Richten

Jesus verlangt von seinen Jüngern, dass sie ein Urteil haben über ihre Mitmenschen

In der Bergpredigt sagt Christus: »Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet« (Matth. 7,1). Damit ist natürlich nicht gemeint, dass die Jünger nicht urteilen sollen. Sie sollen ein klares Urteil haben über das Tun und Treiben ihrer Mitmenschen. Sie sollen ihr Urteil unter Umständen auch deutlich äussern.

Das ist wohl gemeint mit der Mahnung: »Habt Salz bei euch« (Mark. 9,50). Als eine schwere Schuld der Pharisäer stellt Jesus es hin, dass sie es ihrer Umgebung gegenüber am Gericht fehlen lassen (Matth. 23,23): Sie haben weder die Urteilskraft noch den Mut, bei ihren Mitmenschen zwischen gut und böse zu unterscheiden.

Jesus verwirft aber das Richten im Sinne eines Verurteilens oder Für-erledigt-Ansehens

Das Richten, das Jesus verwirft, ist das Verurteilen. Ist über einen Menschen vor Gericht das Urteil gesprochen, so gilt seine Sache als erledigt, man befasst sich nicht mehr mit ihr.

Es ist eine freche Überheblichkeit, einen Menschen, über den Gottes Urteil noch nicht ergangen ist, als erledigt anzusehen, ihn in ein Schubfach zu werfen, zu behaupten: »So ist er und so bleibt er.« Weil jemand einmal log, sagen: er ist überhaupt ein Lügner. Weil eine einmal einen leichten Ton anschlug, sagen: sie ist ein leichtfertiger Mensch. Weil einer einmal versagte, urteilen: er taugt überhaupt nichts - das alles heisst richten.

Das Gegenteil von richten ist hoffen

Das Gegenteil von richten ist hoffen. Die Liebe hofft alles: Sie rechnet damit, dass die Barmherzigkeit Gottes noch sehr viel machen kann aus Menschen, mit denen wir nicht viel anzufangen wissen, dass von oben alle die noch längst nicht aufgegeben sind, nach denen man hier unten mit der Hand schlägt.

Die Liebe glaubt daran, dass der Allmächtige Menschen vollkommen umgestalten kann und rechnet damit. Sie kann eine gottentstammte Seele nicht so einfach für einen verlorenen Posten ansehen. Christus urteilt gewaltig über seine Gegner (Matth. 23). Dass er sie damit noch nicht verurteilt, zeigt sein Gebet für sie am Kreuz.

Datum: 09.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung