Gesellschaftspolitische Skeptiker bekommen für einmal Unrecht. Trotz allen anders lautenden Feststellungen und Befürchtungen sind die Generationbeziehungen in der Schweiz besser als vermutet. Dies hat die vom Zürcher Soziologen François Höpflinger geleitete Studie im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 52 ergeben. Wirtschaftlich geht es vor allem den alten Menschen besser denn je. Probleme mit den Lebenskosten haben dagegen tendenziell junge Familien. Und trotzdem schafft dieser Zustand nicht Neid, sondern offenbar viel Hilfsbereitschaft, die sich zum Beispiel im verbreiteten Engagement der älteren Menschen bei der Betreuung ihrer Enkel äussert. Grosseltern betreuen nach der Schätzung des NFP Kleinkinder unentgeltlich und insgesamt während 100 Millionen Stunden pro Jahr, was ungefähr einer Arbeitsleistung von 2 Milliarden Franken entspricht. Hilfsbereitschaft zeigt sich zudem in der wenig beachteten aber verbreiteten Pflegearbeit der Kinder an ihren betagten Eltern. Nur ein Fünftel der über 80 Jährigen lebt gemäss dem NFP im Alters- oder Pflegeheim, sechs von zehn zu Hause lebenden Pflegebedürftigen werden von Angehörigen betreut. Der Wert der privaten Pflegearbeit beträgt schätzungsweise jährlich 10 bis 12 Milliarden Franken. Auch diese Arbeit wird zu 80 Prozent von Frauen erledigt. Insgesamt findet der Konflikt zwischen den „Alten als Profiteuren“ und den „Jungen als Geschröpften“ nicht statt. Die Studie befindet, es gebe viele private finanzielle Transfers zwischen den Generationen (im Jahr 2000 wurden in der Schweiz 28,5 Milliarden Franken, fast 7 Prozent des Bruttoinlandprodukts, in Form von Erbe umverteilt). Dazu kommt, dass alte Personen medizinische Hilfe brauchen – und so Jüngeren zu Arbeit und Lohn verhelfen. Interessant ist, dass der Soziologe Höpflinger die seit langem erhobene Forderung der Demografen und der (christlichen) Familienorganisationen aufnimmt: Wir brauchen mehr Kinder. Kurzfristig würde dies zwar die erwerbstätige Bevölkerung zusätzlich belasten, insbesondere die grösseren Familien. Doch sie ist nötig, um die Gesellschaft stabil zu erhalten. Das demografische Defizit könne nicht nur durch Einwanderung gedeckt werden, sagt jetzt auch Höpflinger. Nichts sagt der Bericht allerdings über die Situation des zunehmenden Bevölkerungsanteils von Leuten ohne eigene Nachkommen aus. Die meisten dieser Menschen haben zwar ein Leben lang für die AHV einbezahlt und für ihr Alter auch privat vorgesorgt, und es geht ihnen finanziell sehr gut. Da sie aber keine Nachkommen haben, welche für ihre AHV-Rente Beiträge einzahlen, gefährden sie das Umlageprinzip der AHV. Sie haben ausserdem keine Kinder, die bereit sind, ohne Bezahlung für sie pflegerische und andere Hilfe zu leisten. Sie werden somit wesentlich stärker als Väter und Mütter Institutionen des Staates belasten. Hier wäre eine horizontale Solidarität der Kinderlosen gegenüber den Familien angesagt, welcher den früheren und praktisch gegenstandslos gewordenen Generationenvertrag ersetzt. Es gibt indessen auch alte Menschen ohne Nachwuchs, die nicht nur das Alter geniessen, sondern auch etwas an die jüngere Generation weitergeben möchten. In lebendigen Gemeinschaften wie zum Beispiel christlichen Gemeinden kann hier ein Generationentransfer innerhalb der erweiterten christlichen Familie stattfinden. Diesen zu fördern, könnte eine vornehme Aufgabe von Kirchen- und Gemeindeleitungen in Zukunft sein. Medienmitteilung zum Generationenbericht Bearbeitung LivenetGoldener Lebensabend
Eltern selbst pflegen
Viele private Transfers
Kinder für gesellschaftliche Stabilität
Alter ohne Kinder
Aufgabe der Kirchen
Mehr zum Nationalen Forschungsprogramm 52
Quelle: SSF / SNF
Datum: 14.08.2008
Autor: Fritz Imhof