Herrlichkeit

Der griechische Ausdruck dóxa und die Lutherübersetzung

Der entsprechende griechische Ausdruck dóxa wird von Luther vierfach übersetzt: Herrlichkeit (zum Beispiel am Schluss des Vaterunsers: »Dein ist die Herrlichkeit«, Joh. 1,14; 17,22. 24), Klarheit (zum Beispiel Luk. 2,9 »Die Klarheit des Herrn leuchtete um sie«, 1. Kor. 15,40. 41), Ehre (zum Beispiel Joh. 5,44), Ruhm (zum Beispiel Röm. 3,23... »ermangeln des Ruhms, den sie bei Gott haben sollten«).

Das Wort dóxa bedeutet im klassischen Griechisch eigentlich: Meinung, dann gute Meinung, Ansehen, Ehre. Im neutestamentlichen Griechisch hat dóxa eine andere Grundbedeutung bekommen als Wiedergabe des hebräischen Kabód. Es bedeutet hier: strahlender, überirdischer Lichtglanz, im übertragenen Sinn: Hoheit, Majestät, dann auch: unbedingte Siegesgewalt. Mitunter bedeutet dóxa auch alles das zusammen.

Herrlichkeit statt Lichtglanz

Im folgenden wird von mir statt des griechischen dóxa der Ausdruck Herrlichkeit gebraucht, gleichviel, wie er in der Lutherübersetzung lautet.

  • Herrlichkeit bedeutet direkt Lichtglanz an der Stelle 1. Korinther 15,40. 41, wo Paulus davon spricht, dass jeder Himmelskörper seinen eigentümlichen Glanz hat. Die Sonne strahlt unermesslich heller als so viele Sterne: So wird der Leib des vollendeten Menschen unvergleichlich herrlicher sein als der des jetzigen.
  • Von dem Engel, der die Geburt Jesu ankündigt, geht ein gewaltiger Lichtglanz aus (Luk. 2,9).
  • Während Jesus mit den drei Jüngern auf dem Berg der Verklärung ist, erstrahlt sein Leib im himmlischen Lichtglanz derart, dass auch sein Gewand von innen durchleuchtet wird. Auch Mose und Elia erscheinen in überirdischem Glanz (Luk. 9,28-31).

In der katholischen Vorstellung vom Heiligenschein ist eine Erinnerung daran enthalten, dass die Gegenwart Gottes das Menschenleben bis in seine äussere Erscheinung hinein herrlich macht. Von Jesus ist einmal gesagt, er sei der Abglanz des Lichtglanzes Gottes (Hebr. 1,3).

Herrlichkeit gleich Hoheit

Herrlichkeit bedeutet gleichzeitig Hoheit, Majestät, so an der bekannten Stelle Johannes 1,14: »Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, wie sie der einzige Sohn vorn Vater hat.« Oder an den Stellen, wo Jesus von seiner Wiederkunft spricht: »in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln« (Matth. 16,27; 24,30; 25,31).

Jakobus spricht davon, wie vor der Herrlichkeit (Hoheit) des in der Gemeinde gegenwärtigen Herrn alle menschlichen Rangunterschiede zu einem Nichts verblassen (Jak. 2,1ff.).

Herrlichkeit als Siegesgewalt

Von Herrlichkeit im Sinne einer göttlichen Verfügungsgewalt ist die Rede in Johannes 2 (Hochzeit zu Kana); hier offenbarte Jesus zum erstenmal seine Hoheit über die Kräfte der Schöpfung. Die Bedeutung: unbegrenzte Siegesgewalt hat »Herrlichkeit« im elften Johanneskapitel (Auferweckung des Lazarus).

Der gewaltige Durchbruch, der von oben her in den Machtbereich des Todes geschieht, erweist die in ihrem Siegeslauf durch nichts aufzuhaltende Machtvollkommenheit des Sohnes Gottes (Joh. 11,4). Christus ist auferweckt durch die Herrlichkeit des Vaters, das heisst durch dessen Triumph über die Finsternis- und Todesmächte (Röm. 6,4).

Herrlichkeit ist die normale Ausstattung des Menschen

Dem Menschen als dem Ebenbild Gottes kommt es zu, auch die Herrlichkeit (Lichtglanz, Hoheit, Siegesgewalt über alles Böse) zu haben. Durch die Loslösung vom Schöpfer ist ihm diese Herrlichkeit verlorengegangen (»sie haben alle gesündigt, und ihnen mangelt die Herrlichkeit Gottes«, Röm. 3,23).

Damit soll sich der Mensch aber nicht abfinden. Er soll keinen Kompromiss schliessen mit dem Zustand, wo ihm der Adel seiner göttlichen Abstammung, die Hoheit und Siegeskraft fehlt. Er soll daran festhalten, dass ihm die Herrlichkeit, die von Gott ist, zukommt und ihm darum gegeben werden wird. Das nennt Jesus glauben.

Der Unglaube kommt daher, dass der Mensch nach minderer Ehre schielt als nach der, die für ihn da ist. Indem er danach trachtet, bei Menschen Ansehen zu erlangen, wird er abgelenkt vom unentwegten Streben nach der Grösse (Ehre, Hoheit, Herrlichkeit), die ihm von oben her bestimmt ist, und kann darum nicht glauben (festhalten) daran, dass der Vater im Himmel ihm jene höhere Ehre geben wird (Joh. 5,44).

»Ehrgeiz«, Eitelkeit kommen daher, dass der Mensch nach zu geringer Ehre strebt.

Herrlichkeit ist die Ausrüstung der Diener Christ

Christus stattet seine Jünger mit derselben göttlichen Herrlichkeit aus, die ihm gegeben war (Joh. 17,22.24), nicht damit sie herrlich da ständen, sondern damit die Herrschaft Gottes würdige Repräsentanten habe.

Es ist notwendig, dass Christenmenschen mit göttlicher Hoheit angetan sind. Nur dann, wenn aus einer anderen Welt etwas unsagbar viel Herrlicheres in ihr Leben hereinragt, als es die Besten, Frömmsten und Grössten dieser Welt haben, hört die Menschenverherrlichung auf. Es geht ihnen dann, wie es einst dem Menschensohn ging bei seinem Wirken: »sie entsetzten sich alle und priesen Gott« (Mark. 2,12).

Im letzten Wort des Vaterunsers: »Dein ist die Herrlichkeit« bekennen wir uns dazu, dass beim himmlischen Vater der alles Dunkel überstrahlende Lichtglanz, die alle Erdengrösse überragende Majestät und die alle Finsternismächte niederwerfende Siegesgewalt ist.

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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