Der Globalisierungsprozess bedarf der Steuerung!

Zur Steuerung des Globalisierungsprozesses braucht es einen allgemeinen Moralkodex.

Der führende nigerianische Kirchenmann John Onaiyekan hat in einem Vortrag über "Bibel, Globalisierung und soziale Gerechtigkeit“ Ende 2002 aufgezeigt, wie die Globalisierung zum Wohl der Menschheit, auch des schwarzen Kontinents, genutzt und gesteuert werden könnte. Eine Stimme aus Afrika, die Gehör verdient:

Die Globalisierung ist ohne Zweifel ein Zeichen der Zeit. Als Christen sollten wir darauf vertrauen, dass dieser Prozess nicht ohne Gottes Wissen abläuft. Wir glauben, dass er sich für die Menschen unserer Zeit als Gnade erweisen wird. Dieser Prozess ist unabwendbar; wir können ihn kritisieren und attackieren, aber nicht aufhalten. Also müssen wir mit ihm leben.

Wie wir aber mit ihm leben, hängt sehr weitgehend davon ab, wie wir uns im Hinblick auf Freiheit und Solidarität entscheiden. Deswegen ist es wichtig, dass die ganze Welt gemeinsam nach Mitteln und Wegen sucht, um sicherzustellen, dass unsere Ressourcen, unsere Fähigkeiten und unser Wissen ab sofort zum Nutzen der gesamten Menschheit eingesetzt werden.

Steuerung und Kontrolle

Immer wieder wurden praktikable, sachdienliche Vorschläge zum Aufbau einer Gemeinschaft in der Welt unserer Tage unterbreitet, die die Wertvorstellungen der Menschen achtet und gleichzeitig den Ruhm Gottes mehrt. Beständig wird betont, wie wichtig es sei, die grundlegenden menschlichen Wertbegriffe zu erhalten. Die Technologie an sich ist eine weitgehend neutrale Kraft, aber sie hat dem Wohl der Menschheit zu dienen, wie es auch Gottes Wille ist. Dazu bedarf es der Kontrolle...

Entscheidend muss immer die Überlegung sein, was dem Wohl der Menschheit dient. Dies ist eigentlich ein wohlverstandener Eigennutz, der aber erst dann umgesetzt werden kann, wenn die Menschheit sich auf allgemein anerkannte Grundwerte geeinigt hat, die den menschlichen Fortschritt steuern.

Allgemeiner Moralkodex

Trotz der anscheinend unüberbrückbaren Gegensätze zwischen den einzelnen religiösen Körperschaften sowie zwischen den Religionen und den liberalen Freidenkern ist es auf rein praktischer Ebene nicht allzu schwierig ist, sich darauf zu einigen, was Recht und Unrecht ist, vorausgesetzt, dass man stets den Menschen voranstellt und ausschliesslich in seinem Interesse urteilt.

Unsere Erfahrung in einem Land wie Nigeria weist nach, dass es Meinungsverschiedenheiten über diese grundlegenden Dinge nur dann gibt, wenn wir uns selbst gegenüber nicht ehrlich sind. Damit wird es unumgänglich, einen gemeinsamen Moralkodex für alle Kulturen und Religionen zur Steuerung der Globalisierung auf der ganzen Welt aufzustellen, und zwar in nicht allzu ferner Zukunft. Gott sei Dank ist dieses Projekt keineswegs zum Scheitern verurteilt.

Afrikanische Probleme und Erfahrungen

Der sogenannte Zusammenbruch des eisernen Vorhangs und das spätere Ende des Kalten Krieges führten offensichtlich zu einer Intensivierung des Globalisierungsprozesses. Damals wurde uns eine "neue Weltordnung" verkündet. Wie sieht es heute aus?

- In den letzten Jahren sind neue Konflikte und Bürgerkriege ausgebrochen, insbesondere weil der trügerische Frieden nicht mehr wie früher durch das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Ost und West aufrechterhalten wurde.

- Im Grossen und Ganzen ist Afrika durch den momentanen Prozess der Globalisierung an den Rand gedrückt worden und auf wirtschaftlicher Ebene am Verhandlungstisch praktisch nicht vertreten.

- Dieses Ungleichgewicht hat sein Pendant in der Politik. In den schwächeren Ländern haben die Mächtigen in der Wirtschaft oft auch die politischen Zügel in der Hand. Wenn man bedenkt, wie korrupt und habgierig viele afrikanische Führer sind, ist es nicht verwunderlich, dass sich das Los der mittellosen Massen auf unserem Kontinent ständig verschlechtert.

