“Du sollst dir kein Bildnis machen” - Der Reformierte Bund stellte sich dem biblischen Gebot

passion
Ulrich Zwingli, Portrait von Hans Asper, Helmuth Nils Loose

“Du sollst dir kein Gottesbild machen, keinerlei Abbild”, so heisst es in der Zürcher Bibel; “Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen” in der Lutherbibel (2. Mose 20,4). Für die reformierten Christen hatte und hat dieses Gebot immer eine besondere Bedeutung, die ihren äusseren Eindruck in den meist weiss getünchten reformierten Gotteshäusern findet. Und für den Reformierten Bund ist dies nun Anlass genug gewesen, seine Hauptversammlung 2002 Mitte Juni in Nürnberg unter das Thema “Du sollst dir kein Bildnis machen” zu stellen. Angesichts der heutigen Bilderflut ein mehr als aktuelles Thema, das jedoch von den Theologieprofessoren Michael Weinrich (Berlin) und Manfred Josuttis (Essen) vor allem unter seinem biblischen Kontext behandelt wurde.

Menschen sind Bildermacher

Beim Bilderverbot denken freilich die ein wenig kirchengeschichtlich Bewanderten vor allem an das Jahr 1524, das Jahr des Bildersturms von Zürich unter der Verantwortung von Huldrych Zwingli. War dies etwas anderes als die Zerstörung der weltberühmten Buddha-Statuen von Bamian in Afghanistan durch die inzwischen von der Macht vertriebenen Taliban im vergangenen Jahr? Eine provozierende Frage von Michael Weinrich, auch wenn sich die moslemischen Fundamentalisten an den Darstellungen einer anderen Religion vergriffen, während es Zwingli um die Einhaltung des Bilderverbotes in der eigenen Kirche ging. Menschen sind nun einmal Bildermacher, sagt Josuttis. Sie entwerfen Leitbilder, Idealbilder, Traumbilder, Pfarrerbilder und viele andere Bilder. Und es ist eigentlich unmöglich, ohne Bilder zu leben. Das sieht Weinrich nicht anders, zumal auch im Alten und Neuen Testament zahlreiche Bilder von Gott entworfen werden. Freilich nie das Bild, sondern immer nur einzelne Bilder, die selbst in ihrer Summe kein Bild von dem Gott des Alten und Neuen Bundes ergeben.

Wer sich auf Gott verlässt, braucht keine Bilder

Für Josuttis ist im Bilderverbot die Unterscheidung von Gott und Welt angelegt. In ihm geht es um die Unterscheidung der Wirklichkeit Gottes von der Welt und der Unterscheidung Gottes von den Göttern. Weil Gott ein lebendiger Gott ist, kann sich der Mensch auch kein Bild von Gott machen, weil Bilder die Eigenschaft haben, sich nicht zu verändern, im Betrachter ein bestimmtes Bild zu entwerfen, das für immer gültig ist. Mehr noch. Das Bilderverbot ist weise, so Josuttis, weil es uns auch mit der harten Seite des Lebens konfrontiert. “Warum lässt Gott dies zu?” setzt ein ganz bestimmtes Gottesbild voraus, das wir uns von einem allwisssenden und liebenden Gott machen. Doch Lebensbilder (unerklärliche Katastrophen, unfassbares menschliches Leiden) zerstören zwangsläufig Gottesbilder, die keine Antwort geben. Aber ist ein Glauben ohne Gottesbild nicht unmenschlich, nicht zu ertragen?

Josuttis verweist auf Jesu Aufforderung, Busse zu tun und das Evangelium zu glauben. Denn wer sich auf Gott verlässt, “der braucht keine Bilder.” Ein radikaler Glaube? Nein, ein biblischer. Wer ausserdem nach dem 1. Gebot “Ich bin der Herr, dein Gott” (2.Mose 20,1) lebt, braucht nicht selbst Gott zu sein. Und braucht deshalb auch keine Gottesbilder zu entwerfen. Alles in allem ein höchst weises Gebot. Weinrich stimmt mit Josuttis überein: Gott will sich mit seinen sehr unterschiedlichen Bildern den Menschen erschliessen. Das gebietet nun dem Menschen, seine hoffnungslosen Versuche einzustellen, ihn mit seinen eigenen Bildern festlegen zu wollen: “Jeder Gott nach dem Bilde des Menschen bleibt eine im Blick auf den Menschen ebenso kühne wie im Blick auf Gott überaus bescheidene Perspektive. Nicht wir ermöglichen Gott mit unseren Bildern sein In-Erscheinung-Treten, sondern Gott ist es, der uns in den Bildern seines Handelns uns über uns selbst ins Bild setzt. Das ist die Wahrheit des Bilderverbots.”

Weitverbreiteter Irrtum über Zwinglis Bildersturm

Kirchengeschichtlich räumt Weinrich mit weitverbreiteten Irrtümern über Zwinglis Bildersturm auf. Ihm ging es darum, die wahre Ursache des mittelalterlichen Bilderdienstes aufzudecken. Und er war überzeugt, dass es besser sei, das viele Geld für die Ausmalung der Kirchen, die Heiligenbildchen, die Kerzen lieber den Armen zu geben. Ursprünglich war ja das Geld auch für die Armen gedacht, das dann immer mehr für die Ausschmückung der Kirchen ausgegeben wurde, um sich damit einen Platz im Himmel zu sichern. Weinrich weist darauf hin, dass in der Zeit zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert ein immer grösserer Anteil des Volksvermögens für die Ausstattung der Kirchen und die Pflege des dort praktizierten Kultes abgezogen wurde, der natürlich an anderer Stelle fehlte. “Die Erfindung des Fegefeuers im Hochmittelalter eröffnete dann einen halbwegs kalkulierbaren Weg, auf dem sich mit Hilfe guter Werke, die sich am leichtesten durch Geldzahlungen zustande bringen liessen, relativ verlässlich insbesondere die armen Seelen reichlich gebender Menschen dem zu erwartenden Purgatorium entreissen liessen. ... Mit dem Faustpfand der Toten griff die Kirche nach dem Geld der Lebenden.” Für den Berliner Theologen ein “beispielloses Spendensammlungs-System, mit dem verglichen unsere heutigen Geldeintreibungsversuche nur lächerlich erscheinen können.”

Bilder – ein Angriff auf die Ehre Gottes?

Damit will Zwingli aufräumen und für Calvin sind Bilder nichts weiter als ein frevlerischer Angriff auf die Ehre Gottes. Wer eine sichtbare Gestalt Gottes haben wolle, der falle von ihm ab. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Goldene Kalb der Israeliten in der Wüste. Immer kommt es also darauf an, Gott als den Lebendigen zu begreifen, der sich unseren Bildern entzieht, aber immer mit uns in Beziehung tritt. Und so entwerfen die in der Bibel gebrauchten Gottesbilder kein Bild von Gott, sondern ihr Ziel ist es, uns vor allem deshalb zu erreichen, “weil uns das Geschehen, auf das sie uns verweisen, bereits erreicht hat.” Ein spannendes Kapitel Theologie für die Gegenwart mit ihrer unendlichen Bilderflut vom Fernsehen bis zum Kino, von der Illustrierten bis zum Internet. Vor allem aber auch mit ihrer unendlichen Flut von Wort-Bildern, die auf die Menschen einstürzt, und selbstverständlich nicht Halt macht vor dem Bild Gottes, das zu machen dem Menschen aber durch die Zehn Gebote verboten ist. Ob da nicht das weissgetünchte reformierte Gotteshaus nicht zu einem neuen Nachdenken, vor allem aber einem neuen konzentrierten Hören auf das “Du sollst Dir kein Bildnis machen” führen kann?

Autor: K.Rüdiger Durth

Datum: 23.06.2002
Quelle: idea Deutschland

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