Lebendige Zusammenkünfte

Eines der sichtbarsten Gefässe einer Gemeinde ist der Gottesdienst. Wie sieht ein Gottesdienst aus, der sowohl dem einzelnen Gemeindeglied als auch dem Aussenstehenden den Zugang zu Gott ermöglicht? Das beginnt sicherlich mit einem Perspektivenwechsel. Der Gottesdienst ist nicht ausschliesslich für die "Gläubigen" gedacht; er ist auch ein Ort, an dem Jesus fern stehende Menschen eine Begegnung mit ihm ermöglicht wird.

In den vergangenen Jahren wurde aber auch viel über "sucherorientierte" Gottesdienste oder "sucherempfindsamen" Gemeindebau gesagt und geschrieben. Ich hatte immer Schwierigkeiten, mich mit den Aussagen über diese Themen zu identifizieren, weil sie davon auszugehen schienen, dass der Gottesdienst ausschliesslich auf Jesus fernstehende Menschen ausgerichtet sein müsse. Die grössten Probleme hatte ich mit der Gegenüberstellung der gottesdienstlichen Inhalte: Erfahrung der Gegenwart des Heiligen Geistes oder Empfindsamkeit für den Suchenden. Diese beiden Anliegen müssen sich aber nicht zwangsläufig widersprechen. Eine nach aussen gerichtete Gemeinde wird keine Kompromisse mit dem Wirken des Heiligen Geistes schliessen müssen, um die Suchenden zu erreichen. Sie wird mit nachvollziehbaren Erklärungen dem suchenden Menschen dabei helfen können zu verstehen, was geschieht.

Ich möchte nicht widersprechen, wenn jemand erklärt, dass die Gemeinden sich nach Möglichkeit den kommunikativen Bedürfnissen dieser Zeit anpassen sollen. Menschen müssen das Evangelium so hören können, dass sie es verstehen. Doch innige Anbetung, die in die Gegenwart Gottes führt, und das Gebet für Menschen in Not gehören genauso in diesen Gottesdienst wie eine mutmachende, befreiende Verkündigung. Nur so wird der Gottesdienst zu einem Ort, an dem Menschen Gott begegnen können. Diese Erfahrung hat auch Arthur gemacht, der sich mit seiner Frau in der Vineyard Bern für die Ausbreitung von Gottes Reich engagiert:

"In meiner Kindheit trug ich einen Hausschlüssel um den Hals, da meine Eltern ganztägig in einem Restaurant arbeiteten. Mit diesem Schlüssel waren viele ,Freiheiten' verbunden: So kam es vor, dass ich abends noch unterwegs war, wenn andere Kinder schon längst im Bett lagen. In dieser Zeit kam ich jedoch mit einem Mann in Kontakt, der mich sexuell missbrauchte. Ich konnte mit niemandem darüber sprechen, denn Gefühle waren in unserer Familie ein Tabuthema. Mit 14 Jahren zog ich in eine Wohngemeinschaft um und kam zum ersten Mal mit Drogen in Kontakt. Mit 19 Jahren hatte ich einen schweren Verkehrsunfall und musste 14 Monate lang im Krankenhaus liegen. Als ich das Krankenhaus verlassen durfte, war ich ein seelisches Wrack. Es gelang mir nur nach ausgiebigem Alkohol- oder Heroingenuss, unter die Menschen zu gehen, da ich unter panischen Angstattacken litt. Mit 26 Jahren war ich auch körperlich am Ende und wog nur noch 46 Kilo. Da entschied ich mich für eine Therapie, die zweieinhalb Jahre dauerte und nach der ich ungefähr sechs Monate lang ,clean' war. Während dieser Zeit führte ich oft Gespräche mit Menschen, die an Jesus Christus glaubten. Doch obwohl ich diese Menschen bewunderte, konnte ich ihre Einladungen, einen Gottesdienst zu besuchen, nicht annehmen. Ich hatte immer eine Ausrede parat, aber im Grunde dachte ich, ein Mensch wie ich, mit einer so schmutzigen Vergangenheit, habe in einer Kirche nichts zu suchen. Ich nahm damals an, dass ich zuerst meinen Lebensstil verändern müsse, bevor ich Gott und seinen Nachfolgern unter die Augen treten dürfe. Alle meine Bemühungen schlugen fehl. So stürzte ich wieder in ein tiefes Loch und begann erneut, Heroin zu spritzen. Ich beschloss, meinem Leben ein Ende zu setzen. Ich konnte und wollte mit meinen Abhängigkeiten nicht mehr weiterleben.

Auf dem Weg zur Kirchenfeldbrücke, von der ich herunterspringen wollte, kam ich an der Französischen Kirche vorbei, aus der Musik drang. Ich wurde neugierig und warf einen Blick hinein. Es hatte ganz den Anschein, als wurde gerade ein Konzert vorbereitet. Ich ging in die Kirche und setzte mich in die dritte Reihe. Die Kirche füllte sich. Plötzlich entdeckte ich auch die Menschen, die mich mehrmals in den Gottesdienst eingeladen hatten. Das war ja gar kein Konzert, es war ein Gottesdienst! Weil sich in der Zwischenzeit die Kirchenbänke gefüllt hatten, konnte ich die Kirche nicht mehr verlassen. Als die Band zu spielen begann, standen alle Leute auf und sangen mit. Ich las die Texte auf der Leinwand und konnte plötzlich nicht mehr stehen. Ich fiel auf meine Knie und weinte während des ganzen Gottesdienstes. Ich spürte, wie sehr Gott mein Leben schmerzte, aber ich erkannte auch gleichzeitig, wie sehr er mich dennoch liebte. Da wusste ich plötzlich, dass Gott mich so liebt, wie ich bin. Würde er mir helfen, mein Leben in Ordnung zu bringen? Die Menschen im Gottesdienst machten keine abfälligen Bemerkungen über meine Kleidung oder mein Aussehen. Sie kamen auf mich zu, sprachen mit mir, als wäre ich einer von ihnen. In diesem Gottesdienst begegnete ich dem auferstanden Jesus Christus.

Meine Sucht, mein Drang nach Heroin, ist seit jenem Tag verschwunden, als hätte es ihn gar nicht gegeben. Danke, Jesus, du hast meinem Leben Sinn gegeben. Danke für die vielen Menschen in der Gemeinde, für ihre Freundschaft und die Bereitschaft, mich vorbehaltlos in die Familie aufzunehmen."

Datum: 31.05.2006
Autor: Martin Bühlmann
Quelle: Gemeinde leben - Gemeinde lieben

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung