Die Mehrheit der Bevölkerung von Bethlehem ist moslemisch. Trotzdem muss der Bürgermeister der Stadt Christ sein, ebenso wie sein Vize. So will es ein Gesetz, das einst unter Jassir Arafat erlassen wurde. Und so kommt es, dass mit dem Arzt Victor Batarseh erneut ein Christ das höchste Amt der Geburtsstadt von Jesus besetzt. Livenet.ch sprach exklusiv mit dem neuen Führungschef der palästinensisch verwalteten Stadt. Livenet.ch: Dr. Victor Batarseh, eigentlich sind Sie nun Bürgermeister der berühmtesten Stadt der Welt ... Wer ist Jesus Christus für Sie? Sie wohnen an einem sehr speziellen Ort. Ist einem das den ganzen Tag über bewusst? Wie steht es um die Touristen? Was wollen Sie in Ihrer Zeit als Bethlehems Bürgermeister erreichen? Wie wichtig sind christliche Institutionen wie das Bethlehem Bible College für Sie? Weil Sie auch Menschen nach Bethlehem bringen? Die Hamas ist die stärkste Kraft in Bethlehem. Wie gehen die Christen damit um? Wieviele Einwohner von Bethlehem sind Christen? Wie kommt es, dass die Christen auswandern? Sehen Sie Anzeichen dafür, dass Christen zurückkehren wollen? Und die Furcht vor den moslemischen Fundamentalisten? Was wollen Sie tun, um die Auswanderung der Christen zu stoppen und ihre Sicherheit zu verbessern? Die Mehrheit in Bethlehem ist moslemisch. Wird eines Tages ein Moslem Ihren Posten übernehmen? Wie schaut die nächste Weihnachtsfeier aus?
Dr. Victor Batarseh: Sicher, Bethlehem ist die Wiege der Christenheit. Damit ist es die wichtigste Stadt der Welt und der christlichen Welt. Die Stadt will Frieden propagieren. Und wir brauchen christliche Pilger, die den Geburtsplatz von Jesus besuchen.
Ich bin Christ. Ich glaube an Jesus Christus. Ich bin römisch-katholisch und gehe jeden Sonntag in die Kirche. Jesus Christus kam, um den Menschen zu helfen; damit sie in Frieden leben und dass sie sich untereinander gut verhalten. Er predigte, dass jede Person in dieser Welt ihrem Bruder helfen soll. Nicht dass man Essen hat und dieses nicht teilt.
Es ist immer in meinem Herzen. So wie wir unsere tägliche Arbeit verrichten, ist der Weg von Jesus, das Christentum, immer da. Und auch der Weg der Bruderschaft und des Friedens.
Der Tourismus läuft schlecht. Und die Ökonomie auch. Das ist wegen der Besetzung und wegen der Trennmauer. Bethlehem ist ein grosses Gefängnis. 60 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos. Darum bitte ich die christlichen Brüder, uns zu besuchen, so dass wir Arbeit haben. Eine Nacht hier verbringen, in unseren Restaurants essen – das hilft Bethlehem. Es ist ein wenig besser als früher, aber wir hoffen, dass der Tourismus wieder mehr wird.
Da sind viele Ziele, und für alle brauchen wir Geld. Als ich meinen Posten antrat, hatten wir ein Minus von drei Millionen Shekel (ca. 800.000 Franken). Ich möchte die Strassen ausbauen, die Stadt besser beleuchten, sauberere Strassen, ein neues Schlachthaus und eine Bibliothek. Aber wir brauchen Geld. Ich möchte auch ein Sportstadion errichten. Wir haben zum Beispiel verschiedene Fussballteams – aber nur einen Fussballplatz.
Alle christlichen Institutionen sind nahe an meinem Herzen. Sie sind wichtig für mich, für die Gemeinde und für die Stadt.
Wenn sie Menschen hierher bringen, hilft das, und wir sind dafür sehr dankbar.
5 von 15 Mitgliedern im Rat sind von der Hamas. Sie wurden von den Bürgern gewählt. Aber es geht nicht um Politik, sondern um den Dienst. Dafür sind sie genauso bereit wie ihre christlichen Kollegen. Sie sind Bürger dieser Gemeinde und wollen, dass es ihr gut geht. Und sie wollen den christlichen Hintergrund Bethlehems nicht verändern.
Es sind etwa 35 Prozent der rund 28'000 Einwohner unserer Stadt. In der Verwaltung sind aber acht Christen und sieben Moslems. Der Bürgermeister und der Vize sind immer Christen. Das ist so festgelegt.
Die Auswanderung ist ein Problem für die Christen. Es hängt mir der Einigelung zusammen. Sie fühlen sich hier unsicher. Einige haben Verwandte in den USA und gehen dann dorthin. Es ist schwer für die heiligen Plätze, auch für die in Jerusalem. Aber wenn der Frieden kommt, kommen viele zurück.
Ich habe Kontakte zu solchen, die kommen wollen.
Ich denke nicht, dass eine Furcht da ist. Wir leben zusammen im heiligen Land seit Hunderten von Jahren als gute Nachbarn. Daran wird sich nichts ändern. Wir wollen, dass das so weitergeht.
Die Sicherheit ist nicht meine Sache, sondern die der palästinensischen Autonomiebehörde. Wenn die Besatzung vorbei ist, haben wir Sicherheit und Frieden.
Ich denke nicht, nein. Wir haben damit seit Hunderten von Jahren keine Probleme. Sie schielen nicht nach diesem Amt.
Wir bereiten uns schon darauf vor. Sie wird den Leuten gefallen. Und Bethlehem ist sicher.
Datum: 23.06.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch