Echte Beziehungen - ein Lebensstil

Nelly, von der ich Ihnen eingangs berichtet habe, hatte in ihrer Not eine Familie gefunden, die sich für sie und ihre Kinder öffnete. In diesem neuen Beziehungsfeld konnte sie nach Hause kommen, Sicherheit finden und ihr neues Leben aufbauen.

Menschen können nicht für sich alleine existieren; sie sind auf die Gemeinschaft mit anderen Menschen angewiesen. Ich möchte noch eine weitere Erfahrung eines jungen Mannes aus der Vineyard Bern weitergeben. Roland schreibt:

"Die Geschichte beginnt 1994, als ich 20 Jahre alt war. Ich besuchte damals den Kurs ,Die Vineyard Familie kennen lernen'. Fast alle meine Freunde hatte ich mittlerweile hier und mich faszinierte das unbändige Verlangen dieser Menschen, Gott näher zu kommen. Kurz darauf leitete ich zusammen mit meinen Freunden die Jugendgruppe.

Auf Grund eines geringen Selbstwertgefühls hatte sich in mir jedoch der Druck aufgebaut, den anderen in nichts nachzustehen, ja besser als andere zu sein. Ich hatte schon immer Zweifel gehabt, ob ich meine Aufgabe schaffen werde. Dieses Gefühl hatte ich aber einigermassen kontrollieren können, wenigstens bis zu jenem Tag, als ich während eines Ausflugs der Jugendgruppe mein Gesicht völlig verlor.

Wir veranstalteten eine Gesprächsrunde, in der jeder seine Erwartungen für das kommende Wochenende äussern musste. Als ich an der Reihe war, kam ein schwer zu beschreibendes Gefühl der Ohnmacht über mich. Einen Moment lang konnte ich nichts mehr sagen. Alle Gesichtsmuskeln, die ein Lächeln vorzutäuschen versuchten, versagten und meine gespielte Selbstsicherheit verflog, wie ein Vogel, den man aufscheucht. Alle konnten einen tiefen Blick in meine verletzte Seele werfen, was mir äusserst unangenehm war.

Von jenem Augenblick an lebte ich in der ständigen Angst, dass sich dieses Ereignis wiederholen könnte, was auch einige Male vorkam. Auf meinem Arbeitsweg, in der Stadt, in der Gemeinde, wo auch immer ich war, hoffte ich, niemanden zu treffen, um nicht wieder mit einer peinlichen Situation konfrontiert zu werden. Sogar bei meinen besten Freunden fühlte ich mich oft nicht mehr wohl. Die Angst nahm immer mehr zu. Ich fürchtete mich auch davor, richtig psychisch krank zu werden. Ich war nicht sicher, ob ich jemals wieder einmal aus diesem Teufelskreis herauskommen würde.

Heute geht es mir viel besser. Ich denke, dass die folgenden drei Dinge mir geholfen haben, wieder Boden unter die Füsse zu bekommen:

Erstens: Gott hat mir Verheissungen für mein Leben gegeben, an denen ich festzuhalten begann. Immer wieder betete ich: ,Gott du hast mir doch versprochen, mich zu einem starken Baum zu machen mit vielen Früchten und tiefen Wurzeln, eine starke Hand für viele! Du gibst doch dem Müden neue Kraft und hilfst denen auf, die am Boden sind! Du bist doch mein Beschützer auch wenn 1 000 auf meiner Linken und 10 000 auf meiner Rechten fallen!' Diese Hoffnung auf die Zusagen Gottes versiegte zum Glück nie ganz und wurde zu einem Anker im Sturm.

Zweitens war und bin ich in eine Gemeinde von Menschen eingebettet, die echt sind und zu ihren Fehlern und Schwächen stehen. Es tat mir sehr gut, auch von Vorbildern zu hören, dass sie sich manchmal unsicher fühlen und Selbstzweifel haben.

Das löste bei mir eine Veränderung aus, und ich hörte auf, mir immer vorzuhalten, dass ich perfekt sein müsse, um Gott zu dienen. Ich erkannte, dass ich angenommen bin, obwohl ich nicht perfekt bin, aber gerade deshalb kann ich Gott dienen. Das wiederum half mir, zu meinen Schwächen zu stehen und die Angst zu verlieren, weniger Wert zu sein.

Drittens hatte ich das Glück, Menschen um mich zu haben, die mehr an mich glaubten als ich selbst. Freunde, die mich ermutigten, Schritte zu wagen, und mich in dem, was ich tat, bestätigten, auch wenn einmal nicht alles besonders gut lief. Diese Unterstützung gab mir Halt und den Mut, Herausforderungen anzunehmen, auch wenn ich mich unfähig fühlte.

Heute habe ich ein grosses Herz für Menschen, die auch unter grossen Selbstzweifeln leiden, und ich will die Dynastie von Leitern, die trotz ihrer Schwachheit berufen wurden, weiterführen, damit andere ermutigt werden, wiederum dasselbe zu tun."

Datum: 29.05.2006
Autor: Martin Bühlmann
Quelle: Gemeinde leben - Gemeinde lieben

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