US-Kommission fordert Religionsfreiheit für Saudi-Arabien – und dass religiöser Hass nicht mehr global propagiert wird

Religionsfreiheit
Saudi-Arabien

In Saudi-Arabien gibt es keine Religionsfreiheit. Das Wüstenkönigreich steht an der Spitze der Länder, die gegen dieses grundlegende Menschenrecht verstossen. Indem sie nicht dagegen protestieren, machen sich die USA zum Komplizen der saudischen Regierung, welche jede Form religiöser Betätigung, die vom offiziell verordneten Wahhabismus abweicht, verfolgt und die religiösen Minderheiten im Land terrorisiert.

Dies hält die amtliche US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF) in ihrem Jahresbericht fest, der am Dienstag vorgestellt wurde – am Tag nach den verheerenden Selbstmordanschlägen auf westliche Siedlungen in der saudischen Hauptstadt Riad. Sie erwähnt auch Berichte, wonach in Saudi-Arabien tätige amerikanische Firmen Menschenrechtsverletzungen und religiöse Diskriminierung zulassen oder dazu Hand bieten.

Mit Petrodollars Hass und Intoleranz global propagiert

Die Kommission fordert die Administration Bush auf, ihre Politik gegenüber dem Hause Saud, einem traditionellen Verbündeten, zu ändern und konsequent auf die Gewährleistung der Menschenrechte zu drängen. Sie tut dies in einem bemerkenswert langen Katalog von Forderungen, welche auch die saudische Finanzierung von islamischen Aktivitäten weltweit berühren:

Der US-Kongress soll untersuchen, „ob die Saudis direkt oder indirekt Bestrebungen finanzieren, die dazu dienen, eine religiöse Ideologie global zu propagieren, welche ausdrücklich Hass, Intoleranz und andere Menschenrechtsverletzungen fördert, in manchen Fällen auch Gewalt gegen Glieder anderer religiöser Gruppen, sowohl Nicht-Muslime als Muslime“. Washington solle Riad auffordern, die Verbreitung von Hass- und Intoleranz-fördernder religiöser Ideologie ausserhalb Saudi-Arabiens nicht mehr zu finanzieren, schreibt die Kommission. In diesem Zusammenhang wird vom Prinzenregime in Riad eine Liste gefordert, die zeigt, „welche Formen saudischer Unterstützung an welche religiösen Schulen, Moscheen, Lernzentren und andere religiöse Organisationen weltweit gehen“!

‚Einzigartig repressiv‘

Die Feststellungen der Washingtoner Kommission lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Saudi-Arabien ist hinsichtlich der Religionsfreiheit einzigartig repressiv; die Regierung begrenzt mit Gewalt und fast vollständig die öffentliche Praxis oder das Ausleben von Religion auf die enge und puritanische Version des Islam aufgrund der wahhabitischen Lehre. Infolgedessen sind jene Saudis und ausländische Arbeitnehmer, die nicht der offiziellen saudischen Interpretation des Islam anhängen, schweren Verletzungen ihrer Religionsfreiheit unterworfen.“

Die Kommission protestiert denn auch dagegen, dass die Administration Bush aus politischen Rücksichten das saudische Regime bisher geschont hat. Der Kommissionsvorsitzende Felice Gaer sagte bei der Vorstellung des Berichts, es sei höchste Zeit, dass Saudi-Arabien mit der gleichen Elle gemessen werde. Das Aussenministerium hat, obwohl es das Fehlen der Religionsfreiheit ausdrücklich feststellte, den Staat nicht (wie Sudan, Nordkorea, China, Burma und Iran) auf die Liste der Länder gesetzt, die besondere Besorgnis erregen.

Betroffen sind alle Nicht-Wahhabiten – und die Frauen

Die Kommission listet die ärgsten Diskriminierungen und Verletzungen der Glaubensfreiheit auf:

- Fast völlig verboten sind nicht-wahhabitische Versammlungsorte und nicht-wahhabitische öffentliche Versammlungen, das Tragen von Kleidern und Symbolen, die von den Vorschriften abweichen, und die Präsenz von öffentlich bekannten Geistlichen, die nicht der offiziell vorgeschriebenen Richtung angehören.

- Ausländische christliche Arbeitnehmer, die privat ihre Religion praktizieren, werden bedrängt, festgehalten, in Haft gesetzt, gefoltert und deportiert – „viele sind gezwungen, unter grössten Mühen ihre private Glaubenspraxis geheim zu halten, um der Verfolgung zu entgehen“.

