US-Baptisten: Niemand glaubt mehr an die Hölle

Hoelle

Nashville. Der prominente US-amerikanische Baptistenprediger Paige Patterson hat beklagt, dass selbst in konservativen evangelikalen Kirchen kaum noch über die Hölle gesprochen werde. Die Missionsarbeit komme nur stockend voran, weil niemand mehr an die ewige Verdammnis glaube, kritisierte der Präsident des „Southeastern Theological Seminary“ in Wake Forest im Bundesstaat North Carolina.


Kommentar Uwe Siemon-Netto

Über das Böse spricht man nicht

Wo ist bloss die Hölle abgeblieben? Immer weniger Menschen glauben an sie. Kaum ein Pastor predigt mehr darüber, obwohl Jesus sie öfter erwähnt hat als den Himmel. Und wann spricht schon einmal ein Sterbeforscher von Erlebnissen an der Schwelle des Todes, die auf die reale Existenz jenes Ortes schliessen liessen? Ein alter Karnevalsschlager scheint zum Hymnus unserer Zeit geworden zu sein: "Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel."

Aber gemach, wir sollten mit dem Schunkeln vielleicht doch noch warten. Nachdem der Tod in unseren Medien seinen Status als Tabuthema verloren hat, kommt nun auch dieses Thema allmählich auch wieder auf die Tagesordnung.

Die moderne Medizin macht es möglich. Jedes Jahr werden Hunderttausende von Menschen, die vor allem durch Unfälle bereits klinisch tot waren, wieder ins Leben zurückgeholt. Der Herzspezialist und ehemalige US-Generalarzt Maurice Rawlings hat uns wissen lassen, dass viele dabei eben nicht nur schöne Sterbeerlebnisse haben, bei denen sie an der Decke schweben, auf ihre Körper herabblicken, vielleicht ihrer toten Grossmutter wiederbegegnen und durch einen Tunnel einem wundervollen, warmen Licht entgegeneilen.

In seinem Buch "Zur Hölle und zurück" (Verlag C.M. Fliss, Hamburg) schreibt Rawlings, dass wiederbelebte Patienten oft auch von fürchterlichen "Schnupperbesuchen in der Hölle" berichteten. Dort entpuppe sich das Licht am Ende des Tunnels als ein quälender Feuerring, oder es herrsche totale Finsternis. Dort grapschten Dämonen nach dem vermeintlich Toten, züngelten Schlangen um ihn. Dies treffe zumal auf solche zu, die versucht hätten, sich das Leben zu nehmen. Nur würden solche Fälle meistens totgeschwiegen, weil sie nicht in das unchristliche Weltbild der New-Age-Religion vieler Sterbeforscher passten; zu ihnen gehörten die aus Zürich stammende und in den USA lebende Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross und die Ärzte Raymond A. Moody und Ken Ring.

Letztere behaupten, dass weniger als ein Prozent aller Erlebnisse an der Schwelle zum Tod negativ seien. Hingegen Rawlings: "Ich ... kann bezeugen, dass negative Erfahrungen viele Sterbeerlebnisse kennzeichnen." Sein Kollege Charles Garfield geht sogar noch weiter: In seinem Buch "Zwischen Leben und Tod" (New York: Spring Publishers) schrieb er schon 1979, fast die Hälfte der Visionen auf dem Sterbebett seien düster; oft seien die Patienten Dämonen begegnet.

Maurice Rawlings glaubt, dass solche Visionen aber oft auch deswegen totgeschwiegen werden, weil Patienten sie schnell verdrängen oder sich genieren, davon zu erzählen. Der Arzt, ein theologisch klarer evangelischer Christ, setzt sich in seinem Buch mit solchen negativen Sterbeerlebnissen auseinander. Rawlings, zu dessen Patienten der Kriegsheld und spätere Präsident Dwight D. Eisenhower (1890-1969) gehörte, ist ein führender Spezialist auf dem Gebiet der Wiederbelebung von Patienten bei plötzlichem Herzstillstand. Als Professor an der Universität des US-Bundesstaates Tennessee hatte er selbst bei einem Herzinfarkt ein Erlebnis ausserhalb des Körpers. Er schilderte es so: "Ich bewegte mich mit enormer Geschwindigkeit auf ein fernes Licht von ehrfurchtgebietender Schönheit zu, das von hell klingendem Geläut und einem phantastischen, metallenen Widerhall erfüllt war." Zwischen acht und elf Millionen Amerikaner haben Ähnliches erfahren - oder aber auch das Gegenteil. "Ich bin in der Hölle", schrie der Landbriefträger Charlie McKaig, als Rawlings ihn wiederzubeleben versuchte. "Um Gottes willen, nicht aufhören! ... Jedesmal, wenn Sie loslassen, bin ich wieder in der Hölle." Er bat den bis dahin noch glaubensfernen Arzt, mit ihm zu beten. Das tat Rawlings, ohne freilich selbst davon überzeugt zu sein: "Sprechen Sie mir nach: Jesus Christus ist Gottes Sohn - los sagen Sie es!" forderte er den Patienten auf. "Bewahre mich vor der Hölle! Wenn du mich am Leben lässt, will ich für immer dir gehören." Rawlings später: "Charlie erlebte eine gründliche Bekehrung. So etwas hatte ich noch nie gesehen." Aber das "von mir zum Schein gesprochene Gebet ... hatte mich ebenfalls erwischt". Rawlings wurde Christ.

In seinem Buch schildert er ähnliche Ereignisse. "Ich schwebte mit grosser Geschwindigkeit durch pechschwarzes Dunkel", zitiert er einen 23 Jahre alten Patienten. Der Wind pfiff um meine Ohren, während ich auf dieses schöne, strahlende Licht zuraste. Im Vorbeifliegen sah ich, wie die Tunnelwände, die dem Licht am nächsten waren, Feuer fingen. Jenseits des flammenden Tunnels brannte ein riesiger Feuersee ... Ein Hügel an der entgegengesetzten Seite war mit Felsplatten bedeckt. Längliche, dünne Schatten liessen erkennen, dass da Menschen sein mussten, die ziellos hin und her liefen, wie Tiere im Zoo." In einer amerikanischen Fernsehdokumentation sprach eine gewisse Demetria Kalodimus von einer "erschreckenden Leere", in der sie sich "vollkommen allein" gefühlt habe.

Diese "totale Einsamkeit" zieht sich wie ein roter Faden durch die meisten Berichte über Höllenerlebnisse. Dies entspricht der gängigen theologischen Vorstellung, dass der Tote in der Hölle für immer von Gott getrennt sei. Aber nicht nur dies: Rückkehrer von "Besuchen in der Hölle" erzählen, dass dort auch die Menschen untereinander keinen Kontakt hätten. "Männer und Frauen aller Altersgruppen, aber keine Kinder, standen oder hockten auf einer Ebene; andere wanderten murmelnd in der Dunkelheit herum. Sie waren total mit sich selbst beschäftigt, jeder mit seinem eigenen Elend", gab Angie Fenimore zu Protokoll, die nach einem Selbstmordversuch wiederbelebt worden war. In ihrem Bericht, den die "Internationale Gesellschaft für Erlebnisse an der Schwelle des Todes" (IANDS) im Internet verbreitet, schildert sie andere Selbstmörder, denen sie nach ihren eigenen Aussagen in der Hölle begegnet ist: "Leere Blicke, die ins Nichts starren, keine Intelligenz, keine Wärme in ihren Augen, gedankenlos in die Dunkelheit starrend."

Selbstmörder und Mörder, das gibt sogar der mit okkulten Praktiken experimentierende Sterbeforscher Moody zu, haben mehrheitlich unangenehme Jenseitserlebnisse. Ihnen werde bei diesen Abstechern klargemacht, "dass der Mensch nichts Schlimmeres tun kann, als sich selbst oder einen anderen zu töten", schrieb dieses Jahr die Psychologiestudentin Toni Lange von der lutherischen Augustana-Universität im kanadischen Camrose in einem Report über ein Forschungsprojekt zu dieser Thematik. Von der "Qual der Einsamkeit in der Hölle" hatte schon 1948 der Kanadier George Godkin gesprochen - und von einer "Hitze wie aus einem Hochofen". An diesem "Ort der Strafe für alle, die Jesus Christus ablehnen", hätten sich seine Augäpfel angefühlt "wie glühende Kohlen in ihren Höhlen". Dazu passt, was der deutsche Filmschauspieler Curd Jürgens (1915-82) erlebte, als der berühmte Chirurg Michael DeBakey in Houston (Texas) versuchte, ihm die Halsschlagader teilweise zu ersetzen. Jürgens: "Ich sah verzerrte Gesichter mit Fratzen auf mich herunterstarren. Ich versuchte, mich ... gegen diese Geister zu verteidigen." Dann ging ein "feuriger Regen" auf Jürgens hernieder. Aus seinen Tropfen wuchsen Flammen, "die gierig in meine Richtung züngelten. Augenscheinlich befand ich mich in der Hölle."

Jürgens ist nicht der einzige Prominente, dem solches widerfahren ist. Der englischen Königin Elizabeth I. (1533-1603), dem französischen Philosophen der Aufklärung, Voltaire (1694-1778), und Frankreichs Kaiser Napoleon Bonaparte (1769-1821) war es ähnlich ergangen. "Welch ein Abgrund zwischen meinem grenzenlosen Elend und dem ewigen Reich Christi!" rief Napoleon auf seinem Sterbebett aus. Sind dies alles nun, wie der Fliss-Verlag auf der Titelseite zu Rawlings' wichtigem, aber leider schlecht lektoriertem Buch marktschreierisch behauptet, "überraschende neue Beweise" für ein Leben nach dem Tod? Weder dem Naturwissenschaftler noch dem Theologen können die faszinierenden Berichte wiederbelebter Kranker über herrliche Lichtgestalten oder ein unerklärlich böses Leuchten, über Höllenschmerzen und schreckliche Einsamkeit in der Finsternis als "Beweise" für etwas genügen, das der menschliche Verstand nicht zu erfassen vermag, als "Beweise" für die Ewigkeit. Gewiss, sie mögen Indizien dafür sein, dass sich die Seele einerseits in solchen Situationen vom Leib lösen kann, andererseits jedoch mit ihm verbunden bleibt, damit das Gehirn des Wiederbelebten, also Materie, sich hernach daran erinnert. Aber darüber hinaus muss es den Betrachter nachdenklich stimmen, dass "klinisch Tote" vielfach Dinge sehen, die ganz den religiösen Vorstellungen ihres Kulturkreises entsprechen, also keine allgemeingültigen Glaubenswahrheiten enthalten. Hier einige Beispiele:

In "guten Jenseitserlebnissen" sieht der Christ oft eine am Kreuz hängende Lichtfigur, obwohl die Nachricht, dass der Erhöhte angeblich im gekreuzigten Zustand verharrt, theologisch keinen Sinn macht. Andererseits sehen Nichtchristen nie den Gekreuzigten.

Die Erlebnisse der Christen entsprechen den traditionellen abendländischen Bildern von Himmel und Hölle, so wie sie zum Beispiel der niederländische Maler Hieronymus Bosch (ca. 1450-1516) dargestellt hat: den Tunnel in seiner "Auffahrt zum Lichthimmel" oder auch die Höllenstrafen.

Hindus begegnen andererseits ihren eigenen Göttern und geistlichen Führern, oder sie erleben die Hölle so, wie ihre Religion das lehrt: in 21 Härteklassen. In der schlimmsten Kategorie werden Böse in Töpfen gekocht, durch heisse Sandkörner versengt oder von Vögeln gefressen.

Bei solchen "Schnuppertouren" ins Jenseits stehen nie das Jüngste Gericht, sondern nur der vermeintliche Lohn oder die Strafe fürs gute oder böse Leben auf dem Programm.

