"Wir geben dem friedlichen Islam seine Stimme zurück"

Moselm auf der U-Bahn in New York

New York. Ein lauer Sommerabend in der East Village von Manhattan. Im Hinterhof des Restaurants Mameluk sind arabische Köstlichkeiten aufgereiht. Junge Menschen mit dunkler Hautfarbe unterhalten sich angeregt. Sie sind Lehrer, Rechtsanwälte, Studenten, Banker an der Wall Street, Ärzte oder Selbstständige. Dies ist keine Party: Für je 25 Dollar nehmen die Besucher an einem "Social dinner" der "Muslime gegen Terrorismus" teil.

"Wir versuchen, Nicht-Muslime, aber auch Muslime darüber aufzuklären, was der Islam über Frieden, Toleranz und Gerechtigkeit zu sagen hat", erklärt Yasemin Saib, die die interreligiösen Kontakte der "Muslims against terrorism" organisiert. Saib ist eine typische Vertreterin der jungen zweiten Generation von Muslimen in den USA. Sie ist 28 Jahre alt und in Saudi-Arabien geboren. Seit zwölf Jahren lebt Saib in den USA, hat Politologie studiert und arbeitet heute für eine private islamische Hilfsorganisation.

Rund 60 junge New Yorker Muslime haben sich unmittelbar nach den Terror-Anschlägen zusammengeschlossen, um in Schulen, Kirchen und Synagogen über die Friedfertigkeit des Islam aufzuklären. "Muslime sind genauso Opfer des Attentats geworden wie Angehörige anderer Religionen. Osama bin Laden ist es egal, wen er umbringt", sagt die Frau. Die ersten Kontakte waren mühsam. Es herrschte grosse Skepsis gegenüber dem Islam. Sie wich jedoch bald einem immer grösseren Interesse, als klar wurde, wie wenig Wissen über den Koran und die muslimische Welt vorhanden war und immer noch ist.

Auswüchse

Oft wird Saib zu Vorträgen eingeladen. Eine Synagoge hat sogar um eine Ringvorlesung gebeten, um die jüdischen Gemeindeglieder über den Islam zu informieren. Ist der Islam wirklich so friedfertig? Zeigt das Beispiel Afghanistan nicht, dass Menschen- und Frauenrechte in einigen muslimischen Ländern missachtet werden? Saib lächelt und sagt: "Die Gleichheit von Mann und Frau ist im islamischen Recht unbestritten. Was Frauen unter dem Taliban-Regime erleiden mussten, war keine angemessene Form des praktizierten Islam." Der Islam, wie er in den USA gelebt werde, spiegele wider, wie er sein sollte.

Mit den schwarzen Sklaven waren die ersten "black muslims" in die "Neue Welt" gekommen. Die Mehrzahl der heute mehr als sechs Millionen US-Muslime ist jedoch seit den 80-er Jahren des 20. Jahrhunderts hier. Viele dieser Einwanderer haben Geschäfte gegründet und Arbeitsplätze geschaffen. Im sozialen Schmelztiegel der USA fühlen sie sich wohl, trotz mancher körperlicher Angriffe von Amerikanern auf arabisch aussehende Menschen unmittelbar nach dem 11. September.

Toleranz und den Schutz für Minderheiten

Aasma Khan ist Pressesprecherin der Muslims against terrorism. Viele Frauen in Brooklyn hätten nach den Anschlägen Angst gehabt, ihren Schleier zu tragen, aber die Bevölkerung habe Eskorten zu ihrem Schutz organisiert. Es gebe zwar auch in Amerika ein gewisses Hass-Potenzial, das aus Angst, Wut und Vorurteilen gespeist werde, so Khan. Doch auf der anderen Seite erlebten gerade Muslime die besten amerikanischen Tugenden wie Toleranz und den Schutz für Minderheiten.

Die Sprecherin sagt stolz: "Wir repräsentieren die Mehrheit der modernen Muslime, deren Stimme von Extremisten gestohlen worden ist. Wir geben den Menschen, die den Islam friedlich praktizieren wollen, ihre Stimme zurück." Nach dem 11. September hätten sie erlebt, "wie hilfsbereit die New Yorker sind". Viele halten eine zweite Attacke auf die Stadt für wahrscheinlich. Manche befürchten, dass die erprobte Toleranz auch gegen Araber dann ins Gegenteil umschlagen könnte. Wie lange es die Muslims against terrorism noch geben wird? So lange, bis alle begriffen hätten, dass der Islam mit dem Terror nichts gemein habe, sagt Khan.

Datum: 06.09.2002
Quelle: Kipa

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