- Schiitische Geistliche und Gelehrte werden wegen ihrer Auffassungen, die von den amtlichen abweichen, festgehalten, ins Gefängnis gesteckt und zum Teil gefoltert.

- Die Durchsetzung der Scharia nach saudischem Verständnis „betrifft jeden Aspekt des Lebens der Frauen; ihre Menschenrechte werden ernsthaft verletzt“.

- In staatlich finanzierten Schulbüchern, in Predigten in den Moscheen wie auch in Medienartikeln und Kommentaren wird beleidigend und diskriminierend über Juden, Christen und den nicht-wahhabitischen Islam gesprochen.

Die USA sollen ihre Stellung verstärkt nutzen, um Saudi-Arabien „zu ermutigen, seinen eigenen internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Religionsfreiheit nachzukommen“. Die Menschenrechtserklärung der UNO hat Riad unterzeichnet, nicht aber den internationalen Pakt über Dies solle auch öffentlich geschehen, nicht nur in privaten Diskussionen, fordert die Kommission.

Glaubensfreiheit heisst: eine andere Religion annehmen können

Zentral ist die Forderung, in einer saudischen Verfassung und durch andere Mechanismen die Gewährleistung und Durchsetzung des universalen Menschenrechts der Religionsfreiheit für alle saudischen Staatsangehörigen und ausländischen Bewohner sicherzustellen. Dafür solle sich die US-Regierung einsetzen, schreibt die Kommission.

Konkret müssten die Bewohner des Landes „die Freiheit haben, eine Religion oder einen Glauben zu haben oder anzunehmen... und die Freiheit, einzeln oder gemeinsam mit anderen, öffentlich oder privat, einer Religion oder einem Glauben Ausdruck zu geben, in Anbetung, Beachtung von Vorschriften, religiöser Praxis und Lehre“.

Massnahmen - jetzt!

Diese Freiheit müsse Saudi-Arabien auch allen Frauen ohne Abstriche gewähren, und die Eltern müssten ihre Kinder gemäss ihren Überzeugungen erziehen können, fordert die USCIRF. Die Kommission begnügt sich nicht damit; sie schlägt als erste Massnahmen, die unverzüglich umgesetzt werden könnten, unter anderem vor, dass die private Religionsausübung von Nicht-Wahhabiten, „wie von saudischen Regierungsbeamten zugesichert“, endlich beachtet und staatlicherseits geschützt wird und dass Geistliche dafür einreisen dürfen.

In besonderen Zonen, wo Ausländer leben, „oder in nicht geschmückten Gebäuden, die dazu bestimmt sind“, sollen nicht-wahhabitische Gottesdienste zugelassen werden. Ausländer sollen Literatur ihrer Religion besitzen und auch offen nicht-muslimische Symbole tragen dürfen (es kam vor, dass saudische Zollbeamte einreisenden Touristinnen ein kaum sichtbares Kreuzchen vom Hals rissen).

Freilassung von religiösen Häftlingen

Weiter fordert die Kommission, dass alle Personen, die allein aus religiösen Gründen in Haft sitzen, freigelassen werden, namentlich jene, die wegen „Abfalls vom Islam (apostasy), Lästerung, Kritik an der Regierung und Zauberei“ angeklagt sind. Die staatliche Verfolgung dieser vier Tatbestände müsse enden. Die Kommission scheut sich auch nicht, die Auflösung der berüchtigten Religionspolizei ‚mutawaa‘ zu fordern, des so genannten ‚Komitees für die Verbreitung der Tugend und die Abwehr von Lastern‘. Andererseits soll Riad endlich unabhängige Nicht-Regierungs-Organisationen zulassen, die auf Toleranz hinarbeiten.

Bericht der USCIRF im Internet:
http://www.uscirf.gov/reports/02May03/finalReport.php3

Amnesty-Bericht über Verfolgung von Muslimen, mit saudischen Regierungs-Adressen:
http://www2.amnesty.de/C1256A380047FD78/0/EE7F917D4417CF6BC1256C860056AB3E?Open&Highlight=2,saudi

Webseite von ‚Offene Grenzen‘ mit Namen verfolgter Christen (Suchbegriff: Saudi):
http://de.od.org/de/index.php

Livenet-Artikel über saudische Selbstkritik nach den Bombenanschlägen in Riad:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/152/8127/

Datum: 17.05.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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