FDP und CVP versuchen sich in der letzten Wahlkampfphase angesichts von schwarzen Schafen und schmelzenden Gletschern gegenseitig Rückendeckung zu geben. Die beiden grossen Parteien hätten miteinander die Schweiz geschaffen, war im Interview der beiden Parteivorsitzenden in der ‚NZZ am Sonntag’ zu lesen. Fulvio Pelli und Christophe Darbellay fanden in einem anfänglich gereizten Gespräch zum gemeinsamen Nenner, die Bedeutung der politischen Mitte zu betonen: Nur wenn sie am 23. Oktober nicht weiter geschwächt werde, sei in Bern noch konstruktive Politik zu machen. Tatsächlich haben die beiden Parteien regelmässig für Konsensvorschläge Mehrheiten gestellt – auf der medialen Bühne hinterlassen Polarisierungen mehr Eindruck. Die CVP stellt sich mit einer telegenen Bundesrätin und einem jugendlichen welschen Vorsitzenden viel besser dar als vor Jahren. Die alte Spannung zwischen ihrem christlich-konservativen und dem sozialen Flügel ist kein Thema mehr; die Partei wirbt um urbane WählerInnen. Was heisst das C im Parteinamen anno Domini 2007? Mit dem drohenden Absturz der FDP auf Platz vier (weniger Stimmen als SVP, SP und CVP) wackelt ihr zweiter Bundesratssitz. Das Menschenbild des Liberalismus, das auf das Gute im Menschen setzt und der Entfaltung des Individuums Priorität gibt, wird von Schulproblemen und Jugendgewalt in Frage gestellt – hier sieht Rot-Grün übrigens genauso alt aus. Mehr Wohlstand bedeutet (leider) nicht mehr Anstand; darum der Ruf nach Werten. Stärker noch als Globalisierung und Migranten verunsichern heuer die seelische Verwahrlosung und rücksichtslose Selbstbezogenheit von Schweizern. Die teils extremen Wohlstands-Rezepte der FDP (Frauen an die Arbeit, Kleinkinder in die Krippen) lassen nichts Gutes erahnen. Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft genügt nicht, um den bedenklichen Trend, der sich in der Geburtenrate manifestiert, zu kehren. Wenn sie der Familie, der Zelle der Gemeinschaft, nicht mehr Sorge trägt, könnte die Partei des Individualismus an seinen Auswüchsen zugrunde gehen. Bei allem Konkordanzwillen: Im Bereich der Familien- und Gesellschaftspolitik, in dem es zentral um Werte geht, fahren FDP und CVP nicht auf parallelen Geleisen – ausser wenn eine der Parteien (wie die CVP mit ihrem Ja zum Partnerschaftsgesetz) einknickt. Bundesrat Blocher und seine Partei bereiten der FDP unsägliche Mühe. Doch wird dem Zürcher Magistraten zugestanden, dass er diverse Probleme zur Sprache gebracht hat. Fulvio Pelli hält in der ‚NZZ am Sonntag’ fest, dass sie damit noch nicht gelöst sind. Die SVP hat tatsächlich allzu gut damit gelebt, anzuzeigen, was konservativ gestimmten Schweizern Sorge macht. Und sie hat ihr Wählersegment umso nachhaltiger hinter sich geschart, als diese Sorgen von den anderen Parteien belächelt wurden (werden?). Dazu kam das politische Genie Christoph Blochers. Doch was trägt die SVP zur politischen Kultur bei, wenn sie die Konkordanz im Bundeshaus schlecht redet und in ihrer Kampagne Gift streut? Dass sich Hunderte, wohl Tausende Jugendliche ausländischer Herkunft, vor allem vom Balkan, im öffentlichen Raum anstössig verhalten, darf nicht vom unerträglichen Gebaren mancher Einheimischer ablenken. In einem anderen Feld der Politik ist die Radikalisierung von Muslimen nicht so einfach zu verhindern, wie mit der Minarettverbotsinitiative suggeriert wird. In beiden Feldern drohen simple Lösungsvorschlägen die Komplexität der Probleme zu vernebeln. Durch die Abschiebung schwarzer Schafe allein wird die Schweiz nicht weissgewaschen. Die SVP entstammte der BGB, in welcher Christen des bäuerlich-ländlichen Milieus prägend mitwirkten. Heute ringen verschiedene Strömungen, wohl auch Politiker-Generationen, miteinander. Einerseits will die SVP der ‚Islamisierung‘ wehren und wirft sich in die Pose des Abendland-Verteidigers. Anderseits will sie (etwa in Zürich) den Landeskirchen Steuermittel wegnehmen – ein Tribut an ihre heilige Kuh, die tiefere Staatsquote. Mit ihren Plakaten gaukelt die SVP vor, was sie nicht geben kann: Sicherheit. Vernünftige, den Menschen (und nicht zuerst den Grossen der Wirtschaft) dienende Politik ist auch das Business der kleinen E-Fraktion. Die EVP- und EDU-Parlamentarier verdienen als Brückenbauer-Gruppe, die keiner Ideologie verpflichtet und für keine Lobby interessant ist, besondere Unterstützung. Höhere Hürden als die Zürcher und Berner Vertreter hat der Aargauer Heiner Studer, der einen Fünfzehntel aller Stimmen braucht. Die Grünen werden als Profiteure der Umwelt-Ängste zulegen, obwohl sie kein tragfähiges Rezept gegen die Innenwelt-Verschmutzung und für die Erhaltung von Familie und Wertegemeinschaft haben. Oft vergessen wird, dass die EVP der Ökologie schon lange vor dem Klimawandel Aufmerksamkeit geschenkt hat.Telegene Magistratin
Wohlstand – und Anstand?
Was wird für Familien getan?
Probleme angezeigt, noch nicht gelöst
Der Wert der Konkordanz
Unterschiedliche Mentalitäten in der SVP
Klein aber fein: die E-Fraktion
Datum: 25.09.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch