Unterwegs im Kreis 4

Jeder Mensch ist wertvoll

Hans Peter Häring geht seit über zehn Jahren im Zürcher Kreis 4 auf die Gasse und setzt sich für Drogenabhängige ein. Livenet-Praktikant Rolf Frey hat ihn an einem Tag begleitet. Seine Reportage:
HP. Häring
Tischgespräch im Chrischtehüsli mit Lena, Oski (rechts) und Hp Häring (hinten)
Oski bei seiner

Ich treffe Hans Peter (HP) Häring im Zürcher Hauptbahnhof. Er trägt einen schwarzen Hut, eine rote Winterjacke und Turnschuhe, geeignet für Gassenarbeit. Oski, dunkelhaarig mit Rossschwanz und temperamentvoll (mit «spanischen Wurzeln») stösst kurz danach zu uns. Die beiden kennen sich schon bestens vom ‚Meilestei‘ her: HP als langjähriger Leiter des Drogenrehabilitationszentrums in Uessikon am Greifensee und jetzt noch mit einem 85% Pensum dabei, Oski als ehemaliger Betriebswart-Lehrling und jetzt Mitarbeiter in einer dem Meilestei angegliederten Sozialfirma. Bald machen wir uns auf den Weg. Wir ziehen durch ein Gebiet hinter dem Zürcher Hauptbahnhof, das die meisten (wohlhabenden) Touristen kaum je zu Gesicht kriegen.

Im Verbund

Häring (62), von Beruf Jurist, ist verheiratet, Vater von zwei Söhnen und als EDU-Politiker Mitglied des Zürcher Kantonsrats. Für den TVO, Therapieverbund Ost, sucht er immer wieder die Orte auf, wo sich «die Schwächeren der Gesellschaft» aufhalten. Der TVO ist ein Zusammenschluss dreier christlicher Therapiehäuser: Best Hope in Herisau, Meilestei in Uessikon bei Maur und Quellenhof in Winterthur. Seit fünf Jahren führt das TVO an der Langstrasse 62 die gemeinsame Suchtberatungsstelle CONTACT Zürich. Es berät Ausstiegswillige und verhilft ihnen zu einer optimalen Therapiestelle.

Als erstes gehen wir zum Sune-Egge. Er umfasst eine Praxis für sucht- und aidskranke Patienten und die 28-Betten-Krankenstation der Sozialwerke Pfarrer Sieber. HP holt dort einen Brief ab. Auf dem Weg dorthin rechnet er uns die Kosten einer Drogen-Rehabilitationstherapie vor: rund 100'000 Franken pro Jahr. Beim Sune-Egge angekommen, müssen wir ein wenig in der Kälte ausharren, bis HP den Brief in Empfang nehmen kann.

Nestwärme

Nach kurzem Fussmarsch treffen wir im Chrischtehüsli an der Fabrikstrasse 28 ein. Diese Beratungsstelle für drogensüchtige Menschen befindet sich im Haus Zueflucht, das den Franziskanern gehört. Das Chrischtehüsli bietet einige Schlafplätze an. Betroffene können sich hier aufwärmen, erhalten eine warme Mahlzeit und Nestwärme. Da diese Arbeit viel Personal erfordert, sind die Öffnungszeiten beschränkt. Jeden Donnerstagabend ab 18.30 Uhr machen Freiwillige einen Gasseneinsatz. HP schaut einmal pro Woche im Chrischtehüsli vorbei, um alte Kontakte aufzufrischen und neue zu knüpfen. «An der Namensgebung für das Chrischtehüsli vor mehr als zwanzig Jahren war ich beteiligt», erinnert er sich.

Im Haus Zueflucht finden wir Zuflucht vor der Kälte und dürfen im Aufenthaltsraum Platz nehmen. HP wird warm begrüsst. Auch Oski trifft alte Bekannte wie Miguel, der hier Zivildienst macht und heute die Tagesleitung hat.

Hoffnung

Die blondhaarige Deutsche Lena gesellt sich zu uns und wird von HP sogleich in eine rege Diskussion verwickelt. Sie stammt aus der Nähe von Köln und arbeitet als Jahrespraktikantin einer Missionsgesellschaft hier im Chrischtehüsli mit. HP äussert im Gespräch mit ihr sein Anliegen, die einzelnen Aktivitäten der Gassenarbeit besser zu vernetzen und die Gassenarbeit noch auszubauen.

«Komm mal her, es gibt Hoffnung für dich!», möchte er allen Drogenabhängigen zurufen. «Ein Mann hatte vor 10 Jahren eine Therapie absolviert, bevor er abstürzte. Wir haben ihn immer wieder motiviert und für ihn gebetet. Vor kurzem hat er sich entschieden, eine Therapie zu machen», erzählt er. Ausdauer und Geduld braucht es in dieser Arbeit. Während in Kliniken teilweise Methadon abgegeben wird, setzen die Institutionen des TVO voll auf ganzheitliche Therapie ohne Abgabe von «Ersatzdrogen».

Mittlerweile hat Astrid an unserem Tisch Platz genommen. Die mütterlich wirkende Schweizerin macht freiwillig im Chrischtehüsli mit. Es sei eine sehr gute Kontaktstelle, um Leute auf der Gasse kennen zu lernen. «Manchmal ist es schon ein Kampf, die Leute zu motivieren, ihre Termine einzuhalten», sagt sie. HP erzählt mir, dass er seit 1995 im Meilestei mitarbeitet. 1997 begann der Meilestei mit der Gassenarbeit in Zürich. Gleich zu Beginn «sei man durchgestartet» und habe innert drei Monaten 6 Leute im Therapiehaus aufnehmen können. Von den 12 Therapieplätzen sind derzeit 11 belegt.

Datum: 18.01.2010
Quelle: Livenet.ch

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