Golfstaat Katar erlaubt Kirchenbau – Vatikan fordert Religionsfreiheit in der islamischen Welt

Scheich Hamad bin-Khalifa al-Thani
Katar liegt im hell markierten Feld

Die christlichen Gemeinden in Katar erhalten vom Herrscher des Golfstaates, Scheich Hamad bin-Khalifa al-Thani, 5000 Hektar Land zum Bau von Kirchen. Dies wurde am Rand einer interreligiösen Konferenz bekannt, die islamische Gelehrte und führende Kirchenmänner unter seinem Patronat letzte Woche in der Hauptstadt Doha bestritten.

Das Angebot des Emirs richtet sich an Katholiken, Protestanten, Kopten und Orthodoxe. Bisher mussten Christen ihre Gottesdienste in Schulen oder anderen Räumen feiern, wie katholische Nachrichtendienste melden. Im Ölstaat mit seinen 610'000 Einwohnern leben über 200'000 Süd- und Ostasiaten; viele von ihnen sind Christen.

Bleiben Juden ausgeschlossen?

Zu Beginn der Konferenz, die Amtsstellen des Vatikans und die Universität Doha zum zweiten Mal nach 2003 organisiert hatten, schlug der Emir in einer vom Regierungschef verlesenen Rede vor, auch Juden in die Gespräch miteinzubeziehen. Auch sie glaubten an einen Gott. Gegen den Vorschlag stemmte sich nicht nur der Mufti von Gaza – „solange Juden noch palästinensisches Land besetzen“ –, sondern auch der syrische orthodoxe Bischof Basilios Nassour.

Nassour sagte am Ende der Konferenz, die nach der Eröffnungssitzung hinter verschlossenen Türen getagt hatte: „Wir vom Patriarchat Antiochien lehnen den Dialog mit Juden prinzipiell ab, bevor alle Einwohner Palästinas ihre Rechte wiedergewonnen haben.“ Der Vatikan will es den katarischen Gastgebern überlassen, ob sie nächstes Jahr Juden einladen wollen.

Unter der Führung des Emirs, der 1995 seinen Vater von der Macht verdrängte und Sender wie Al-Jazeera zuliess, hat Katar Kontakt zu Israel aufgenommen und trotz der anhaltenden Intifada beibehalten. (Eine Konferenz, die diese Woche in Marokko je hunderte dialogwillige Imame und Rabbiner zusammenführen wollte, wurde nach den Vorstössen Israels in den Gazastreifen abgesagt.)

Tauran: Ohne Religionsfreiheit kein Frieden

Thema der hochkarätig besetzten Konferenz in Katar waren die Rechte von religiösen Minderheiten. Christen haben in islamischen Ländern in der Regel den Status von ‚Dhimmi’, Schutzbefohlenen mit minderen Rechten. Der frühere Aussenminister des Vatikans, Kardinal Jean-Louis Tauran, forderte in seinem Vortrag die umfassende Verwirklichung des Prinzips der Religionsfreiheit. Die Freiheit des Gewissens und der Religion sei "fundamental und absolut notwendig".

Gemäss Tauran respektiert „die Religionsfreiheit sowohl Gott als auch den Menschen. Sie beruht auf absoluter Gegenseitigkeit. Sie erstreckt sich über die Gewissensfreiheit des einzelnen hinaus auch auf die Gemeinschaft und hat eine zivile und gesellschaftliche Dimension“. Tauran spielte auf die Kämpfe im benachbarten Irak an und meinte, eine so verstandene und gelebte Religionsfreiheit könne „auch zu einem wirksamen Faktor beim Aufbau des Friedens werden“.

Tauran war mit dem Präsidenten und dem Sekretär des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog nach Katar gereist. Unter den 300 Teilnehmern waren der koptisch-orthodoxe Patriarch Shenuda III. und der Grossscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität, Mohammed S. Tantawi, die höchste Autorität des sunnitischen Islam.

Tantawi sagte laut dem katholischen Nachrichtendienst ‚Fides’, die Religionsfreiheit sei „eines der Grundprinzipien des islamischen Rechts. Hass und Gewalt wachsen dort, wo der Mensch nicht frei ist, seinen eigenen Glauben auszudrücken.“ Ein aus Ägypten stammender Gelehrter kritisierte das Kopftuchverbot in französischen Schulen.

Gegenseitigkeit zentral

Tauran betonte in seinem Vortrag, das Treffen sei ein „Dialog zwischen Gläubigen, die zwei verschiedenen Religionen angehören“, wobei „um jeglichen Synkretismus zu vermeiden, beide Seiten dem eigenen Glauben treu bleiben müssen“. Die katholische Kirche betrachte die die islamischen Gläubigen mit Respekt und achte „Reichtum ihrer geistlichen Traditionen“. Zugleich unterstrich Tauran: „Auch wir Christen sind stolz auf unser religiöses Erbe.“

Abschliessend wünschte sich der Kardinal „einen Dialog des Vertrauens zwischen weltlichen und religiösen Behörden, damit die Rechte und Pflichten der Gläubigen und ihrer Gemeinden mit einem besonderen Augenmerk für das Prinzip der Gegenseitigkeit unmissverständlich festgelegt und garantiert werden können.“ „Hier in Doha“, so Tauran abschliessend, „können und müssen wir alle unseren Teil dafür tun, dass der Weg der Brüderlichkeit und des Friedens eingeschlagen wird!“

Im 10'000 qkm grossen Katar ist der strenge wahhabitische Islam Staatsreligion, doch unterhält der Ölstaat seit 2002 diplomatische Beziehungen mit dem Vatikan. Nach Kuwait, Bahrain, Oman, Jemen und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist Katar der sechste Staat der arabischen Halbinsel, der Kirchenneubauten oder die liturgische Nutzung bestehender Kirchen zulässt. In Saudi-Arabien dürfen Christen ihren Glauben gar nicht praktizieren.

Datum: 04.06.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung