Dschihadisten in der Schweiz

Wie ein Muslim die Extremismusgefahr sieht

Wo liegen die Defizite des Islam in der Schweiz? Wo müssen traditionelle Schweizer, wo Muslime aufholen? Der Berner Imam Mustafa Memeti weiss um Missstände und leitet daraus Wünsche an die Schweiz ab.
Mustafa Memeti

Mustafa Memeti ist ein Vorzeige-Imam: Eloquent im Gespräch und mediengewandt. Er ist auch Brückenbauer zwischen der traditionell christlich geprägten Schweizer Gesellschaft und den Muslimen. Seiner Ansicht nach gibt es in der Schweiz unter jugendlichen Muslimen drei Typen.

Die liberalen jungen Muslime sind in der Schweiz integriert und verbinden ihren Glauben mit der westlich orientierten Gesellschaft.

Die konservativen muslimischen Jugendlichen teilt er in zwei Untergruppen ein: Die einen sind auf der Suche nach einer Perspektive, die andern sind «an einem falschen Ort», so Memeti.

Die dritte Gruppe ist areligiös, oft ohne religiöse Bildung und daher anfällig für Sekten und Verschwörungstheorien. Sie hätten nie gelernt, wie sie Religion mit dem Alltag verbinden können. Er deutete damit an, dass sich gerade in dieser Gruppe Dschihadisten herausbilden können. 

Vielen Muslimen mangle es an Kenntnissen über ihre Religion, stellt der Berner Imam fest. Er ortet daher einen «Bedarf an theologisch ausgebildeten Beratern» in der Schweiz. In vielen Institutionen, insbesondere den Gefängnissen, fehle eine «geistlich-religiöse Betreuung».

Pflicht zur Integration

Memetis Überzeugungen, die er an einer Tagung über religiösen Extremismus von Mission 21 in Basel äusserte, sind ernst zu nehmen, weil er an der Pflicht der Muslime festhält, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Viele litten aber unter Vorurteilen der Schweizer Gesellschaft sowie unter Angst vor Stigmatisierung und Pauschalverdacht.

Er leugnet nicht, dass auch Imame hier zu wenig Gegensteuer geben. Der Imam sei eine «theologische Referenz unter den Muslimen», der sich durch Wissen und Vernunft auszeichne. Er müsse auch die Ressourcen einer pluralistischen Wertordnung schätzen und diese als Chance begreifen. Anderen religiösen Verständnissen habe er mit Respekt und Toleranz zu begegnen.

Verletzte Glaubensfreiheit

Andererseits hält er der Schweiz vor, die Glaubensfreiheit der Muslime zu verletzen, wenn sie Minarette oder Kopftücher verbiete. Andererseits hält er konservativen Muslimen, die Frauen strenge Kleidungsvorschriften auferlegen, vor, nicht dem Islam zu gehorchen, sondern vorislamische Sitten aufrechtzuerhalten. Die Normen des Islams seien darauf gerichtet, die Würde der Frau zu schützen. Memeti: «Es gibt immer Menschen, die Religion missbrauchen, um ihre unmenschlichen Ziele zu erreichen.»

Generell weibelt Memeti für Verständnis für den Grossteil der Muslime in der Schweiz. Sie seien in den vergangenen 50 Jahren zu einem Bestandteil der Schweizer Gesellschaft geworden. Die meisten kämen aus Ländern, von denen sie das Zusammenleben mit andern Religionsgemeinschaften gewohnt seien. «Hier in der Schweiz suchen sie ein friedliches Zusammenleben und möchten ihre Religion im Rahmen der Schweizer Gesetzgebung ausleben.»

Zur Webseite:
Webseite von Mission 21

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Datum: 12.03.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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