Bibelstudium: Römer 7, 7-17

Bibelstudium

Der Mensch und Gottes Gesetz

7 Soll das alles nun etwa bedeuten, dass Gottes Gesetz sündig ist? Natürlich nicht! Aber es ist doch so: Ohne die Gebote Gottes hätten wir nie erfahren, was Sünde ist. Würde es dort nicht heissen: «Du sollst nicht begehren ...»3, so wüsste ich nicht, dass meine Leidenschaften Sünde sind. 8 Die Sünde aber gebrauchte dieses Gebot des Gesetzes, um in mir alle möglichen Leidenschaften zu wecken. Denn ohne das Gesetz wusste ich nichts von der Macht der Sünde in mir.4 9 Früher haben wir ohne das Gesetz gelebt. Erst seit wir das Gesetz mit seinen Geboten kennen, wurde auch die Sünde in uns lebendig. 10 Wir aber starben (denn keiner kann leben, den die Sünde von Gott trennt). So hat uns Gottes Gebot, das den Weg zum Leben zeigen sollte, letztlich dem Tod ausgeliefert. 11 Denn die Sünde benutzte das Gebot und betrog uns, indem sie statt des versprochenen Lebens den Tod brachte. 12 Das Gesetz selbst aber entspricht Gottes Willen; jedes einzelne Gebot ist heilig, gerecht und gut. 13 Kann aber etwas, das heilig, gerecht und gut ist, unseren Tod bewirken? Nein, ganz und gar nicht. Aber gerade dadurch, dass die Sünde das Gute benutzte, um mir den Tod zu bringen, hat sie sich als Sünde entlarvt; durch das Gebot ist sie in ihrer ganzen Abscheulichkeit sichtbar geworden. 14 Das Gesetz ist von Gottes Geist bestimmt5. Das wissen wir genau. Ich aber bin nur ein Mensch6 und der Herrschaft der Sünde ausgeliefert. 15 Ich verstehe ja selber nicht, was ich tue. Das Gute, das ich mir vornehme, tue ich nicht; aber was ich verabscheue, das tue ich. 16 Bin ich mir aber bewusst, dass ich falsch handle, dann gebe ich damit zu, dass Gottes Gesetz gut ist. 17 Das aber bedeutet: Nicht ich selbst tue das Böse, sondern die Sünde, die in mir wohnt, treibt mich dazu.

Übersetzung: Hoffnung für Alle

Kommentar

7,7 Aus all diesen Ausführungen scheint hervorzugehen, dass Paulus das Gesetz kritisiert. Er hat gesagt, dass die Gläubigen der Sünde und dem Gesetz gestorben sind, und das mag den Eindruck erweckt haben, dass das Gesetz böse sein könnte. Nichts könnte ferner sein!

In Kapitel 7,7-13 beschreibt Paulus nun die wichtige Rolle, die das Gesetz in seinem eigenen Leben spielte, ehe er wiedergeboren wurde. Er betont, dass das Gesetz selbst nicht sündig ist, sondern die Sünde des Menschen offenbart. Es war das Gesetz, das ihn von der völligen Verderbtheit seines Herzens überzeugt hat. Solange er sich noch mit anderen Menschen verglich, meinte er, ziemlich anständig zu sein. Doch als die Forderungen des Gesetzes Gottes ihn überführten, stand er sprachlos und verurteilt da.

Es war das zehnte Gebot, das ihm besonders seine Sünde vor Augen stellte: "Lass dich nicht gelüsten!" Gelüste beginnen in unseren Gedanken. Obwohl Paulus keine gröbere Sünde getan haben mag, erkannte er, dass sein Gedankenleben verdorben war. Er sah ein, dass böse Gedanken genauso sündig sind wie böse Taten. Er hatte ein verdorbenes Gedankenleben. Sein äusseres Leben mag relativ tadellos gewesen sein, doch sein Innenleben war eine Schreckenskammer.

7,8 "Die Sünde aber ergriff durch das Gebot die Gelegenheit und bewirkte jede Lust in mir." Lust bedeutet hier Begierde. Wenn das Gesetz alle bösen Begierden verbietet, dann wird die verdorbene Natur des Menschen erst recht angeregt, danach zu streben. So sagt uns das Gesetz etwa folgendes: "Du sollst in deinen Gedanken keinerlei schöne sexuelle Phantasien dulden. Du sollst nicht in einer Welt lustvoller Vorstellungen leben." Das Gesetz verbietet eine schmutzige Phantasie. Doch leider gibt es uns nicht die Kraft, eine solche Phantasie zu zügeln. So ist das Ergebnis, dass Menschen unter dem Gesetz sich mehr als je zuvor in einer unreinen Traumwelt sexueller Phantasien bewegen. Sie erkennen, dass sie, wann immer etwas verboten ist, um so mehr danach streben. "Gestohlenes Wasser ist süss, und heimliches Brot schmeckt lieblich" (Spr 9,17).

