Welche Gegner hat Jesus heute?

Jesus am Kreuz

Die Feindschaft gegen Jesus ist keine Sache, die es nur einst an einem bestimmten Ort gab. Jesus wurde nicht nur aus damals gültigen religiösen und politischen Gründen festgenommen und verurteilt; solche Gründe wurden und werden immer wider in der Gesellschaft geltend gemacht. Zugleich fand Jesus solche Gegner, weil er sich bedingungslos für Wahrheit, Güte und Gerechtigkeit eingesetzt hatte. Jesus versicherte denen, die ihm nachfolgten, dass sie unter der gleichen Gegnerschaft zu leiden haben würden wie er selbst. Auch sie würden wegen ihres Einsatzes für die Gerechtigkeit, Güte und Freiheit, die Gott den Menschen zuteil werden lassen möchte, angegriffen werden. Wie sollen die Anhänger nach seiner Ansicht ihre Verfolgung verstehen?

Nimm das Kreuz auf dich!

Jesus fasste das, was seine Nachfolge letztlich bedeutet, mit den schonungslosen Worten zusammen: "Nehmt das Kreuz auf euch!" Das Kreuz bedeutete Spott, Schmerz und Tod. Die Anfeindung, die auf die Christen zukommen kann, ist also nicht zufällig, sondern eine direkte Konsequenz der Nachfolge Jesu.

Folge mir nach!

Christen haben schon oft die Nachfolge Jesu nur als innere spirituelle Praxis verstanden: die persönlichen Sünden zu überwinden, beten zu lernen und die Bibel zu studieren. All dies ist zweifellos wichtig, aber Nachfolge bedeutet noch mehr.
Wegen seiner Entschlossenheit Gottes Liebe unter das einfache Volk und sogar unter die sozial Verachteten zu bringen, wurde Jesus angegriffen. Durch seine unverblümten Angriffe auf das tyrannische Verhalten der herrschenden religiösen Führung brachte er sich selbst in Schwierigkeiten. Er griff sie als "Blindenführer" an, die die Menschen in grosses Elend führen würden. Jesus praktizierte Gottes Güte und Gerechtigkeit inmitten einer "bösen und ungerechten" Gesellschaft - und Christen sind dazu aufgefordert, das gleiche zu tun.
Unglücklicherweise sind viele Christen einer solchen Nachfolge aus dem Weg gegangen. Es gelingt und nicht, dem Jesus nachzufolgen, der das System in Unruhe versetzte und die Menschen dazu brachte, sich über die wahren Missstände in der Gesellschaft zu entrüsten. Vielen Christen ist es so wichtig, niemanden zu beleidigen oder nie als revolutionär angesehen zu werden, dass sie es nicht fertig bringen, wahre Jünger Jesu zu werden. Es gibt viele Missstände auf der Welt. Wenn wir die Notwendigkeit nicht fühlen, diese Missstände so scharf anzugreifen, wie Jesus die Unzulänglichkeiten der führenden Vertreter seiner Zeit angegriffen hat, dann folgen wir Jesus nicht wirklich nach.
"Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, kann mein Jünger nicht sein."

Das Gottesreich

Jesus sprach über das Gottesreich als Gottes Alternative zum Lebensstil der Welt. Wie heute, wollten auch zur Zeit Jesu die Menschen nach den gesellschaftlichen Normen leben; also sich bei denen rächen, die ihnen Unrecht getan hatten, die Aussenseiter der Gesellschaft verachten und die Anhäufung persönlichen Reichtums zum Lebensstil machen. Jesus weist diese Verhaltensformen zurück und befahl seinen Anhängern, auf eine ganz andere Art zu leben. Er sagt:
"Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch gross sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein." (Mk 10, 42-44)
Jene, die im Gottesreich leben, fordern durch ihr Verhalten und auch durch ihren Wiederstand gegen Ungerechtigkeit die Welt heraus. Traurigerweise hat die Kirche es oft versäumt, Jesus auf diesem Weg nachzufolgen. Wir haben falsche, in der Gesellschaft geltende Grundeinstellungen auch innerhalb der Kirche zur Norm werden lassen. So entstanden zum Beispiel Rassenvorurteile und Vorurteile, die sich auf das Einkommen oder auf den guten Ruf beziehen. Wir beschäftigen uns zu sehr damit, unseren Lebensstandard zu erhöhen, und übersehen dabei die Nöte der Armen. Dies sind Einstellungen, die wir heute aus der Kirche verbannen müssen. Die Welt sollte auf uns blicken und sehen, dass wir anders sind. Wir sollten die alternative Gesellschaft Gottes darstellen.

Selig sind die Verfolgten!

Einmal richtet Jesus folgende verblüffende Worte an seine Jünger:
"Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freuet euch und jubelt: euer Lohn im Himmel wird gross sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt." (Mt. 5, 11-12)
Wenn die Kirche anfängt, als Gottes alternative Gesellschaft zu leben, und die Ungerechtigkeiten der gegenwärtigen Gesellschaft herausfordert, wird sie den Gegendruck spüren. Deswegen sagt Jesus, dass seine Jünger sich über den ihnen entgegengebrachten Widerstand freuen sollten, nicht weil sie in der Beleidigung eine perverse Befriedigung finden könnten, sondern weil ihnen die Verfolgung zeigen würde, dass sie Gottes Willen tun.
"Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen."
Deshalb sollte der Druck von aussen nicht wie ein Schock auf die wirken, die Jesus nachfolgen; er hat dies vorausgesehen. Nicht jeder wahre Jünger Jesu wird dieselbe Stärke des Widerstandes zu spüren bekommen wie Jesus; doch sind viele in unserer heutigen Welt in der Tat solchem Druck ausgesetzt.

Liebet eure Feinde!

"Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt die Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte." (Mt. 5, 43-45)
Jesus fordert seine Jünger dazu auf, auch in Zeiten grösster Verfolgung ihren natürlichen, bösen Trieben nicht nachzugeben. Aber wie gehen die Menschen miteinander um? Wenn jemand unfreundlich zu uns ist, so reden wir nicht mehr mit ihm; werden wir beleidigt, so beleidigen wir ebenfalls; fügt uns jemand einen Schaden zu, so trachten wir danach, ihm heimzahlen zu können. Jesus fordert uns dazu auf, uns von solch einem Verhalten völlig zu lösen.
Das ist sehr schwierig, weil es bedeutet, dass wir gegen unsere eigenen Triebe ankämpfen müssen. Andererseits sollten wir uns trotzdem nicht scheuen, jene zu kritisieren, die andere unterdrücken und irreleiten, solange wir dies in der Liebe Gottes tun. Derselbe Jesus, der Pharisäer "Heuchler" genannt hat, sagte, während er am Kreuz Todesqualen ertrug:
"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" (Lk, 23.34)

Verfolger lieben

Jesus sprach davon, unsere Feinde zu lieben und für die zu beten, die uns angreifen. Festo Kivengere, ein anglikanischer Bischof in Uganda, wurde unter Idi Amins Herrschaft vor die Probleme der Verfolgung gestellt. Am 16. Februar 1977 wurde der Erzbischof Janani Luwum von den Sicherheitskräften umgebracht. Bischof Festo, der Autor des Buches "I love Idi Amin" (Ich liebe Idi Amin), beschreib die Gefühle die er hatte, als er vom Tod des Erzbischofs erfuhr:
Früh am Morgen kam die Zeitung mit der Nachricht, der Erzbischof und zwei Minister aus dem Kabinett seien bei einem Autounfall auf dem Weg von ihrem Gefängnis zu einem verhör ums Leben gekommen. Über diese furchtbare Nachricht war das ganze Land wie gelähmt. Dennoch drängten am Sonntag, vier Tage nach seinem Tode, beinahe 5000 Christen in die St.-Pauls-Kathedrale in Kampala: Studenten und junge Leute, singend zur Kirche gingen. Natürlich war es sehr schwer zu singen, weil sich Tränen der Trauer und der Freude vermischten. Die Anwesenden erzählten mir, dass sie sich wie im Himmel fühlten. Die Nachricht von der Freude und dem Singen der Christen drang auch zu Amin, der dies einfach nicht verstehen konnte. Ich glaube, genau darin liegt das Geheimnis: Christen strahlen mehr aus, wenn sie einem Druck ausgesetzt sind. Dies trifft nicht nur für Uganda zu, wie ich meine, es liegt in der Natur unseres Glaubens. Denn der Glaube wurde nicht hinter verschlossener Tür geboren. Unser Glaube wurde vor der Stadt, inmitten roher Gewalt, unter dem Kreuz geboren. Ein Glaube, der so geboren wurde, geht niemals unter.

Der Titel meines Buches "Ich liebe Idi Amin" kann natürlich einen falschen Eindruck vermitteln, wenn man ihn nur als eines der christlichen Klischees betrachtet. In der Tat aber entstand dieser Buchtitel in einer Pressekonferenz, die ich als verbannter Bischof bei meiner Ankunft in den USA gab. Die Amin-Frage war immer noch sehr problematisch, und es wurden einige schwierige Fragen an mich gerichtet. Ein Schwarzer fragte mich: " Warum zögern Sie, Amin als einen grausamen Mann zu verdammen? Verwirren Sie uns nicht, verdammen Sie ihn!" Mit der Hilfe des Heiligen Geistes erwiderte ich: "Mein Auftrag ist es nicht zu verdammen, sondern zu versöhnen." Darauf er: "Nehmen wir an ich brächte Amin hierher, liesse ihn dort, Ihnen gegenüber hinstellen und gäbe Ihnen eine Pistole in die Hand. Sagen Sie, was würden Sie mit dieser Pistole tun?" Dies war etwas schwierig, aber schliesslich meinte ich: "Schauen Sie, ich würde Amin die Waffe überreichen und ihm sagen: "Nehmen Sie Ihre Waffe, sie gehört Ihnen. Ich habe sie noch nie benützt, ich halte nichts von ihr. Meine einzige Waffe ist die Liebe." Ich liebe Idi Amin, weil mein Protest keine Grundlage mehr hätte wenn ich ihn nicht lieben würde.

Oscar Romero

Oscar Romero war Erzbischof von San Salvador. Zynisch hatte ihn die Militärregierung von El Salvador für dieses Amt bestimmt, weil sie annahm, er würde ihr wegen seines schüchternen und konservativen Charakters wenig Schwierigkeiten bereiten. Aber schon vier Wochen nach seinem Amtsantritt geriet er mit den Behörden in Konflikt. Eine friedliche Demonstration gegen den Wahlbetrug während der Präsidentschaftswahlen von 1977 wurde von der Polizei brutal aufgelöst. Sie feuerten direkt in die Menge, um die Demonstranten auseinander zu treiben. Dabei wurden viele getötet. Romero protestierte heftig dagegen. Nicht lange danach wurde ein enger Freund Romeros, ein Jesuit, der unter den ganz Armen arbeitete, ermordet. Diese Untat verwandelte Romero. Er fing an, sich verstärkt gegen Gewalt auszusprechen - sei es gegen Gewalt von seiten der Regierung oder von oppositionellen linken Gruppen. Er griff auch die Regierung wegen ihrer brutalen Unterdrückung der Landarbeiter El Salvadors an. Dies hatte zur Folge, dass Romero eine zentrale Gestalt seines Landes wurde. Die allwöchentlichen Radioübertragungen seiner Predigten wurden Bestandteil des Lebens der Nation. Sowohl rechte wie auch linke Gruppen planten, ihn umzubringen.
Am 24. März 1980 hielt Romero in San Salvador einen Gottesdienst. Als er betete: "Möge das Opfer Christi uns den Mut geben, unser Leben für Frieden und Gerechtigkeit zu opfern," wurde er von einem Attentäter erschossen.

Martin Luther King

Martin Luther King hat den vollen Preis für seine Hingabe an Jesus und an die Gerechtigkeit bezahlt. Er führte in den südlichen Teilen der USA eine Kampagne gegen die Unterdrückung und Rassendiskriminierung der farbigen Amerikaner durch die Gesellschaft der Weissen. Wo er auftrat, kümmerte er sich um Frieden und Gerechtigkeit. Er lehnte es ab, schöne Worte zu predigen, um die Schwarzen mit ihrer Lage zu versöhnen. Er wandte sich auch gegen den Gebrauch von Gewalt, die die farbigen Bürger anwenden wollten, um ihre Ziele zu erreichen. Dies machte seine weissen Gegner wütend, weil er ihnen mit seinem friedlichen Weg der Feindesliebe schon in moralischer Hinsicht weit überlegen war. In Birmingham, Alabama, kam es 1963 zu zahlreichen Demonstrationen gegen die Rassentrennung. Die friedlichen Demonstrationen wurden von der Polizei mit Wasserwerfern, Hunden und Gummiknüppeln angegriffen: Martin Luther King mit 3000 Teilnehmern war ihr Ziel. Ein andermal wurde sein Haus angezündet, man drohte, ihn umzubringen, oder weisse Reaktionäre versuchten, ihn zu töten. Schliesslich fiel er im April 1968 auf dem Balkon eines Hotels einem Attentat zum Opfer, als er damit beschäftigt war, eine Protestdemonstration in Memphis, Tennessee, vorzubereiten.
Jesus sagte: "Erinnert euch immer an meine Worte: Ein Knecht ist nicht grösser als sein Herr. Verfolgten sie mich, so werden sie auch euch verfolgen."

Datum: 31.03.2002

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