Viel aus wenig

Konnte Jesus tatsächlich Brot vermehren?

Unter den Wundern, die Jesus nach dem Bericht der Bibel wirkte, fallen die Massenspeisungen besonders auf. Tausende von Menschen, die Jesus zugehört hatten, erhielten durch Vermehrung von Broten und Fischen zu essen.
Konnte Jesus tatsächlich Brot vermehren?
Kind mit Brot

Es fällt auf, dass die sechs Wunderberichte im Johannesevangelium «Zeichen» genannt werden (1). Am Schluss des Evangeliums (2) wird erwähnt, warum diese Zeichen aufgeschrieben worden sind. Johannes will dem Leser zeigen, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, damit er glaubend in Jesus das wahre Leben findet.

Damit wäre auch schon das Entscheidende zur Brotvermehrung gesagt. Auch dieses Zeichen möchte den Glauben wecken. Aber nicht nur den Glauben an die Wunderkraft eines Propheten, den man zum König machen will3), weil er die Nahrungsversorgung garantieren kann. Das Leben und der Glaube, den Jesus erschliessen will, geht weit über alle irdischen Bedürfnisse hinaus. Nicht dass diese nicht betroffen wären. Der rein diesseitige Blick auf das, was Jesus tut, greift aber zur kurz. Ich möchte besonders auf zwei Aspekte dieses Textes aufmerksam machen.

Dankbar teilen, was gegeben ist

Jesus handelt wie ein jüdischer Hausvater bei der Eröffnung des Mahles (4). Jedem Essen geht der Lobpreis Gottes voraus. Auf jiddisch nennt man diese Gebete die «Broche» (5). Die Broche vor dem Essen lautet: «Gesegnet bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt, der du das Brot aus der Erde hervorbringst. Gesegnet bist du in Ewigkeit, Herr, unser Gott.»

Wir trauen uns nicht, Gott zu segnen, daher übersetzen wir im Deutschen «gesegnet» meist mit «gepriesen». In der Broche preist man zuerst Gott, dann nennt man den Grund. Man erinnert sich an das, was man bekommen hat, auch wenn es nur wenig ist. Dann erst wird die Bitte angefügt. Diese Reihenfolge meint eigentlich: «Gott, das haben wir schon von dir bekommen. Jetzt dürfen wir auch noch um etwas bitten.» Jede Broche endet mit dem nochmaligen Lobpreis und deutet damit die Gewissheit an: Was ich jetzt erbeten habe, das hat Gott zugesagt und er wird es auch geben. Deshalb kann ich ihn jetzt schon dafür preisen.

Hundertmal am Tag soll Gott eine Broche gegeben werden. Alles soll Dank sein. In unserem Abschnitt zieht uns Jesus mit seiner Broche in eine Dankbarkeit für das hinein, was uns gegeben ist und in das Vertrauen auf das, was daraus werden kann. So könnte uns diese Geschichte anregen, wie Jesus das Gegebene einfach einmal dankbar zu nehmen, es dann nicht krampfhaft und ängstlich rechnend festzuhalten, sondern das Wenige herzugeben, ohne vorherige Rückversicherung. Vielleicht ist das der erste Schritt zur Vermehrung des Wenigen.

Einfach mal anfangen

Jesus fragt: «Wo kaufen wir Brot, damit alle essen können?» Philippus rechnet nach und bemerkt, dass ihr ganzes Geld nicht ausreicht, um alle zu ernähren (6). So rechnen wir: Es ist viel Not in der Welt. Was können wir da schon tun? Es ist doch alles nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Also lassen wir auch den Tropfen nicht fallen. Wir können ja nicht allen helfen – daher helfen wir erst gar nicht. Oft sind wir schon müde geworden, bevor wir den ersten Schritt gemacht haben; wir haben aufgehört, noch ehe wir angefangen haben. Wir rechnen, und dann geben wir auf. Wir sagen wie Andreas (7):
«Fünf Brote und zwei Fische – aber was ist das schon für so viele?» Das nennen wir dann «realistisches Denken».

Anders Jesus! Er sagt: «Fangt doch einfach einmal an.» Dann lädt er die Vielen ein, sich zu lagern. Er nimmt das Wenige, das da ist, spricht die Broche und das Wunder geschieht.
Jesus setzt unserm Rechnen und unserm Realismus seine Dankbarkeit und sein Vertrauen gegenüber Gott entgegen. Er lädt uns ein zu tun, was wir können. Und wenn unser rechnender Verstand sagt: «Das lohnt sich eh nicht!» – so wollen wirs doch wagen und den ersten kleinen Schritt tun.

Was sagt uns das Gleichnis vom Senfkornglauben (8)? Vielleicht dies: Es ist nicht so wichtig, dass unser Glaube gross ist, sondern dass wir aufgrund unseres kleinen Glaubens handeln.

1) Bibel,  Johannesevangelium 2,11 / 3,43f / 5,1f / 6,1f / 9,1f / 11,1f
2) Johannesevangelium 20,30.31; Kap. 21 ist ein Anhang
3) Johannesevangelium 6,14
4) Johannesevangelium 6,11
5) «Broche» kommt vom hebräischen Wort «beraka» und meint «Segensspruch».
6) Johannesevangelium 6,7
7) Johannesevangelium6,9
8) Lukasevangelium 17,6

Diesen Artikel hat uns das Magazin INSIST zur Verfügung gestellt. Der Autor Felix Ruther ist Studienleiter der VBG und Präsident des Instituts INSIST.

Zum Thema:
Jesus – Fragen und Antworten

Datum: 17.04.2011
Autor: Felix Ruther
Quelle: Magazin INSIST

Werbung
Livenet Service
Werbung