Klagelieder 3,1-33

1 Ich bin der Mann, der tief gebeugt worden ist durch die Rute seines Zorns.
2 Mich hat er verjagt und in die Finsternis geführt und nicht ans Licht.
3 Nur gegen mich kehrt er immer wieder seine Hand den ganzen Tag.
4 Er hat mein Fleisch und meine Haut verfallen lassen und meine Knochen zermalmt.
5 Er hat rings um mich her Gift und Leid aufgebaut.
6 In Finsternis ließ er mich wohnen wie längst Verstorbene.
7 Er hat mich eingemauert, daß ich nicht herauskommen kann; mit ehernen Ketten hat er mich beschwert.
8 Selbst wenn ich schreie und rufe, verschließt er doch [die Ohren] vor meinem Gebet.
9 Mit Quadersteinen hat er meine Wege vermauert, hat meine Pfade gekrümmt.
10 Er lauert mir auf wie ein Bär, wie ein Löwe im Dickicht.
11 Er hat meine Wege versperrt und hat mich zerfleischt, mich arg zugerichtet.
12 Er hat seinen Bogen gespannt und mich dem Pfeil zum Ziel gesetzt.
13 Er hat mir in die Nieren gejagt die Söhne seines Köchers.
14 Ich bin meinem ganzen Volk zum Gelächter geworden, ihr Spottlied den ganzen Tag.
15 Er hat mich mit Bitterkeit gesättigt, mit Wermut getränkt.
16 Er ließ meine Zähne sich an Kies zerbeißen, hat mich niedergedrückt in die Asche.
17 Ja, du hast meine Seele aus dem Frieden verstoßen, daß ich das Glück vergaß.
18 Und ich sprach: Meine Lebenskraft ist dahin, und auch meine Hoffnung auf den Herrn!
19 Gedenke doch an mein Elend und mein Umherirren, an den Wermut und das Gift!
20 Beständig denkt meine Seele daran und ist tief gebeugt!
21 Dieses aber will ich meinem Herzen vorhalten, darum will ich Hoffnung fassen:
22 Gnadenbeweise des Herrn sind's, daß wir nicht gänzlich aufgerieben wurden, denn seine Barmherzigkeit ist nicht zu Ende;
23 sie ist jeden Morgen neu, und deine Treue ist groß!
24 Der Herr ist mein Teil! spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.
25 Der Herr ist gütig gegen die, welche auf ihn hoffen, gegen die Seele, die nach ihm sucht.
26 Gut ist's, schweigend zu warten auf die Rettung des Herrn.
27 Es ist gut für einen Mann, das Joch zu tragen in seiner Jugend.
28 Er sitze einsam und schweige, wenn Er es ihm auferlegt!
29 Er stecke seinen Mund in den Staub; vielleicht ist noch Hoffnung vorhanden.
30 Schlägt ihn jemand, so biete er ihm die Wange dar und lasse sich mit Schmach sättigen!
31 Denn der Herr wird nicht auf ewig verstoßen;
32 sondern wenn er betrübt hat, so erbarmt er sich auch nach der Fülle seiner Gnade;
33 denn nicht aus Lust plagt und betrübt Er die Menschenkinder.
34 Wenn alle Gefangenen eines Landes mit Füßen getreten werden,
35 wenn das Recht eines Mannes gebeugt wird vor dem Angesicht des Höchsten,
36 wenn die Rechtssache eines Menschen verdreht wird — sollte der Herr es nicht beachten?

Datum: 13.10.2012

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