Die Vaterliebe Gottes – Zugang zum Leben

Ein ehemaliger Fremdenlegionär findet Ruhe im Vaterhaus Gottes

"Ich heisse Walter. Kannst du kurz für mich beten?", sprach mich ein älterer kleiner, rundlicher Mann während einer christlichen Konferenz in Toulouse/Frankreich auf Schweizerdeutsch an. Ich hatte gerade über die Vaterliebe Gottes gesprochen und viele Menschen schienen innerlich betroffen zu sein. Ich nahm Walter in den Arm, legte ihm die rechte Hand auf die Stirn und betete für ihn. Er glitt langsam auf den Boden. Ich betete noch kurz weiter und wandte mich dann einer anderen Person zu. Nach einigen Minuten stand er wieder auf: "Betest du noch einmal für mich? Es tut mir so gut!" Erneut betete ich für ihn und erneut glitt Walter zu Boden. Nach einigen Minuten stand er wieder auf und bat um ein weiteres Gebet. Dies wiederholte sich während der gesamten Konferenz. Später erzählte er mir seine Geschichte.

Walter wuchs in der gleichen Schweizer Kleinstadt auf wie ich, in Horgen am Zürichsee. Als Jugendlicher hatte er viel Alkohol getrunken, war in Schlägereien verwickelt und hatte einige Diebstähle begannen. Sein Vater führte ihm immer wieder vor Augen, dass er ein Versager sei und es nie zu etwas bringen werde. Mit ihm könne wohl kein Mensch etwas anfangen. Mit 20 Jahren wurde Walter in die Schweizer Armee eingezogen. Er bemühte sich, zu den Grenadieren, einer speziellen Kampfgruppe, eingeteilt zu werden, doch auf Grund seines kleinen Körperwuchses wurde er ausgelacht und in eine andere Truppe eingeteilt. Walter hatte genug.

Er reiste nach Marseille, wo er sich bei der französischen Fremdenlegion meldete. Diese nahm den jungen Schweizer gerne in ihre Reihen auf. Man bildete ihn aus und er kam während des Algerienkriegs zum Einsatz. Dort kam es zu den ersten Feindberührungen. Wie mir Walter erzählte, hatte er vermutlich Dutzende von Algeriern erschossen. Eines Tages wurde Walter in einen Hinterhalt gelockt und in einen Nahkampf verwickelt. Ein ungefähr 17-jähriger Algerier stand ihm zwei Meter entfernt gegenüber. Ohne lange zu überlegen, erschoss Walter diesen jungen Mann. Von diesem Moment an litt Walter jede Nacht unter Alpträumen; das Gesicht des Jungen erschien ihm immer wieder im Schlaf. Er versuchte, diese Ängste und seine inneren Qualen im Alkohol zu ertränken.

Während seines Einsatzes in Algerien hielt seine spätere Frau Colette treu zu ihm. Colette ist die Tochter einer armenischen Familie, die während des Genozids an den Armeniern die Türkei verlassen musste und in Frankreich eine neue Heimat fand. Bereits als Kind hatte Colette von ihren Eltern das Evangelium von Jesus Christus gehört, deshalb betete sie für Walter. Als er aus Algerien zurückkehrte und sah, dass Colette während all dieser Jahre auf ihn gewartet hatte, fragte er sie, ob sie ihn heiraten würde. Sie willigte ein.

Trotz der Hingabe von Colette fuhr Walter damit fort, seine Alpträume in grossen Mengen Alkohol zu ertränken. In seiner Verzweiflung wandte er sogar seelische und körperliche Gewalt an. Obwohl er die besten Absichten hatte und seinen Kindern ein guter Vater sein wollte, gelang ihm dies nie. Als Colette das dritte Kind erwartete, drängte Walter auf eine Abtreibung. Er konnte doch keine fünfköpfige Familie ernähren, fühlte sich von seiner Lebenssituation völlig überfordert. Doch trotz dreimaligem Versuch gelang die Abtreibung nicht. Das letzte Kind der Familie, ein Sohn, wurde geboren.

Nach einigen Jahren wandte sich Walter dem Glauben seiner Frau zu. Er nahm Jesus als seinen persönlichen Erlöser in sein Leben auf und begann, ihm nachzufolgen. Einige Zeit später löste sich sein Alkoholproblem, doch seine Alpträume und seine Lebensängste blieben bestehen. Er hatte das Gefühl, als sei er seinen Ängsten hilflos ausgeliefert.

Aus diesem Grund war er auch während der gesamten Konferenz immer wieder zu mir gekommen - er brauchte noch eine weitere "Dosis" der Vaterliebe Gottes und schien schier unersättlich zu sein. Und dies blieb nicht ohne Folgen: Bereits am darauffolgenden Morgen erzählte mir Walter, dass er gut geschlafen habe, und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Datum: 27.04.2006
Autor: Martin Bühlmann
Quelle: Gemeinde leben - Gemeinde lieben

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