- Auf kultureller Ebene konsumiert unser Kontinent auch heute noch kulturelle Massen-produkte der verschiedensten Art, Musik, Tänze, Mode – alles, was in den Massenmedien als die neueste Mode verhökert wird.

- Ernsthafte Sorgen bereitet auch die weitverbreitete Ausbeutung der Ressourcen des afrikanischen Kontinents ohne Rücksicht auf die Umwelt. So werden z.B. beim Abbau von Bodenschätzen in Afrika immer noch Verfahren angewendet, die man in andern Ländern schon längst aufgegeben hat. In den afrikanischen Regenwäldern werden prächtige Bäume mit alarmierender Geschwindigkeit von Holzfirmen gefällt, wobei grosse Waldgebiete als Grassteppen zurückbleiben. Dadurch wiederum wird nicht nur das Klima nachteilig beeinflusst, sondern auch die Erosion und die Bodenqualität.

Das soll nicht heissen, dass unser Kontinent aus dem Prozess der Globalisierung überhaupt keinen Gewinn ziehen konnte. So ist z.B. die NEPAD-Initiative zur Entwicklung Afrikas im Moment in aller Munde. Auch haben die Fortschritte in der Kommunikationstechnik weiten Teilen Afrikas ein Tor zu Welt geöffnet. Afrika verfügt heute über eine Stimme nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch in vielen anderen internationalen Organisationen.

Viele Schlüsselpositionen in verschiedenen Weltorganisationen sind von Afrikanern besetzt, angefangen bei den Vereinten Nationen, deren jetziger Generalsekretär aus Ghana stammt. Nigerianer sind sowohl in Spitzenpositionen wie auch als Facharbeiter von Schweden bis Israel, von Europa bis in die Vereinigten Staaten von Amerika, von Südafrika bis Papua Neuguinea zu finden. Auch das ist Globalisierung.

Hoffnung für Afrikas Zukunft

Wichtig ist, dass diejenigen, die bei uns eine Führungsrolle beanspruchen, sich auch Gedanken darüber machen, was für unsere Länder und Völker gut ist. Insbesondere die armen und schwachen Länder sind den globalen Kräften schutzlos ausgeliefert. Deswegen ist es auch so dringend, dass sich die übrige Welt vorurteilsfrei und mit einer geänderten Einstellung mit Afrika befasst. Wir brauchen mehr Respekt vor der Menschenwürde. Alle Menschen sind vor Gott gleich, und jeder verdient zumindest ein Minimum an Entwicklung und Existenzsicherung.

Aus diesem Grund sollte es für die internationale Gemeinschaft Anlass zu tiefer Sorge sein, dass wie auch in vielen anderen Ländern der Dritten Welt die meisten in Afrika lebenden Männer, Frauen und Kinder unterhalb der Armutsgrenze existieren, keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und sich, wenn sie krank sind – was sehr häufig der Fall ist –, nicht selbst versorgen können. Wenn die Achtung der Menschenwürde einmal zu einem wichtigen Kriterium für die Beschlussfassung der internationalen Gemeinschaft werden sollte, wird sich dadurch an der Gestaltung und Praxis der internationalen Beziehungen vieles ändern.

Die religiöse Dimension

Zum einen gibt es überall Fanatiker, die im Glauben anderer nichts Gutes erkennen können. Zum anderen gibt es Politiker, die sich der Gefühle der Bevölkerung bedienen, um sich selbst und ihren politischen Ehrgeiz voran zu bringen. Mein eigenes Land bietet dafür ein gutes Beispiel. Das bedeutet, dass diejenigen, die sich als Führer ihrer religiösen Gemeinschaften betrachten, ihr Möglichstes tun sollten, um die Fanatiker in den eigenen Reihen in ihre Schranken zu verweisen und sich nicht von denen missbrauchen lassen sollten, die anderweitige politische Ziele verfolgen.

Sollte das geschehen, kann aus Afrika durchaus ein Kontinent werden, der der übrigen Welt den Weg in die Zukunft einer Weiterentwicklung der Menschheit auf der Grundlage der Ethik und eines gerechten, auf gemeinsamen religiösen Wertvorstellungen basierenden Friedens weist.

Erster Teil des Vortrags von John Onaiyekan, katholischer Erzbischof von Abuja:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/180/12410

Redigiert: Livenet, Antoinette Lüchinger

Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.: www.kas.de

Datum: 04.02.2004

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