Unterwegs im Kreis 4

Jeder Mensch ist wertvoll (2)

Hans Peter Häring geht im Zürcher Kreis 4 auf die Gasse und setzt sich für Drogenabhängige ein. Livenet-Praktikant Rolf Frey hat ihn begleitet. Der zweite Teil seiner Reportage:
Der Chrischtehüsli-Leiter Emmanuel Parvaresh (nochmals) ins Gespräch mit Astrid und Oski vertieft (hinten: HP Häring)
Gespräche
Die Zürcher Langstrasse beim Eindunkeln
Sunestube der SWS Sozialwerke Pfarrer Sieber an der Militärstrasse

Um 12.30 Uhr gibt es im Christehüsli ein feines Mittagessen. Vorher begrüsst Miguel die zahlreichen Anwesenden und betet mit uns das «Vater unser». Oski lässt sich spontanen überreden, von seiner Drogenkarriere zu erzählen: «Ich kam mit 4 in mein erstes Heim, mit 17 ins Letzte. Ich nahm alle Arten von Drogen, ohne diese Krücken konnte und wollte ich nicht leben. Es war meine Art zu rebellieren. Trotzdem blieb meine Sehnsucht nach Liebe und echtem Leben ungestillt.»

Die Anwesenden hören Oski bewegt zu. Mit 20 Jahren hatte er grosse Schulden. Nach einem Streit mit seinem Bruder begann er Gott zu suchen: «Jemand erzählte mir das Evangelium, ich begann die Bibel zu lesen und bat Jesus, in mein Leben zu kommen. » Das war vor etwa 7 Jahren. Trotzdem fiel er wieder tief in den Drogensumpf. Drogen waren halt immer noch «sein Leben».

Das Wertvollste

Dann kehrte er erneut zu Gott um. "Die Kollegen dachten, ich sei wieder mal auf einem Trip... Doch mein Leben begann sich positiv zu verändern. Ich entschuldigte mich bei Leuten, die ich betrogen hatte, und begann im Meilestei eine Lehre als Betriebspraktiker.» Mit der Zeit konnte Oski seine 80‘000 Franken Schulden vollumfänglich zurückzahlen. «Ich sag's euch: der Glaube ist das Wertvollste, das es gibt, Jesus lebt!», schliesst er begeistert.

„Besser zwäg"

Lilanga (Name geändert) kreuzt auf, eine dürre, dunkelhäutige Frau. Sie habe Jesus in ihr Leben aufgenommen, freut sich eine Betreuerin. Habe man früher kein vernünftiges Wort mit ihr wechseln können, sei sie jetzt «viel besser zwäg». Sie nimmt Kokain und möchte einen Entzug machen. HP bietet ihr an, mit Isabel im Beth Shalom, einer christlichen Entzugsstation, vorbeizuschauen. Isabel könne sie ja weiter beraten, sie sei bereits unterwegs hierher, erklärt er ihr.

Die ebenfalls dunkelhäutige, warmherzig wirkende Valentina gesellt sich zu uns. Sie beendet heute nach 2 Jahren ihre Mitarbeit. «Ich möchte noch viel mehr mit den Leuten über Jesus reden und Seelsorge anbieten können», erklärt sie HP. Deshalb will sie mit Gleichgesinnten eine eigene Arbeit aufbauen und erwartet von Gott grosse Wunder. Viele Leute seien schon zum Glauben an Christus gekommen. Sie bedaure es aber, wenn man sie nachher aus den Augen verliere. Valentina möchte die Betroffenen intensiver begleiten und in eine christliche Gemeinde integrieren.

Geduld

HP versteht sie, gibt ihr aber auch zu bedenken, dass es manchmal viel Geduld brauche. Viele Leute hätten in ihrer Kindheit körperlichen oder seelischen Missbrauch erlitten und seien deshalb in eine Sucht geraten. Wie eben jener Mann, der sich nach 10 Jahren erneut für ein Leben mit Jesus entschieden habe. Beide sind sich aber einig, dass es ohne Gottes Kraft nicht geht. «Bescheidenheit und Ausdauer sind für diese Arbeit wichtig. Sowie, auf Gott zu hören, um das Richtige zu tun», ist HP überzeugt.

