojekt: Durch dick und dünn, in Freundschaft und Treue, zu Jesus halten und in ihm bleiben.

Dafür gab es viele Formen: Die von Jakob Huter geprägten Gemeinden wurden Hutterer, eine Art „Kommunisten“, die bis heute auf Privatbesitz verzichten. Die von Jakob Amman wurden die Amischen, und die von Menno Simons betreuten wurden Mennoniten.

Doch niemand kann ein Auto fahren, wenn er nur in den Rückspiegel schaut, probieren Sie es mal ruhig aus. So ist es auch mit dem Täuferjahr. Alles, was wir rückwärtsschauend festhalten wollen, führt nur zu Blechschaden oder sonst zu Blechkonserven. Will einer von den Täufern ein Erbe antreten, so kann er noch so weit von Kirchen und Freikirchen entfernt sein. An dem Tag, wo er zu Gott sagt: „Rede, ich höre und bin bereit!“ – an dem Tag ist er schon mitten im Täufererbe gelandet.

Dossier zum Täuferjahr

Datum: 22.08.2007
Autor: Paul Veraguth
Quelle: Hotspot

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