Ein Ehebrecher erlebt die Kraft der Vergebung

"Eigentlich wollte ich Silvia an diesem Abend sagen, dass ich mich nicht mehr mit ihr alleine treffen werde. Während der Anbetungszeit, die an diesem Abend stattfand, merkte ich, dass Gott seinen Finger warnend auf diese Beziehung gelegt hatte. Obwohl noch nichts ,Verbotenes' geschehen war, hatte sich doch durch wenige intensive Gespräche eine emotionale Bindung zu Silvia aufgebaut, die weiter ging, als mir lieb war. Ich liess deshalb für mich beten und sagte Silvia, die ebenfalls in diesem Gottesdienst war, dass ich noch an diesem Abend kurz mit ihr sprechen wolle.

Aus dem kurzen Gespräch wurden lange Stunden, in denen wir, statt uns nicht näher zu kommen, Nähe suchten und körperlichen Kontakt hatten. Vom ersten Moment an wusste ich, dass eine Welt in mir zerbrach. Ich hatte Träume, Verheissungen, Freundschaften für einen Moment kurzer Befriedigung verraten. Als ich am nächsten Morgen neben meiner Frau im Bett erwachte, hoffte ich, dass alles nur ein Alptraum gewesen sei. Doch die Realität war schlagartig da. Ich hatte das Gefühl, dass mir jeder an der Stirn ablesen konnte, was ich getan hatte. Der Arbeitstag im Büro war die Hölle. Am späten Nachmittag hielt ich es nicht mehr aus. Ich ging zu Martin ins Büro und bat ihn um ein Gespräch unter vier Augen. Stockend erzählte ich, was sich am Vorabend ereignet hatte und wie sehr es mir Leid tat. Eigentlich erwartete ich, dass er mir so richtig die Meinung sagen würde. Die ganze Angelegenheit würde sicherlich Konsequenzen für unser Arbeitsverhältnis haben. Doch er hörte nur geduldig zu, fing zu weinen an und tröstete mich. Er teilte den Schmerz, der mich zerriss.

Nach einer Weile sprachen wir über die nächsten Schritte. Natürlich hatte ich sehr grosse Angst, mit meiner Frau über das Geschehene zu sprechen. Doch Martin ermutigte mich, die Wahrheit so schnell wie möglich ans Licht zu bringen. Nicht nur bei meiner Frau, sondern auch bei den besten Freunden, beim Anbetungsteam, in dem ich mitspielte, und bei meinen Arbeitskollegen und -kolleginnen sollte ich die Sache in Ordnung bringen. So ging ich an diesem Abend mit zitterndem Herzen nach Hause. Meine Frau sass am Esstisch, die Kinder waren bereits im Bett. Ich war darauf gefasst, dass auf mein Geständnis viele Vorwürfe, Anklagen und Strafe folgen würden. Doch wieder erfuhr ich eine unerwartete Reaktion: Statt Ablehnung erlebte ich Vergebung. Obwohl ich sie sehr verletzt hatte, nahm mich meine Frau in den Arm und tröstete mich. Ich war überwältigt und beschämt. Sie war sofort bereit, mir bedingungslos zu vergeben und mir bei meinen nächsten Schritten zur Seite zu stehen.

Schon am nächsten Nachmittag hatte mein bester Freund das Anbetungsteam zu einem Treffen eingeladen. Ermutigt durch die beiden positiven Erfahrungen mit Martin und meiner Frau konnte ich vor der ganzen Gruppe meine Schuld bekennen und auch sie um Vergebung bitten. Eigentlich sah ich meine Zeit im Anbetungsteam als beendet an, denn wie konnte ich je wieder andere Menschen in die Gegenwart Gottes führen? Es war während des ganzen Treffens aber nicht einmal die Rede davon, ich müsse nun das Team verlassen. Im Gegenteil, es wurde darüber gesprochen, wie das Team als Ganzes zum Ausdruck bringen konnte, dass es weiterhin zu mir stehe. Ich konnte nur schweigend der Diskussion folgen. Von allen Menschen, die ich direkt oder indirekt verletzt hatte, von denen ich Unverständnis, verdeckte oder offene Ablehnung erwarten musste, durfte ich Liebe, Annahme und Vergebung erfahren. Nach diesem Treffen einigten wir uns darauf, dass ich, zu meinem eigenen Schutz, einige Zeit nicht mehr in den Gottesdiensten spielen würde.

Am darauffolgenden Sonntag stand ich also nicht auf der Bühne. Es fiel mir schwer, Gott anzubeten, denn direkt gegenüber von mir sass Silvia mit ihrem Freund. Da ich nicht spielte, wusste sie sofort, dass ich die ganze Sache ans Licht gebracht hatte. Deshalb bekannte sie ihre Schuld noch während des Gottesdienstes ihrem Freund. Nach dem Schlusssegen kam er mit roten Augen auf mich zu. Noch bevor ich irgendetwas sagen konnte, platzte es aus ihm heraus: ,Ich kann es zwar nicht verstehen, aber ich vergebe dir.' Dann umarmte er mich und ging davon.

Es folgten noch viele kleinere und grössere Schritte, bei denen ich Menschen meine Verfehlung offen legte und um ihre Vergebung bat. Mir wurde bei dieser ganzen Sache bewusst, dass Sünde wirklich Sünde ist und das Potenzial hat, Menschen zu zerstören. Es gibt keine grossen oder kleinen Sünden, jede trennt uns von Gott. Doch abhängig von unserem Wertesystem ,legalisieren' wir Sünden oder verharmlosen sie zu einem Kavaliersdelikt. Ich glaube, dass diese Erfahrung nötig war, um mich aufzuwecken. Ich erlebte auch, wie sehr ich mich immer wieder selbst verletzte, und bekam zum ersten Mal Gelegenheit zu erfahren, was Schuld, Busse und Vergebung bedeuten.

Wiederherstellung hiess für mich, die bedingungslose Liebe - durch das Verhalten der Menschen, die ich am meisten liebe - des Vaters nicht nur theoretisch zu kennen, sondern durch den Schmerz am eigenen Leib zu erfahren."

Datum: 31.05.2006
Autor: Martin Bühlmann
Quelle: Gemeinde leben - Gemeinde lieben

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