Täufer und Reformierte

Schritte der Heilung – und Freude bricht auf

Der Bruch Zwinglis mit den Täufern – und der Täufer mit ihm – zerriss den geistlichen Aufbruch der Reformation. Der Riss wuchs sich aus in Hunderten von Trennungen und Spaltungen unter Evangelischen. Heute ringen Täufer in den USA darum, ihre Zersplitterung zu heilen: ein Signal an alle evangelischen Gemeinschaften.
Freisetzung: Keith Yoder (Mitte) betet für Ben Girod und die Gemeinschaft der Amischen. Links Lloyd Hoover.
Zeichen für Vergebung durch Christus: Das Tuch wurde über ein Banner mit dem Bild des Lammes gelegt.
Pferdestärken, aber keine Motoren: Die Amischen leben nach den Regeln der Vorfahren.
Neue Wege gehen: Mehrere Leiter traditionalistischer Gemeinschaften wünschen einen Aufbruch.
Versöhnung auch mit den Ureinwohnern: Ivan Doxtator hielt das erste Referat.
Konferenzort: die Petra-Kirche in New Holland östlich von Lancaster.

„Unser Erbe aufschliessen“: Unter diesem Titel fand vom 7.-9. April in New Holland (Pennsylvania) eine Versöhnungs- und Heilungskonferenz statt. Versöhnung in vielen Schichten: Der Veranstalter, eine kleine Gebetsgruppe von Mennoniten, lud nicht nur reformierte Christen aus der Schweiz ein, sondern auch den „Native American“ Ivan Doxtator, einen Nachfahren der Irokesen, denen die weissen Siedler in der Neuen Welt ab dem 17. Jahrhundert das Land weggenommen hatten!

Ringen um Heiligkeit – und Strenge

Im Lancaster County östlich von Harrisburg finden sich täuferische-mennonitische Gruppen in grosser Vielfalt. Ihre Vorfahren stammten aus verschiedenen Teilen Europas und kamen als Siedler seit 1680 ins Land. Das Ringen um die Heiligkeit der Gemeinschaft der Gläubigen, das die Täufer von Beginn weg auszeichnete, hat zur Aufsplitterung der Mennoniten und Amischen in über 50 Kirchen und Gruppen beigetragen.

Faktoren in dieser Entwicklung waren Traditionalismus, Gesetzlichkeit und Gemeindezucht (Ausschluss und Meiden jener, die sich Anweisungen nicht fügten), Rivalitäten und Missverständnisse unter Leitern, aber auch erweckliche Bewegungen, denen bloss ein Teil folgen wollte. Dazu kam in neuerer Zeit der immer weniger abweisbare Einfluss der technikfrohen, konsumorientierten US-Gesellschaft. (So zerstritt sich 1928 eine Gemeinde über der Frage, ob Autos akzeptabel seien; die Neinsager gaben ihren Widerstand 1953 auf.)

Nebeinander von 50 verschiedenen Täufer-Gemeinschaften

So leben konservative und liberale Mennoniten, charismatische Täufergemeinden und mehr oder weniger traditionsgebundene Amische in diesem Teil Pennsylvanias getrennt nebeneinander. Vor vier Jahren begann die erwähnte Gebetsgruppe um Lloyd Hoover, einen der 25 Bischöfe der Lancaster-Konferenz der Mennoniten, nach den geistlichen Ursachen dieser Trennungen zu suchen – und nach Wegen zur Begegnung, Versöhnung und Heilung.

Der Einladung zur Konferenz folgten nun über 400 Personen aus zwei Dutzend verschiedenen täuferischen Kirchen und Gemeinschaften. Andere blieben der Konferenz wegen ihrer Ausrichtung bewusst fern.

