Die Bibel lesen heisst: im Gespräch mit Gott sein

Siegfried F. Müller hat wichtige Schriften Bullingers übersetzt und auf einer CD zugänglich gemacht
„Das ganze Leben in Gott wird durch die heilige Bibel vollkommen gelehrt“: Heinrich Bullinger
Bullinger betonte die Gültigkeit und den Wert des Alten Testaments.

Wie die anderen Reformatoren des 16. Jahrhunderts stellte Heinrich Bullinger die Bibel als Gottes Wort ins Zentrum seiner Aufbauarbeit. Dabei ging er besonders auf die Frage ein, ob für Christen nur das Neue Testament aktuell, das Alte aber überholt und unwichtig ist.

Können wir mit der Vernunft diese Frage entscheiden? Bullinger sagt: Nein. Sein Verständnis der ganzen Heiligen Schrift legt er in seiner ‚Summa’, einem Hausbuch des Glaubens von 1556, dar (Auszüge aus Kapiteln 1 und 7).

Das Wort 'Schrift' bezeichnet sonst allerlei Schriftstücke, die von Menschen geschrieben sind; von dieser Bedeutung wird es hier abgehoben durch die Worte 'heilig' und 'biblisch'; andere Schriften haben diese Eigenschaften nicht.

'Heilig' heisst unsere Bibel insofern, als sie durch den Heiligen Geist eingegeben und von heiligen [= ehrwürdigen] Menschen geschrieben worden ist, zu dem heiligen Gott führt und lauter Heiligkeit und keinerlei Unstimmigkeit oder Irrtum lehrt. So sagt David in Psalm 19‚8: “Das Gesetz des Herrn ist rein und lauter und erleuchtet die Augen”, und in Psalm 12,7: “Die Reden des Herrn sind lautere Reden, wie das Silber, das im Tiegel von der Erde gereinigt und siebenmal eingeschmolzen wird.” …

Der Inhalt des Testaments: Was Gott uns vererbt hat

Diese Bibel, also die Bücher Gottes, werden auch 'das Alte und das Neue Testament' genannt; das bedeutet: Bücher, die vom alten und vom neuen Testament handeln. Sie sind durch die ehrwürdigen Propheten und Apostel niedergeschrieben, und sind auf Gottes Geheiss den Menschen gegeben, d.h. hinterlassen worden. Ein Testament ist eine letztwillige Verfügung darüber, was nach dem Tode eines Menschen mit der Hinterlassenschaft geschehen soll. Auch eine Vereinbarung, eine Übereinkunft, ein Vertrag, ein Pakt und ein Bündnis sind 'ein Testament.'

Gott hat seinem Volke seine Gaben und himmlischen Güter vermacht, denen nämlich, die er als seine Erben angenommen hat. Diese Gaben fallen den Gläubigen zu aufgrund des Todes seines Sohnes. Er hat also mit diesen Menschen eine Übereinkunft, eine Vereinbarung, ein Bündnis usw. abgeschlossen...

Darum versteht man nun unter dem Alten Testament alle diejenigen Bücher, die vor der Zeit Christi auf Gottes Geheiss geschrieben und als Buch Gottes zusammengefasst worden sind. Sie beschreiben, wie Gott seinem alten Volke sein Vermächtnis, seine Übereinkunft und seinen Bund gehalten habe, von Adam bis auf Christus, und wie er an seinem Volk und sein Volk an ihm gehandelt haben…

Die Bibel als Lehrerin – für alle

Das ganze Leben in Gott wird durch die heilige Bibel vollkommen gelehrt, und alle Menschen müssen gotterfüllt leben, wenn sie des ewigen Lebens teilhaft werden wollen. Darum sollen alle Menschen die heilige Bibel lesen oder vorgelesen bekommen, aus ihr das richtige Leben in Gott gut zu erlernen. … Es ist ja kund, dass der Mensch nicht nur vom Brot, sondern auch vom Wort Gottes lebt. …

Unser Herr und Gott hat, vom Berg Sinai herab, mit verständlicher Sprache geredet, die vom ganzen Volk gut verstanden wurde. Die heiligen Propheten haben nicht in einer fremden Sprache, sondern in der Landes- und Muttersprache geredet und geschrieben. Auch unser Herr Christus hat so gepredigt, und ebenfalls die Apostel. … Dies alles zeigt klar an: Gott will, dass sein Buch von jedermann gelesen und verstanden wird, und dass man daraus lernt.