Oski stellt mit improvisierten Gesangseinlagen am Klavier sein musikalisches Talent unter Beweis. Eine Gruppe von Leuten beginnt am «Stammtisch» Lieder zu singen und zu beten. Sie bereiten sich auf einen Strasseneinsatz vor. Dabei wollen sie mit Passanten ‚uf der Gass' ins Gespräch kommen. Stefan, ein Mitarbeiter des Chrischtehüsli, reicht mir eine Einladung für die Gassenweihnacht in der Methodistenkirche am Helvetiaplatz.

Für Barmherzigkeit im Kantonsrat

Hans Peter Häring setzt sich als EDU-Kantonsrat besonders für soziale Belange ein. «Kürzlich habe ich eine Motion für höhere Alimentenbevorschussung eingereicht», erzählt er. In der Budgetdebatte bemängelte er, dass vom Topf der Krankenkassenprämienverbilligungen rund 6 Millionen Franken genommen würden, die eigentlich dem einkommensschwächsten Drittel der Bevölkerung zustünden. Also ausgerechnet Jenen, die das Geld am Nötigsten hätten. Die Sparwut siegte über die Barmherzigkeit.

Um 15 Uhr verabschieden wir uns von der friedlichen Chrischtehüsli-Atmosphäre. Weiter geht's zum Quartiertreffpunkt «Open Heart» der Heilsarmee an der Luisenstrasse 23. Der Raum ist voll von fremdländisch anmutenden Leuten, die ein Fest feiern. Dort treffen wir (für mich überraschend) auf «Hallelujah-Jo» Jo Scharwächter, der HP herzlich und auch seine zwei Begleiter begrüsst.

Nach einem kurzen Gespräch geht es weiter zur Langstrasse 62. Dort zeigt uns HP die Räume von Contact Zürich, der Drogenberatungsstelle des TVO (Therapieverbund Ost), der gemeinsamen Drogenarbeit von Meilestei, Best Hope und Quellenhof.

Entzug oder Not

Am Stauffacher spricht uns eine Frau an. Sie sei jetzt frei von Drogen, abgesehen von Alkohol. 500 Franken erhalte sie monatlich, was kaum für das Notwendigste reiche. Im Januar müsse sie einen Entzug starten, sonst werde ihr auch dieses Geld gestrichen. Oski fragt sie, ob er für sie beten dürfe. Sie nimmt das Angebot dankbar an. Gesagt, getan.

An der Selnaustrasse 27 zeigt uns HP das Haus einer der vier K+A's, den Kontakt- und Anlaufstellen («Fixerstübli») der Stadt Zürich. Schliesslich geht es wieder zurück an die Militärstrasse 118, Ecke Langstrasse. In der Cafeteria Sunestube der Sozialwerke Pfarrer Sieber wärmen wir uns nochmals auf. Die Sunestube berät und begleitet Obdachlose und ist bei Minustemperaturen auch über Nacht offen.

Ich habe in Hans Peter Häring einen Menschen kennen gelernt, der ein Herz für Menschen hat, die es in der Gesellschaft schwer haben. Und der davon überzeugt ist, dass in jedem und jeder von ihnen ein grosses Potenzial steckt. Ein Potenzial, das mit «Hilfe von oben» manchen ins Staunen zu versetzen vermag.

Lesen Sie den ersten Teil der Reportage


Internet- und Kontaktadressen:
Contact Zürich, Langstrasse 62, 8004 Zürich, Telefon: 079 359 57 86 oder 043 243 82 60,
info@drogen-beratung.ch

www.meilestei.ch
www.besthope.ch
www.quellenhof-stiftung.ch
www.chrischtehuesli.ch
www.swsieber.ch

Autor: Rolf Frey
Quelle: Livenet


Datum: 20.01.2010

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung