Vor 475 Jahren starb der Schweizer Reformator Huldrych Zwingli

Reformator Huldrych Zwingli

Kein Blut für Geld! Ein einziger Opponent, Huldrych Zwingli, prangerte das «Reislaufen», wie das Söldnerwesen damals hiess, unverdrossen an – pikanterweise ein ehemaliger Feldprediger, der im Dienst des Papstes die moralische Aufrüstung der in Norditalien kämpfenden Heerhaufen betrieben hatte.

Dass Schweizer Kriegsknechte sich im Dienst fremder Staaten gegenseitig umbrachten, fand man im 16. Jahrhundert ziemlich normal. Die Schweiz war überbevölkert, Landwirtschaft und Handwerk boten keine genügenden Erwerbsquellen mehr. Der Kriegsdienst im Sold ausländischer Grossmächte schien eine lohnende Alternative. Staatliche und kirchliche Stellen kassierten für die Rekrutierung schöne Provisionen.

Leute für Geld totschlagen

«Das Reislaufen ist die Schule aller Laster und die Mutter bekümmerter Gewissen», und es sei eine himmelschreiende Sünde, «für Geld Leute totzuschlagen», behauptete dieser Huldrych (Ulrich) Zwingli, nachdem er 1515 die grausame Schlacht bei Marignano zwischen französischen und päpstlichen Truppen miterlebt hatte. Dort massakrierten Schweizer Söldner einander auf beiden Seiten.

Kein Draufgänger wie Luther

«Der wird sagen, wie die Sachen stehen», bemerkte ein Zürcher Glockengiesser, als der so freimütig seine Meinung vertretende Zwingli 1519 zum Pfarrer am dortigen Grossmünster ernannt wurde. Gegen den Widerstand konservativer Kreise, die ihm auch das Bekenntnis zu seinem unehelichen Kind verübelten. In Zürich wurde Zwingli zum Pionier der Reformation in der Schweiz – bedächtiger und kühler agierend als Luther, mit dem er sich in der Abendmahlsfrage später überwarf, in manchem aber auch radikaler und konsequenter. Vornehm, sachlich, auch selbstkritisch, ein klar denkender Programmatiker und politischer Kopf, kein Draufgänger wie Luther. Religiöse Leidenschaft beseelte ihn dennoch.

Pest schreckte ihn nicht

1484 in der Ostschweizer Grafschaft Toggenburg in einer wohlhabenden Familie geboren, erwarb sich Zwingli eine gute humanistische Bildung, arbeitete als Seelsorger in Glarus, schloss Freundschaft mit Erasmus von Rotterdam, studierte die Kirchenväter – und die Schriften Luthers. Kurz nach seinem Dienstantritt am Zürcher Grossmünster brach eine Pestepidemie über die Stadt herein. Zwingli floh nicht wie manch anderer, sondern ging in die Häuser der Kranken und leistete ihnen Beistand, ohne die Gefahr für das eigene Leben zu scheuen.

Reformation in Zürich eingeführt

Zwingli erregte Aufsehen mit seinen Predigten und spektakulären Aktionen: Mit einem öffentlichen «Wurstessen» während der Passionszeit 1522 brach er demonstrativ die kirchlichen Fastenregeln. In enger Zusammenarbeit mit der Kantonsregierung führte er zügig die Reformation in Zürich ein: Er liess die Heiligenbilder abhängen, schaffte Orgelspiel und Gemeindegesang im Gottesdienst ab, wandelte die Klöster in Kranken- und Armenhäuser um, erreichte die Einführung eines Ehe- und Sittengerichts.

Abendmahl entzweite

Martin Luther stand seinem Schweizer Gesinnungsgenossen immer etwas reserviert gegenüber. Als der Landgraf Philipp von Hessen 1529 alle Wortführer des evangelischen Lagers nach Marburg einlud, um ein gemeinsames Glaubensbekenntnis zu formulieren (und ein Bündnis gegen Kaiser und Papst zu schmieden), blieb Luther hartnäckig dabei: In der Abendmahlslehre irrt Zwingli. Der verstand Brot und Wein nur als Symbole für den Kreuzestod Christi aus Liebe und das Abendmahl nur als eine Erinnerungs- und Gemeinschaftsveranstaltung, nicht als reale Vergegenwärtigung des Sterbens Jesu. Die Aufspaltung der Evangelischen in Lutheraner und Reformierte war angelegt und ein politisches Bündnis aller Protestanten unmöglich geworden.

Hartes Urteil

Zwingli wünschte sich trotz der unterschiedlichen Auffassungen - die er nicht als kirchentrennend ansah – weiter Luthers Freundschaft. Doch als sich die «altgläubigen» Kantone der Innerschweiz mit König Ferdinand von Österreich gegen Zürich, Konstanz, Bern, Basel und die übrigen Stützpunkte der Reformation in der Schweiz verbündeten, als Zwingli schliesslich am 11. Oktober 1531 in der Schlacht von Kappel zwischen Zürcher Truppen und den Heerhaufen der katholischen Kantone fiel, da stellte Martin Luther nur lakonisch fest: «Zwingli war einmal etwas, aber weder etwas Wahres noch etwas Gutes. Ich wünschte, dass er selig würde, aber ich fürchte, dass das Gegenteil mit ihm geschah.»

Autor: Christian Feldmann

Datum: 12.10.2006
Quelle: Epd

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