Gesunder Glaube

STH-Dozent plädiert für veränderte Sichtweise

Es ist nicht selbstverständlich, dass christlicher Glaube gesund ist. Glaube könne auch mit Fanatismus und Egoismus verbunden sein oder zur Religion werden, die dem Leben nicht standhält, schreibt STH-Dozent Stefan Schweyer. Dann werde er sogar zerstörerisch.
Ernährungspyramide
Stefan Schweyer
Gesunder Glaube, das neue Buch von Stefan Schweyer

Stefan Schweyer, Dozent für Praktische Theologie an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH), erklärt sein Anliegen im Vorwort seines Buches «Gesunder Glaube – Nahrhafte Impulse zum Apostolischen Glaubensbekenntnis»: Er verwendet das Bild von der Ernähungspyramide.

«Was braucht es denn, damit der Glaube gesund ist? In den Briefen an seinen Schüler Timotheus betont Paulus, dass gesunder Glaube eine feste Grundlage braucht. Das lässt sich gut mit unserem biologischen Leben vergleichen. Zu einem gesunden Leben gehört eine richtige Ernährung. Wer sich ungesund ernährt, wer nur von Fastfood und Dessert lebt, der muss sich nicht wundern, wenn eine solche Ernährung unerwünschte Wirkungen auf den Körper hat. Das Gleiche gilt für den christlichen Glauben. Wer sich nicht an die 'gesunden Worte' hält, dessen Glaube hat wenig Substanz. Er ist – um es mit den Worten des Paulus zu sagen – ein Narr.

Ernährungspyramide

Wir wissen heute recht gut Bescheid, wie eine gesunde Ernährung aussieht. Die wesentlichen Erkenntnisse kann man in Form einer Ernährungspyramide darstellen. Unten in dieser Pyramide, in der breiten Basis, befinden sich die 'Grundnahrungsmittel', also diejenigen Lebensmittel, die man häufig konsumieren soll, dazu gehören ungesüsste Getränke, Früchte und Gemüse, Getreide, Reis, Brot, Teigwaren etc. Zum mittleren Bereich gehören Milch und Fleischprodukte, ich nenne das den 'Ergänzungsbereich'. Die schmale Spitze beinhaltet die stark zucker- und fetthaltigen Speisen. Ich nenne diese Spitze den 'Dessertbereich'.

Es ist offensichtlich: Was schmackhaft und lecker ist, das gehört eher zum 'Dessertbereich' als zum 'Grundnahrungsbereich'. Es ist daher verlockend, die Ernährungspyramide auf den Kopf zu stellen und sich hauptsächlich von dem zu ernähren, was auch schmeckt. Die Ernährungspyramide wurde als pädagogisches Instrument entwickelt, um diesem Trend entgegenzuwirken und zu sagen: Achten Sie gut darauf, was Sie essen. Ernähren Sie sich nicht vom 'Dessertbereich', auch nicht vom 'Ergänzungsbereich', sondern hauptsächlich vom 'Grundnahrungsbereich'. Halten Sie Mass mit ungesunden Lebensmitteln.

Ich möchte diese Einsichten auf den Glauben übertragen. Auch bei der geistlichen Ernährung gibt es einen 'Grundnahrungsbereich', einen 'Ergänzungsbereich' und einen 'Dessertbereich'. Gesunder Glaube besteht darin, die 'Grundnahrung' häufig zu konsumieren und sich bei der geistlichen Ernährung nicht auf den 'Ergänzungs-' oder 'Dessertbereich' zu verlassen. Ich versuche, diese drei Bereiche präziser zu beschreiben.

Grundnahrungsbereich

Die 'Grundnahrung' umfasst diejenigen Aspekte des christlichen Glaubens, die für alle Menschen zu allen Zeiten und in allen Lebenslagen relevant sind. Ich bezeichne das als die objektive Seite des Glaubens. Das sind diejenigen Dinge, die unabhängig von meinem momentanen Lebensgefühl und auch unabhängig von den Umständen gelten. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist eine hervorragende Zusammenfassung dieser 'Grundnahrung'. Diese Grundnahrung wollen wir im Laufe dieses Büchleins näher entdecken. Es ist diese 'Grundnahrung', die uns als Christen über alle Kirchen und Denominationen hinweg miteinander verbindet.

Ergänzungsbereich

Der 'Ergänzungsbereich' beinhaltet die persönliche Seite des Glaubens. Damit meine ich die persönliche Aneignung dessen, was in den 'objektiven Bereich' des Glaubens gehört. Ich verdeutliche das an einem Beispiel: Die Aussage 'Jesus ist gestorben' gehört zum Grundbestand des christlichen Glaubens, also zum 'objektiven Bereich'. Wenn ich diese Tatsache nun für mich selber akzeptiere und in mein Leben integriere, dann kann ich diese Aussage erweitern: 'Jesus ist für mich gestorben'. Immer dann, wenn ich eine Grundwahrheit des Glaubens für mich akzeptiere und in mein persönliches Leben integriere, dann bewege ich mich auf der Ebene des 'Ergänzungsbereichs'. Christlicher Glaube beginnt aber nicht mit dem Ergänzungsbereich. Bevor ich sagen kann, dass Gott mein Schöpfer ist, muss ich glauben, dass er überhaupt Schöpfer ist. Bevor ich gewiss sein kann, dass mir meine Sünden vergeben sind, muss ich glauben, dass Gott überhaupt Sünden vergibt. Ohne 'Grundnahrung' macht der 'Ergänzungsbereich' keinen Sinn.

Nun haben sich viele christliche Gemeinschaften vor allem aus dem freikirchlichen Spektrum auf diesen 'Ergänzungsbereich' konzentriert. Diese Konzentration ist plausibel, solange die 'objektive Seite' des Glaubens vorausgesetzt werden kann. Solange man also in einer Gesellschaft lebt, in der breit akzeptiert ist, dass es Gott gibt und dass Jesus Gottes Sohn ist, macht die Aufforderung Sinn, dass es darum geht, nicht beim 'Namenschristentum' stehen zu bleiben, sondern sich persönlich auf diesen Gott einzulassen und sein Leben entsprechend zu gestalten. Zum 'Ergänzungsbereich' gehören also die persönliche Aneignung des Glaubens und die persönliche Lebensführung als Christ. Beides gehört zusammen. Es gibt kein persönliches Christsein, ohne dass dies Auswirkungen auf die Lebensgestaltung hat. Das andere muss aber auch gesagt sein: Das Christsein beruht nicht auf der Ethik, sondern auf dem Glauben. Die Ethik gehört nicht in den 'Grundnahrungsbereich'. Daher muss es auch nicht verwirren, wenn Christen, die an den gleichen Gott glauben, ihr Leben unterschiedlich gestalten. Was Christen miteinander verbindet, ist nicht eine Gleichschaltung der Lebensführung, sondern eine gemeinsame 'Grundnahrung'. Wir haben ein gemeinsames 'Brot', von dem wir leben, belegen dieses Brot aber durchaus sehr unterschiedlich und individuell.

Es wäre also jammerschade, den 'Ergänzungsbereich' zu missachten und nur 'trockenes Brot' zu essen, wenn auch 'Käse' und 'Fleisch' zur Verfügung steht. Die Einladung zu einer persönlichen Gottesbeziehung und zu einer christlichen Lebensgestaltung macht aber nur Sinn, wenn die 'Grundnahrung' gegeben ist. Diese Voraussetzung ist in unserer Gesellschaft nicht mehr gegeben. Es reicht daher nicht aus, wenn die Kirche predigt: 'Sie können eine persönliche Beziehung mit Gott haben.' Es gehört zur Aufgabe der Kirche, zuerst die 'objektive Seite' zu klären und zu sagen, was denn überhaupt 'christlicher Glaube' ist.»

Zum Buch
Titel: Gesunder Glaube - Nahrhafte Impulse zum Apostolischen Glaubensbekenntnis
Autor: Stefan Schweyer
ISBN: 978-3-905290-71-4
Verlag: arteMedia
Erscheinungsdatum: 09.2013
Seiten/Umfang: ca. 160 S.

Datum: 09.09.2013
Autor: Stefan Schweyer
Quelle: Livenet

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