Haben die "New-Age"-Sterbeforscher vielleicht doch recht mit ihrer im Internet verbreiteten Botschaft: "Gott richtet dich nicht, wenn du stirbst ... Gott hat dir schon vergeben"? Haben sie womöglich recht mit ihrer Behauptung, dass unsere Glaubenszugehörigkeit eigentlich Nebensache sei; alle Religionen hätten dasselbe Ziel, folglich kämen wir alle, alle, alle in den Himmel?

Stimmte dies, so wäre der Tod von Jesus am Kreuz überflüssig. Aber warum hängt er dann in so vielen Erzählungen über Sterbeerlebnisse noch am Kreuz? Warum hockt Buddha andererseits den Berichten seiner Anhänger zufolge im Lotus-Sitz da? Ist der Himmel eine Art göttlicher Maskenball? Verkleidet sich die Lichtgestalt, je nach der Religion des Schnuppergastes, mal als Christus, mal als Buddha, mal als der Hindu-Gott Wischnu?

Nein, es kann nicht der Sinn der Erlebnisse an der Schwelle zum Tode sein, mehrere Wahrheiten anzubieten. Gleichwohl sollten diese Erlebnisse nicht bagatellisiert werden, und die Kirchen täten gut daran, gründlich über sie nachzudenken und sie richtig einzuordnen. Vielleicht ist die Fähigkeit vieler, über des Todes Zaun zu blicken und daraus Trost zu schöpfen oder sich warnen zu lassen, eine wunderbare Gabe Gottes an seine Kreatur, vergleichbar mit dem Schmerz, der auf eine Krankheit aufmerksam macht, oder mit dem Hunger, der uns mitteilt, dass wir Nahrung brauchen. Aber wenn das so sein sollte, wäre auch dies eine Funktion des Körpers und/oder der Seele, die beide unter der Sünde stehen und folglich Angriffsziele des Täuschers sind. Deswegen dürfen wir diese Phänomene nicht, wie die Propheten des "New Age" es tun, als Gottes- oder Ewigkeitsbeweise deuten. Sie wollen uns weismachen, dass wir "alle, alle, alle in den Himmel" kommen, und deshalb unterschlagen sie die Hölle. Sie reduzieren unser Verhältnis zu Gott zu einem puren Mechanismus süsslicher Universalliebe und sprechen ihm damit die Souveränität über unser Leben ab, auch seinen Zorn und sein Gericht. Christen haben diese Möglichkeit nicht. Sie müssen Berichte über Sterbeerlebnisse staunend zur Kenntnis nehmen, müssen aber dann auf das hören, was Jesus über die Ewigkeit lehrt: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Johannes 14,6). Und dies ist eine Dimension, über die kein noch so dramatisches Erlebnis an der Schwelle zum Tod Auskunft geben kann, sondern allein der Glaube.

Diskussion

(Livenet/Jesus.ch) Der Buchautor John Pawson ist auch der Meinung, dass Christen nicht mehr wirklich an die Hölle glauben. Er hat nach seinem populärtheologischen Werk „Wiedergeburt“ ein Buch mit dem Titel „Der Weg zur Hölle“ geschrieben. Ein happiger Knüller für alle die einen guten Überblick über die Aussagen der Bibel zur Hölle wollen. Das gewichtigsten Indiz, dass selbst Christen nicht sehr überzeugt an die Hölle glauben findet man in der allgemeinen Evangelisations- und Missionsdepression in der westlichen Kultur. Wäre man davon wirklich überzeugt, würden dringliche und intensive Rettungsaufrufe und Aktionen vorherrschen. Geprägt vom primär lieben und dann noch heiligen Gottesbild kommt es zur widersprüchlichen Situation, dass die Hölle im verbalen Bekenntnis wohl vorhanden ist, in der christlichen Praxis dann aber viel weniger Einfluss hat. Es wünscht sich wohl niemand einseitige und beängstigende Höllenpredigten, doch muss den scheinbaren Realitäten ins Auge geschaut werden.

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Quellen: News epd/Kommentar: idea.de, Livenet

Datum: 16.09.2002

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