Nur Ärztinnen dürfen Frauen behandeln: ein historischer Tag für Pakistan?

Die islamischen Parteien, die in den pakistanischen Wahlen vom letzten Oktober an die Macht gelangt sind, wollen in der Nordwestprovinz die Scharia, das islamische Gesetz, einführen.

Entsprechende Pläne wurden im Provinzparlament in Peshawar vorgelegt und auch der Regierung in Islamabad unterbreitet. Im Provinzparlament trugen die weiblichen Abgeordneten der herrschenden Islamischen Allianz demonstrativ den Hijab, den alles verhüllenden schwarzen Schleier. Die Abgeordneten der Opposition trugen den hellen, lose geschlungenen Shalwar Kameez. Die Verabschiedung der neuen Gesetzgebung für die Provinz, die an Afghanistan grenzt, scheint aufgrund der islamistischen Mehrheit eine Formsache zu sein.

Das Regime von Präsident Musharraf, der 1999 durch einen Putsch an die Macht kam, ist säkular ausgerichtet. Pakistan hat über drei Millionen Christen, die durch diverse Gesetze diskriminiert werden, namentlich den berüchtigten Paragraphen, der abschätzige Bemerkungen über Mohammed mit den schwersten Strafen bedroht.

Die Lage der Christen könnte sich mittelfristig im ganzen Land verschlimmern, wenn die Islamisten Erfolg haben. Die Hardliner in der Provinzhauptstadt Peshawar priesen die neue Gesetzesvorlage und erklärten, damit solle eine Welle islamischer Gesetzgebung in Pakistan anheben.

Seit ihrem Machtantritt haben die Islamisten in Peshawar begonnen, unislamisches Verhalten zu unterbinden. Mehrere Kinos, die westliche Filme zeigten, wurden geschlossen; andere mussten die Plakate überkleben, die Frauen in westlicher Kleidung zeigten.

Vor kurzem verboten die Provinzbehörden männlichen Trainern, Sportlerinnen zu trainieren, und schlossen Männer von Frauensportveranstaltungen aus. Allein Ärztinnen dürfen Frauen noch behandeln. Die Koranlektüre in Schulen wurde für obligatorisch erklärt – was christlichen Schulen grösste Schwierigkeiten bescheren dürfte.

Die neue Vorlage enthält auch die Forderung an staatlichen Medien, den Islam zu propagieren. Mit einer zweiten Vorlage will die Provinzregierung überdies ein dem staatlichen Recht paralleles Rechtssystem einführen, gegen dessen Urteile nicht rekurriert werden könnte.

Laut Kamla Hayyat von der unabhängigen Menschenrechtskommission werden die geplanten Gesetze „viele Menschen ihrer grundlegenden Rechte berauben“. Der pakistanische Informationsminister erklärte in einer Stellungnahme, einige Massnahmen in der von Stämmen bewohnten Nordwestprovinz seien nicht mit den geltenden pakistanischen Gesetzen zu vereinbaren. Das Kabinett werde sich am Mittwoch damit befassen.

Die Zentralregierung versucht unter massivem US-Druck die Verfolgung von Taliban und al-Qaeda-Terroristen, die in die Nordwestprovinz eingesickert sind, zu verstärken.

Datum: 02.06.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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