Finsternis

Finsternis ist der Zustand, in dem man die Wirklichkeit nicht sieht

Finsternis heisst der Zustand, wo man sich nicht auskennt, wo man die Wirklichkeit gar nicht mehr oder doch ganz falsch sieht, weil einem das Urteil getrübt ist.

Da erscheint einem das Kleine gross und das Grosse klein. Man hält seine belanglosen Ziele für göttlich, und das Göttliche erscheint einem verächtlich; man bewegt sich bald in der einen, bald in der anderen Richtung: man weiss nicht, wohin man geht (Joh. 12,35).

In der Finsternis erkennt ein Mensch den anderen nicht; man sieht im Menschen nicht das hohe gottentstammte Wesen; man verkennt den Kern und bleibt an der Schale haften; man kennt die, denen man begegnet, nur »nach dem Fleisch«, das heisst, nach den zeitlich endlichen Grenzen und Formen ihres Lebens. Infolge dessen verhält man sich zu seinen Mitmenschen entweder geringschätzig, ablehnend, nachlässig: man »hasst seinen Bruder« (1. Joh. 2,9-11) - oder man treibt Kultus mit ihnen, man bevorzugt masslos und willkürlich einzelne, man »sieht die Person an«.

Die Finsternis ist der Wirkungsbereich des Bösen

Die Finsternis ist der Wirkungsbereich des Bösen. Dadurch, dass er das Urteil der Menschen verfinstert, vermag es der Böse, sie unter seine Herrschaft zu bringen. Darum sagt Paulus von den Erlösten, sie seien errettet von der Macht der Finsternis (Kol. 1,13). Die Dämonen treiben ihr Wesen in der Finsternis, das heisst, sie haben offene Türen für ihr Wirken dort, wo die Urteilsfähigkeit getrübt ist durch Vorurteile, geschickt gewählte Schlagworte, falsch orientierte Anschauungen, überspannte Ideen, durch Verführung in Wort und Schrift.

Falsche religiöse Orientierung bewirkt die schlimmste Finsternis

Die schlimmste Verfinsterung aber entsteht nicht dort, wo man »religionslos« oder erklärter Atheist ist, sondern da, wo Menschen religiös sind, wenn ihr religiöses Erkennen und Empfinden falsch orientiert ist.

Jesus sagt (Matth. 6,23): »Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie gross wird dann die Finsternis sein?« Hoffnungslos wird das Dunkel dann, wenn Menschen (einzeln oder kirchenweise) sagen, sie hätten Gemeinschaft mit Gott und sich doch über die Wirklichkeit des Lebens von oben her die Augen nicht öffnen lassen (1. Joh. 1,5.6). Wenn sie bei reicher Ausgestaltung der Frömmigkeit dennoch Gott zu einem Diener ihrer Zwecke und ihre Mitmenschen zu einem Fussschemel der eigenen Herrlichkeit machen.

Wenn das durch Jahrhunderte die Haltung gerade der Frömmsten und Besten war, dann wird die Finsternis so gross, dass für die wahre Erleuchtung kein Organ mehr da ist: »Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen« (Joh. 1,5). Der, der die Gegenwart Gottes bringt, wird von den Hütern des Gottesdienstes als Lästerer umgebracht. »Ihre Stunde« - der Augenblick, wo tiefsinnige Gottesgelehrte und bewunderte Kirchenführer nach ihrem Ermessen schalten und walten können, bringt die Geister der Finsternis auf den Gipfel ihrer Macht (Luk. 22,53).

Klarheit kommt in das getrübte Urteil der Menschen nicht durch Forschungsergebnisse oder Theorien, sondern vom gotterfüllten Leben her. »In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen« (Joh. 1,4). Die Lehre allein, sie mag noch so lauter und rein sein, kann das Urteil nicht erleuchten. Gott ist Licht, und die Nähe Gottes allein klärt das Urteil und erleuchtet den Geist. »Ich bin das Licht der Welt« (Joh. 8,12), sagt Jesus, weil er die Gegenwart Gottes bringt.

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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