Gott hat sein Gesetz von allem Anfang an nicht nur den Priestern oder Gelehrten gegeben, sondern er hat geheissen, man solle es abschreiben und es den Regenten geben, so dass sie jederzeit darin lesen und danach regieren können. Ja, er gebietet klar, man solle es dem Volk vorlesen, und die Leute sollen es ihren Kindern erzählen und sie daraus lehren. …

Alle kommen auf die Rechnung

Man sagt zwar, die Schrift sei dunkel und habe viele schwere, unverständliche Stellen, mit denen auch die Gelehrten noch nicht fertig geworden seien. … In uns allen drin ist wahrlich eine Dunkelheit der Sünden und Verfehlungen; aber das Licht von Gottes Wort, die Tageshelle des heiligen Evangeliums und der Morgenstern, der Geist Christi, treibt die Dunkelheit hinweg, sodass uns die Schrift hell und klar wird.

Es ist zwar wahr, dass in den Briefen des Paulus und in anderen Teilen der Bibel schwierige Bibelstellen gefunden werden; das soll aber niemanden kopfscheu machen. Denn was den Vertrauensglauben und ein gotterfülltes Leben betrifft, so gibt es viel mehr andere, klare Stellen als es dunkle gibt; und diese lehren, beschreiben und erklären über die ganze Bibel hinweg alles so einfach und richtig, dass auch ein schlichter, einfacher Mensch auf seine Rechnung kommt.

Auch wenn dieser die dunkeln Stellen keinesfalls versteht, so kann ihm das nichts schaden in Sachen Seligkeit und Ehrbarkeit. Oder was kann dich das beirren, dass man halt etliche schwierige Worte und Sprüche findet in einem Buch oder Brief, wenn dieser doch vor und nach dieser Stelle so verständlich geschrieben ist, dass du die Hauptsache und das, worin die Schwierigkeit steckt, einfach, gründlich und gut verstehst?

Oder willst du etwa den Brief bloss deswegen ungelesen lassen oder ihn fortwerfen, weil er ein paar wenige schwer verständliche Worte oder Sätze aufweist aufgrund seines Alters? Also. Darüber hinaus können die Diener der Kirche jederzeit, wenn etwas Schwieriges vorliegt, dir mit der Predigt und anderswie zu Hilfe kommen.

Die Bibel lesen heisst: im Gespräch mit Gott sein

Doch wir fügen gleich hinzu, was auch der heilige Apostel Petrus gelehrt hat: Die Heilige Schrift kann nun aber nicht ausgelegt, d.h. verstanden werden, wie es jedem gerade passt, und noch weniger soll sie mutwillig zurechtgebogen werden, was zwar eine sehr menschliche Anfechtung ist. Sie soll richtig ausgelegt werden, nämlich nach ihrer eigenen Art, durch sie selbst, nach der Regel des Vertrauensglaubens und der Liebe.

Darüber redet der heilige Apostel Paulus in Römer 12,3; 1. Korinther 13 und 1. Timotheus 1,3-8. Der Leser des Gotteswortes soll deshalb stets beten und seine Überlegungen mit grosser Gottesfurcht anstellen; ja er soll alles, was er liest, zu Gottes Ehre und zur Besserung, d.h. zum Aufbau eines frommen Lebens verstehen; jeglichen Zank, Bosheit und Hochmut, die es gibt, und alles was böse macht, das sollen wir fallen lassen. Denn der Leser der Schrift unterredet sich mit Gott…

Dieser und zahlreiche andere Texte von Heinrich Bullinger in der Übersetzung von Siegfried F. Müller finden sich auf einer CD:
www.theologische.ch/100/con_liste.asp?prono=543&nCurKat=86

Weitere Texte von und über Heinrich Bullinger im Livenet-Dossier:
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/493/19081/

Autor: Heinrich Bullinger
Übersetzung: Siegfried F. Müller

Datum: 18.10.2004

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