Grosse und kleine Sünden im Islam

Zeichen Allah
Frau mit Kind
Suche
Zukunft

Der Koran unterscheidet zwischen grossen und kleinen oder schweren und leichten Sünden. Allerdings gibt es im Koran keine vollständige Übersicht, welche darunter im einzelnen zu verstehen sind. In Sure 4,31 taucht zum Beispiel der Begriff "grosse (schwere) Sünden" auf, aber es wird nicht erklärt, welche im einzelnen darunter fallen: "Wenn ihr die schweren Vergehen meidet, die euch untersagt sind, tilgen wir euch eure Übertretungen und schenken euch in Ehren den Eingang [ergänze: ins Paradies]". Unter islamischen Theologen sind sich nicht einige darüber, welche Sünden in welche Kategorien gehören. Eine häufige Einteilung ist die folgende:

1. Unglaube (arab. "kufr")

Unglaube ist die grösste Sünde überhaupt. Man geht sie, wenn man beispielsweise
- die Existenz und das Handeln Gottes leugnet
- vom Islam abfällt,
- andere Götter neben Allah verehrt.

Nach moslemischer Sicht sind Juden wie Christen der Sünde der Vielgötterei schuldig: Die Juden, weil sie nach Auffassung des Koran Esra als Sohn Gottes verehrten (Sure 9,30), und die Christen, weil sie Jesus zu Gott erklärt haben (Sure 5,72).
Wer nun eine dieser drei Formen des Unglaubens begeht und sie vor seinem Tod nicht mehr bereut, kann nach Ansicht wohl aller moslemischen Theologen nicht ins Paradies eingehen. Für ihn hat Gott auf ewig das Höllenfeuer bestimmt.

2. Grosse (oder schwere) Sünden

Darunter fallen zum Beispiel die Auflehnung der Kinder gegen ihre Eltern, Mord, Meineid, Zweifel an der Vergebung Gottes, beharrliche Sünde, das Einkalkulieren von Gottes Gnade, falsches Zeugnis, Zauberei, Verleumdung wegen Unzucht, Weingenuss, Missbrauch des Besitzes der Waisen, Wucher, Ehebruch, Homosexualität, Diebstahl, Fahnenflucht und Ungehorsam gegen die Eltern. 1)
Alle schweren Sünden, sogar Mord und Ehebruch, können einem Moslem von Gott vergeben werden. Wenn er nämlich ansonsten fromm gelebt hat, kann er im Jüngsten Gericht auf die Fürsprache des Propheten Mohammed hoffen.

3. Kleine (oder leichte) Sünden

Der Koran nennt neben den "schweren Sünden" und "abscheulichen Handlungen" (Sure 42,37) auch "leichte Verfehlungen" (Sure 53,23). Kleine Sünden, so nimmt man zumindest im Volksislam an, können durch gute Taten wie zusätzliche Almosen, Fastentage oder Gebete, vor Gott gesühnt werden. Auf jeden Fall verwehrt Gott keinem Moslem, der nur leichte Sünden begangen hat, den Eingang ins Paradies.

Wann ist ein Moslem noch ein Moslem?

Angesichts dieser Einteilung in grosse und kleine Sünden ergibt sich eine wichtige Frage: Ist ein Moslem, der grosse Sünden begangen hat, noch zu den Gläubigen zu rechnen? Wird er ins Paradies eingehen oder hat er sich bereits die Höllenstrafe verdient?
Die Antworten der moslemischen Theologen gehen hier weit auseinander. Manche nehmen an, dass ein Moslem auf diese Weise tatsächlich sein Heil verwirken könne. Die theologische Schule der Hârijiten neigt zum Beispiel zu der Ansicht, dass derjenige, der eine grosse Sünde begeht, ein Ungläubiger ("kâfir") ist. Auch die Wa'iditen, eine Abspaltung von den Hârijiten, würden so jemanden nicht mehr als Gläubigen bezeichnen. Ähnlich sehen das die Zaiditen, eine Untergruppe der Schiiten, sowie die Ibâditen, eine weitere Abspaltung von den Hârijiten: Sie nehmen an, dass ein solcher Sünder auf ewig im Feuer bleiben müsse.
Für die Mu'taziliten wiederum, eine weitere theologische Schule im Islam, bilden Moslems mit diesen schweren Sünden eine dritte Kategorie zwischen Gläubigen und Ungläubigen bilden, nämlich die "Übeltäter" ("al-fâsiqûn"). Wenn nun ein Übeltäter von seinem Treiben ablässt, wird er nach mu'tazilitischer Anschauung in diesem Moment wieder zum Gläubigen. Bereut er seine Sünde nicht und stirbt, so wird er bei Gott als Ungläubiger gelten. 2)

Die Hölle reinigt

Die Mehrheit der moslemischer Theologen ist jedoch anderer Ansicht. Sie geht davon aus, dass jeder Moslem schliesslich ins Paradies eingehen wird, auch wenn er einige der schweren Sünden begangen hat und sie vor seinem Tod nicht mehr bereuen konnte. Gott wird ihn vielleicht eine Zeitlang in der Hölle bestrafen, ihn aber dann aufgrund der Fürsprache Mohammeds für ewig ins Paradies aufnehmen. (Dies entspricht der katholischen Vorstellung von einem reinigenden Fegefeuer.) Bittet der Gläubige Gott noch vor seinem Tod für seine schweren Sünden um Vergebung, dann wird er sie auch erhalten und sofort ins Paradies eingehen.

1) Diese Übersicht nennt Hermann Stieglecker: Die Glaubenslehren des Islam, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1962/1983, S. 625-626.
2) Vgl. E. E. Elder. The Development of the Muslim Doctrine of Sins and their Forgiveness. in: The Moslem World 29/1939. S. 178-188, hier S. 178-179+183. Die Ansicht der Mu'taziliten referiert auch Stieglecker. Glaubenslehren. S. 634

Weiterführende Links:
www.islaminstitut.de
www.lausannerbewegung.de

Datum: 22.03.2003
Autor: Dr. Christine Schirrmacher
Quelle: Jesus.ch

Werbung
Livenet Service
Werbung