Bibel

Ein subversives Buch

In der Zeit nach Pfingsten las die erste christliche Gemeinde wie die Juden aus der jüdischen Bibel. Die christliche Bibel, das «Neue Testament», entstand erst allmählich.
Alte Lutherbibel

Die vier Evangelien, Briefe, die Apostelgeschichte und die Offenbarung des Johannes wurden von Augenzeugen des Lebens von Jesus und von Menschen, die zu ihnen in enger Beziehung standen, verfasst. In der Folgezeit entstand in einer oft heftig geführten Auseinandersetzung der «Kanon», eine Sammlung von 27 «Büchern».

Noch blieb diese erweiterte Bibel ein Buch der sprachkundigen und theologisch Gelehrten. Dem christlichen Volk wurde sie nur häppchenweise im Gottesdienst verabreicht. Die Meinung herrschte vor, dass die Bibel ohnehin nur von Geistlichen und Gelehrten richtig ausgelegt und gelesen werden könne. Der eigentliche Bibeltext war kaum bekannt.

Mohammed, der Begründer des Islam, beklagte daher eine Verfälschung der Bibel. Er selbst beanspruchte, die endgültige und fertige Abschrift des Himmelsbuches empfangen zu haben. Er wollte die Kraft des Wortes für die Gläubigen bewahren und verordnete, dass der Koran in jedem Moscheegottesdienst gelesen und ausgelegt werden musste. Leider lernten die damaligen Kirchenleiter nichts daraus.

Noch im Mittelalter blieb die Kenntnis der Bibel einer Elite vorbehalten. Klosterschulen diente sie aus Lesebuch, aus dem laut vorgelesen wurde. So konnten sich die jungen Mönche die Texte gut einprägen. Hier wurde die Bibel auch abgeschrieben und überliefert.

Die Kreuzzüge führten an die Original Schauplätze des biblischen Geschehens zurück. Bald darauf entstanden Bewegungen, welche die biblische Kraftquelle neu entdeckten und sich für eine Erneuerung des christlichen Glaubens einsetzten. Dazu gehörten gewöhnliche, theologisch ungebildete Menschen wie Petrus Valdus oder Franz von Assisi. Sie beschämten die damalige Kirchenführung durch ihr ganz konkretes Umsetzen des biblischen Wortes ins tägliche Leben.

Der Priester und spätere Zürcher Reformator Ulrich Zwingli lernte die innere Kraft dieses Buches durch das fleissige Abschreiben von Paulus-Briefen im griechischen Original kennen. Der deutsche Theologieprofessor Martin Luther schockte 1517 die politische und kirchliche Machtelite mit 95 Thesen zur Erneuerung der Kirche «aus dem Wort».

Die Buchdruckerkunst ermöglichte ein rasches Ausbreiten der neuen Ideen und damit eine grosse Reform der Kirche. Anfänglich noch sehr teuer, fand die Bibel immer mehr Verbreitung. So entwickelte sie eine ungeahnte subversive Kraft. Könige, Bischöfe und Fürsten fürchteten sie und ihre Kolporteure. Die fortschreitende Drucktechnik ermöglichte schon im 16. Jahrhundert eine Minibibel. Die Frauen der verfolgten Protestanten in Frankreich konnten sie in ihrem Haarknoten verstecken, wenn sie bei ihren Geheimversammlungen von der Religionspolizei überrascht wurden.

Doch stärker als diese setzte der Bibel der kritische philosophische Geist zu, der sich in der Aufklärung Bahn machte. Nicht nur die Freiheit des Denkens, sondern auch ein Wissenschaftsverständnis, das die Welt auf das Diesseits reduzierte, beraubte die Bibel ihrer himmlischen Dimension. Man liess sie nur noch als Sammlung von Schriften religiöser Menschen gelten, die damit ihrem Bedürfnis nach göttlicher Offenbarung nachkamen. Bis heute wird der Streit zwischen einem rationalistischen Bibelverständnis und der Bibel als Zeugnis göttlicher Offenbarung geführt. Nicht nur an Universitäten, sondern auch in den Medien.

Die Pietisten, eine nachreformatorische Bewegung, lasen die Bibel daheim und in privaten Bibelkreisen mit der Absicht, sie ins Leben umzusetzen. Heute ist sie das meistübersetzte Buch und weltweit verbreitet. Christen finden es selbstverständlich, sie zu besitzen, meist in verschiedenen Übersetzungen und oft auch im Computer. Sie forschen darin ohne kirchlichen oder behördlichen Widerstand und tauschen ihre persönlichen Erfahrungen in Bibelkreisen und Gruppen, in Firmen und Schulhäusern aus. Doch nur wenige verspüren ihre Kraft und Dynamik.

Bücher zum Thema:
Bibellesen leicht gemacht
Bibel für heute 2012
Bibellese-Abenteuer für Familien

Datum: 28.05.2012
Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: 4telstunde für Jesus

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