Bitte um Vergebung als Grundlage

In der zweiten von sieben dreistündigen Veranstaltungen, die mit intensivem Lobpreis begannen und mit Gesang schlossen, skizzierte der mennonitische Autor John Ruth den Weg der Täufer. Mit der Bitte um Vergebung und Gemeinschaft, die die reformierten Gäste aus der Schweiz dann in die Mitte der Versammlung legten, war der Boden bereitet für eine stundenlange emotionale Aussprache unter den Täufern selbst.

Am Samstag konnten Dutzende von Teilnehmenden, nachdem der Moderator ihr Anliegen aufgenommen hatte, ihre Gedanken und Eindrücke vortragen: Männer und einzelne Frauen, bärtige Pastoren und junge Feuerköpfe, Leiter und Propheten.

Väter im Glauben

Immer wieder nahmen sie dabei Bezug auf das erneuerte Band zu den Reformierten, sprachen ihnen Vergebung und auch Vollmacht für das geistliche Wirken in der Schweiz zu. Als wären Jahrhunderte weggewischt, sprach Mark Buckwalter sie als Väter im Glauben an: „Ich will Vergebung freisetzen dafür, dass ihr uns unsere Väter weggenommen und uns zu illegitimen Kinder gemacht habt (die Ehen der Täufer waren nichtig, da nicht in der Kirche geschlossen; Red.). Auch dafür, dass ihr die Stimmen der Propheten und Evangelisten zum Verstummen gebracht habt.“

Schmerzen ausgesprochen

Janet Keller Richards brachte die Schmerzen der Verfolgungszeit (welche in der Kultur der Mennoniten und Amische tiefe Spuren hinterlassen haben) ein: „Ich stehe hier für die Frauen und Mütter der täuferischen Tradition. Ich vergebe euch, meine reformierten Brüder und Schwestern, dafür, dass ihr unsere Kinder weggenommen und anderen Familien gegeben habt. Dafür, dass ihr unser Land genommen, unsere Männer verbannt, unseren Besitz konfisziert und Bussgelder erhoben habt, um eure Kirchen zu bauen.“

„Wir vergeben euch, wir setzen euch frei – all dies steht nicht mehr gegen euch. Wir vergeben euch, dass ihr zugelassen habt, dass unsere Vorfahren im Kerker verhungerten. Wir bitten, tragt diese Last nicht weiter. Wir bitten Jesus, euch freizusetzen.“

Eifer und Rechthaberei

Mehrfach kamen an diesem Morgen Einseitigkeiten und Fehler der täuferischen Leiter zur Sprache. „Es ist das Eine, für den Herrn zu eifern, aber ein Anderes, ohne schmerzliche Irrtümer voranzugehen“, sagte Bob Spayde, Pastor einer der ältesten Mennonitenkirchen der Region. Ein Nachfahre in neunter Generation des Täuferführers Hans Herr bekannte: „Wir taten Unrecht, als wir uns zurückzogen und Trennung im Leib von Christus verursachten.“

Janet Keller Richards, die zu den Initianten der Konferenz gehörte und über ihr Thema auch ein Buch geschrieben hat, äusserte gar, die ersten Täufer seien ungeduldig und rebellisch gewesen, statt die Obrigkeit gebührend zu ehren. Auf ihre Bitte hin zogen die Versammelten die Schuhe aus und standen eine Zeitlang schweigend vor den Schweizer Gästen, die auf der Bühne sassen. Richards: „Wir verneigen uns und wir ehren euch.“

Frei von Scham

Glen Metzler proklamierte die Befreiung von den Schamgefühlen, die wegen ihrer Verachtung und unwürdigen Lebensumstände über die Verfolgten kamen – und wegen ihrer Härte auch über Verfolger. „Möge der Herr Ehre wiederherstellen. Wir heben alle Scham weg! Sie ist weg, wenn wir gewahr werden, dass wir seine Gerechtigkeit haben.“

Das Vorrecht, Versöhnung zu erlangen und weiterzugeben

Der Mennonitenpastor Joe Garber machte das Privileg der Christen als Vorreiter der Versöhnung bewusst: „Heilung der Völker wird es nur durch eine geheilte Kirche geben.“ Der Konferenzleiter Lloyd Hoover erinnerte daran, dass die Einheit der Christen weit hinter die Zeit der Reformation zurückgeht – „zu Abraham, der viele Söhne hatte“.

Der Konferenz-Moderator Keith Yoder sprach dann ein Gebet mit der Bitte um Reinigung: „Wir kommen zum Thron von Gnade und Gericht… Wir erkennen an, dass Jesus kam, um die Strafe auf sich zu nehmen für Sünde, Vertrags- und Bundesbruch, für alles eigensinnige Streben und jeden Missbrauch der Theologie für Kampfführung. Wir empfangen die Vergebung, die uns gewährt ist durch den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus. Wir empfangen deine Reinigung. Barmherzigkeit triumphiert über Gericht.“

Blutrotes Tuch

Nach der Mittagspause wurde die Versöhnung mit einem langen, blutroten Tuch zum Ausdruck gebracht. Lloyd Hoover und der Amisch-Leiter Robert Mast zogen es über die Schweizer, die auf der Bühne sassen, hinweg und legten es dann über ein Banner, das Christus als Opferlamm zeigte.

„Frei, das ganze Erbe zu gewinnen“

Pfr. Ernst Gysel aus Frauenfeld dankte für die Vergebung und sprach seinerseits den Täufern Vergebung für ihre Verfehlungen zu: „Wir setzen euch frei, das ganze Erbe zu gewinnen, und segnen euch mit Freude, Frieden und Kraft von Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.“

Pfr. Geri Keller, Leiter der Winterthurer Schleife-Stiftung, proklamierte – auf Wunsch der Konferenzleiter – die Befreiung von einem „Fluch, der durch Verfolgung und Ablehnung erzeugt wurde. Ein Same von Misstrauen und Angst vor Leiterschaft, Auflehnung, verstecktem Ärger und Hass wurde gelegt, der mehr und mehr Spaltungen bewirkte.“

Misstrauen als geistliches Bollwerk – nicht mehr

Keller betete: „Wir bringen dir nun diese Wurzel von Bitterkeit, Misstrauen, Rebellion – und reissen sie aus im Namen von Jesus aus unserem Lebensgefühl, aus unserem Herzen, auch aus unseren Leibern und Gefühlen. Und bringen alle Befleckung des Geistes zum Kreuz. Wir sagen: Dieses Bollwerk von Rebellion und Misstrauen, diese Zwänge, sich immer wieder teilen und spalten zu müssen, sie haben kein Anrecht mehr, sie sind unter die Füsse Jesu getan – er ist Herr über alle Mächte und Kräfte und er ist durch alle Bereiche auch unserer Geschichte hindurchgegangen und hat sie mit seinem Blut gesühnt.“

Der Schweizer erklärte die Macht des Dämons „des Misstrauens, von Rebellion, von Teilung und Absonderung“ für gebrochen und fuhr fort. „Wir säen heute dieses Vertrauen neu in unsere Herzen hinein. Es ist Frühling: Die Erde wird nochmals aufgebrochen, der Same gelegt, der Regen kommt, der Same schlägt aus. Wir sehen eine Ernte von neuer Freude und Vertrauen. Väter und Mütter werden geehrt. Eine neue Freude an der Gemeinde… Wir als reformierte Vertreter, wir fühlten uns sicher unter euch. Ihr habt nicht mit Fingern auf uns gezeigt. Wir konnten uns fallen lassen in dieses Vertrauen hinein. Wir möchten euch sagen, wir sind bereit, das Leben für euch hinzugeben. Nichts mehr wird uns von euch scheiden können.“

Fortsetzung folgt.

Beiträge der reformierten Gäste zur Versöhnung
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/23127
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/23172/

Überblick über die Konferenz www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/23020/

Bild Doxtator: Copyright Dale Gehman

Datum: 28.04.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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