"Ohne Gesetz ist die Sünde tot", relativ gesprochen. Die Sündennatur ist wie ein schlafender Hund. Wenn das Gesetz kommt und sagt "Tu's nicht", dann wacht der Hund auf, um herumzustromern und genau das zu tun, was verboten ist.

7,9 Ehe Paulus vom Gesetz überführt wurde, "lebte" er, d. h. seine Sündennatur war vergleichsweise schläfrig und er kannte den Abgrund der Bosheit seines Herzens nicht.

"Als aber das Gebot kam", - d. h. als es mit vernichtender Überführung zu ihm kam - wurde seine sündhafte Natur entzündet. Je mehr er zu gehorchen versuchte, desto schlimmer versagte er. Er "starb", denn jede Hoffnung, die Erlösung durch seine eigenen Bemühungen zu erlangen, war zerstört. Er "starb" jedem Gedanken, dass er selbst gut sein könne. Er "starb" jedem Traum, durch das Halten des Gesetzes gerechtfertigt zu werden.

7,10 Er sah, dass "das Gebot, das zum Leben gegeben" war, ihm in Wirklichkeit "Tod" brachte. Doch was meint er, wenn er sagt, dass das "Gebot . . . zum Leben gegeben" sei? Das lässt sich auf 3. Mose 18,5 zurückführen, wo Gott sagt: "Und meine Ordnungen und meine Rechtsbestimmungen sollt ihr halten. Durch sie wird der Mensch, der sie tut, Leben haben. Ich bin der Herr." Eigentlich verhiess das Gesetz den Menschen, die es hielten, das Leben. Ein Schild vor einem Löwenkäfig lautet: "Bitte nicht in den Käfig greifen." Wenn man diesem Gebot gehorcht, bringt es Leben. Doch dem Kind, das sich nicht daran hält und den Löwen streicheln will, bringt es den Tod.

7,11 Und wieder betont Paulus, dass es nicht am Gesetz liegt. Es liegt an der Sünde, die in ihm wohnt und ihn dazu verführt, das zu tun, was das Gesetz verbietet. Die Sünde verführte ihn, zu denken, dass die verbotene Frucht wohl doch nicht so schlecht sei, und dass sie vielleicht Glück bringen könnte. Sie legte ihm nahe, dass Gott ihm Freuden vorenthalte, die ihm nur gut tun würden. So "tötete" ihn die Sünde in dem Sinne, dass sie seine besten Hoffnungen zunichte machte, der Erlösung würdig zu sein oder sie sich zu verdienen.

7,12 "Das Gesetz" an sich ist "heilig und" jedes "Gebot heilig und gerecht und gut". Wir müssen uns immer wieder daran erinnern, dass mit dem Gesetz an sich alles in Ordnung ist. Es ist von Gott gegeben und ist deshalb vollkommen als Ausdruck seines Willens für sein Volk. Die Schwäche des Gesetzes lag am "Rohmaterial", mit dem es arbeiten sollte: Es wurde Menschen gegeben, die schon Sünder waren. Sie brauchten das Gesetz, damit sie Sündenerkenntnis bekamen, doch darüber hinaus hatten sie auch einen Heiland nötig, der sie von der Strafe und der Macht der Sünde befreien würde.

7,13 "Das Gute" bezieht sich auf das Gesetz, wie besonders im vorhergehenden Vers gesagt wurde. Paulus erhebt nun die Frage: "Bewirkte" das Gesetz "mir den Tod?", was bedeutet: "Ist das Gesetz der Schuldige, der Paulus (und mit ihm uns alle) zum Tode verurteilt?" Die Antwort lautet: "Das sei ferne!" Die Sünde ist schuld. Das Gesetz ist nicht die Ursache der Sünde, sondern zeigt nur die Sünde in all ihrer Sündhaftigkeit. "Durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde" (Kap. 3,20b). Das ist jedoch noch nicht alles! Wie reagiert die Sündennatur des Menschen, wenn Gottes heiliges Gesetz ihr etwas verbietet? Die Antwort ist bekannt. Was bisher ein noch unterschwelliges Bedürfnis war, wird zum brennenden Verlangen! So wird "die Sünde überaus sündig . . . durch das Gebot".

Zwischen dieser Aussage und der in Kapitel 7,10 besteht scheinbar ein Unterschied. Dort sagte Paulus, dass er entdeckt habe, dass das Gesetz ihm den Tod bringe. Hier leugnet er jedoch, dass ihm das Gesetz den Tod bringt. Die Lösung ist folgende: Das Gesetz an sich kann weder auf der einen Seite den alten Menschen verbessern noch auf der anderen Seite ihn zum Sündigen bringen. Es kann Sünde anzeigen, genau wie ein Thermometer die Temperatur anzeigt. Aber es kann nicht die Sünde kontrollieren wie etwa ein Thermostat die Temperatur kontrolliert.

Es geschieht jedoch folgendes: Die gefallene Natur des Menschen will instinktiv genau das tun, was verboten ist. Deshalb nimmt sie das Gesetz zum Anlass, um andernfalls unterbewusste Begierden im Sünder zu wecken. Je mehr der Mensch versucht zu überwinden, desto schlimmer wird es, bis ihm zum Schluss nur noch die Verzweiflung übrig bleibt. So benutzt die Sünde das Gesetz, um ihm jede Hoffnung auf Verbesserung zu rauben. Und er sieht die ausserordentliche Sündhaftigkeit seines alten Menschen wie nie zuvor.

7,14 Bis zu diesem Punkt hat der Apostel eine vergangene Erfahrung seines Lebens beschrieben - nämlich die traumatische Krise, als er durch den Dienst des Gesetzes von seiner Sündhaftigkeit überführt wurde.

Nun wechselt er in die Gegenwart, um eine Erfahrung zu beschreiben, die er hatte, seit er wiedergeboren ist - nämlich den Konflikt der zwei Naturen und die Unmöglichkeit, durch eigene Kraft Befreiung von der Macht der innewohnenden Sünde zu erfahren. Paulus erkennt an, "dass das Gesetz geistlich ist" - d. h. heilig an sich und den geistlichen Bedürfnissen des Menschen entsprechend. Doch er erkennt, dass er selbst "fleischlich" ist, weil er keinen Sieg über die Macht der in ihm wohnenden Sünde kennt. Er ist "unter die Sünde verkauft". Er fühlt sich, als ob er der Sünde als Sklave verkauft worden sei.

7,15 Nun beschreibt der Apostel den Kampf, der in einem Gläubigen stattfindet, der die Wahrheit nicht kennt, dass er mit Christus in seinem Tod und seiner Auferstehung eins geworden ist. Es handelt sich hierbei um den Konflikt zwischen den beiden Naturen in dem Menschen, der den Berg Sinai besteigt, um dort Heiligung zu finden. Harry Foster erklärt:

Hier ist ein Mann, der versucht, Heiligung durch eigene Anstrengung zu erreichen, der mit all seiner Kraft kämpft, um Gottes "heiliges und gerechtes und gutes" Gesetz zu erfüllen (V. 12), nur um zu entdecken, dass sein Zustand umso schlimmer wird, je mehr er kämpft. Das ist eine verlorene Schlacht, kein Wunder, denn es steht nicht in der Macht der gefallenen menschlichen Natur, die Sünde zu besiegen und in Heiligung zu leben.24)

Man beachte die ständige Wiederholung der Personalpronomen in der 1. Person - Ich, mir, mich, selbst etc. Sie kommen in den Versen 9-25 über 40 mal vor! Menschen, die diese Erfahrung von Römer 7 durchmachen, erhalten eine Überdosis "Vitamin Ich". Sie halten immer wieder Nabelschau, suchen in sich selbst nach dem Sieg, wo sie ihn doch nicht finden können.

Es ist sehr traurig, dass die heutige christliche psychologische Seelsorge sehr oft die Aufmerksamkeit des Klienten auf sich selbst richtet und so das Problem noch verschärft statt zu helfen. Die Menschen müssen wissen, dass sie mit Christus gestorben und auferstanden sind, damit sie mit ihm in Neuheit des Lebens wandeln können. Statt zu versuchen, das Fleisch zu bessern, sollen sie es mit dem Herrn Jesus ins Grab geben.

Paulus beschreibt den Kampf zwischen den beiden Naturen so: "Was ich vollbringe, erkenne ich nicht." Er hat eine gespaltene Persönlichkeit. Er sieht sich selbst Dinge tun, die er eigentlich gar nicht will, und vieles, was er tut, hasst er im Grunde.

7,16 Wenn also sein gesunder Menschenverstand seine Handlungen verurteilt, dann ergreift er mit dem Gesetz Partei gegen sich selbst, weil auch das Gesetz diese Handlungen verurteilt. Deshalb gibt er letztlich zu, dass das Gesetz "gut ist".

7,17 Das führt zu dem Schluss, dass der Schuldige nicht der neue Mensch in Christus ist, sondern die verdorbene Sündennatur, die noch immer in ihm wohnt. Doch wir müssen hier sehr vorsichtig sein. Wir dürfen unsere Sünde nicht einfach entschuldigen, indem wir der uns innewohnenden "Sünde" die Schuld geben. Wir sind verantwortlich für unser Handeln, und wir dürfen diesen Vers nicht missbrauchen, um den "Schwarzen Peter" weiterzureichen. Paulus will hier nur die Quelle seines sündigen Verhaltens nennen, es jedoch nicht entschuldigen.

Datum: 18.03.2007
Quelle: Kommentar zum Neuen Testament - William McDonald

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