Reformierte und Täufer

Versöhnungskonferenz in den USA, Begegnung in Bern

Am letzten Wochenende hat die Berner reformierte Kirchenleitung die Täufergemeinden zu einem Abendmahlsgottesdienst ins Münster eingeladen. Gleichzeitig fand in den USA eine Versöhnungskonferenz statt, in der Schweizer Reformierte nochmals um Verzeihung für das historische Unrecht baten.
In den sieben dreistündigen Plenen kamen viele Teilnehmer zu Wort, auch Vertreter traditionalistischer Gemeinschaften.
Amische Farm im Mittleren Westen der USA.
Gemeinschaft gefestigt: Konferenzleiter Lloyd Hoover mit Pfr. Peter Dettwiler, dem Amisch-Leiter Ben Girod und Pfr. Geri Keller
Dass die Reformierten auf die Knie gingen, bewegte viele Täufer tief.
Ausdruck der Verbundenheit: US-Täufer waschen Schweizer Gästen die Füsse.
Das Verlangen nach geistlicher Erneuerung und Erfrischung in den Täufergemeinden war stark spürbar.
Frau auf der Kanzel: Für manche Teilnehmer war der Auftritt von Pfarrerin Sabine Aschmann etwas Neues.

In Bern lag der Akzent auf Begegnung. Der Filmregisseur Peter von Gunten zeigte an einer Vorpremiere seinen Film über das Leben von Täufergemeinden in der Schweiz. Der reformierte Synodalratspräsident Samuel Lutz betonte, das Wochenende sei „kein rückblickendes Schuldbekenntnis“ gewesen; es habe Anerkennung und Wertschätzung zum Ausdruck gebracht.

Zahlreiche Kirchen der Mennoniten und Amische vertreten

Die Konferenz in New Holland im US-Bundesstaat Pennsylvania wollte mehr. Sie wurde von einer Gebetsgruppe um Lloyd Hoover, Bischof der Lancaster-Konferenz der Mennoniten, vorbereitet und durchgeführt.

Unter den 400 Teilnehmenden fanden sich Vertreter von etwa 25 verschiedenen täuferischen Kirchen und Gruppen – und 20 reformierte Schweizer.

Pioniere der Gewissensfreiheit – in Europa lange unerwünscht

Ein Hauptzweck war die Heilung von Wunden und Schwächen, welche der Bruch zwischen Reformierten und Täufern um 1525 und deren anschliessende Verfolgung verursachte. Sie wollten eine von staatlicher Einflussnahme freie Kirche und verweigerten die Säuglingstaufe und den Eid.

Die Unterdrückung der Täufer und die Vertreibung von Tausenden von Männern und ihrer Familien bis ins 18. Jahrhundert haben dazu geführt, dass das Zentrum des Täufertums heute in jenseits des Atlantiks liegt. Familiennamen weisen jedoch auf die Schweizer Ursprünge zurück, und manche Täufer sprechen noch „Pennsylvania Dutch“ oder gar eine Art altes Schweizerdeutsch.

Viele Eigenheiten der Entwicklung der Gemeinden der Täufer, auch ihre starke Zersplitterung in Amerika, lassen sich auf die Radikalität ihres Glaubens- und Kirchenverständnisses und die Härten der Verfolgungszeit zurückführen.

Neue Schritte zur Versöhnung seit 2003

Einzelne Mennoniten und Amische aus den USA und Kanada hatten an einer Versöhnungskonferenz der Winterthurer Stiftung Schleife Anfang Mai 2003 teilgenommen; etwa hundert fanden sich zum Begegnungstag der Zürcher Reformierten am 26. Juni 2004 ein.

Damals bat der Zürcher Kirchenratspräsident Ruedi Reich, Amtsnachfolger Zwinglis, die Täufer im Grossmünster um Verzeihung; eine Gedenkplatte an der Limmat wurde eingeweiht (Livenet berichtete).

Nun wurde dieser Prozess an einer von Lobpreis und intensiver Gemeinschaft, aufwühlenden Botschaften und persönlicher Betroffenheit geprägten Konferenz weitergeführt und vertieft. Sie fand in New Holland bei Lancaster, im bedeutendsten Siedlungsgebiet der Mennoniten in den USA, statt.

Reformierte auf den Knien

Pfr. Peter Dettwiler, bei den Zürcher Reformierten für zwischenkirchliche Beziehungen zuständig, verlas eine Botschaft des Kirchenratspräsidenten und sprach nochmals zentrale Sätze des Schuldbekenntnisses von 2004 aus, welches die Verfolgung als Verrat am Evangelium bezeichnet.

Dass dabei alle Schweizer Reformierten auf der Bühne miteinander auf die Knie gingen, bewegte die anwesenden Täufer tief. Manche hatten Tränen in den Augen. Dettwiler erklärte, wahre Versöhnung brauche weitere Schritte, und unterstrich: „Gott war mit euch durch Verfolgung und Mühsal, Anfechtung, Leiden und Tod. Gott war mit euch, wie er auch jetzt mit euch ist.“

In der Folge brachten verschiedene Vertreter von Täufergemeinden ihr Verzeihen zum Ausdruck, nicht ohne die Schmerzen zu erwähnen, welche die Repression namentlich den Frauen und Kindern verursacht hatte.

Von den Täufern Radikalität lernen

In kurzen Beiträgen brachten die reformierten Gäste aus der Alten Welt zum Ausdruck, was sie mit den Täufern verbindet. Sabine Aschmann, reformierte Pfarrerin in Thayingen nördlich von Schaffhausen, hat an der Grenze zu Deutschland, dem Fluchtweg ausgewiesener Täufer, einen Gedenkstein errichtet.

Mehrere Schweizer nahmen Bezug auf die Radikalität der Täufer im Leben mit Christus, welche der reformierten Kirche durch deren Ausgrenzung verloren ging – zum eigenen Schaden.

Geschichtsbewusstsein, Versöhnung und Heilung

Ein Höhepunkt der Konferenz, die von Lloyd Hoover und seinem kleinen Team umsichtig und ruhig geleitet wurde, war ein pointenreicher Rückblick des mennonitischen Autors John Ruth auf die dramatische Geschichte der Täufer.

Die Veranstaltung berührte aber auch andere Ebenen der Versöhnung. Ivan Doxtator sprach als Vertreter der Indianervölker, die ihr Land in einer beschämenden Serie von Vertragsbrüchen und Gewalttaten an die Weissen (unter ihnen die Täufer) verloren. Er legte dar, wie Christen geistliche Autorität über Gebiete ausüben bzw. durch Versöhnung zurückgewinnen können.

Die dreitägige Veranstaltung endete mit Schritten zu Versöhnung und gegenseitiger Freisetzung von Amischen und Mennoniten verschiedener Prägung, von Traditionalisten und Reformern, Vätern und Söhnen.

Eingehende Berichte folgen.

Bilder: Livenet/Dale Gehman

Datum: 16.04.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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