Centro Cristiano

Fremde werden Gäste und Freunde – und umgekehrt

Im heissen Südzipfel der Schweiz, in Mendrisio, leitet Markus Zollinger das Centro Cristiano. Die Chrischona-Gemeinde zählt Ausländer aus vielen Ländern zu ihren Gliedern und ist immer wieder mit Asylanten konfrontiert. Markus und Monique Zollinger haben ihnen die Türe aufgetan – und ganz verschiedene Erfahrungen gemacht.
Markus und Monique Zollinger
Tamilenfamilie an der 20-Jahr-Feier
Tamilenfamilie an der 20-Jahr-Feier

„Eine Zeitlang hatten wir gegen 15 Afrikaner bei uns“, erzählt der Pastore. „Sie kamen in den Gottesdienst, zeigten Interesse am christlichen Glauben. Einige Kinder nahmen wir in die Kinderkrippe auf. Wir luden sie zu einem Nachmittag mit Zvieri ein. Wir halfen ihnen Formulare für die Krankenkasse oder die Versicherung auszufüllen, weil sie der Sprache noch nicht mächtig waren.“

„Sobald diese Schwarzen ein bisschen integriert waren, Arbeit und Beziehungen gefunden hatten, verdufteten manche von ihnen. Auch von der Gemeinde wollten sie plötzlich nichts mehr wissen. Sobald es läuft – adios! Sie kamen mir wie Schlaumeier vor, die auf unsere christliche Hilfsbereitschaft abstellen – vielleicht aufgrund des Klischees vom Missionar, das sie aus ihrem Erdteil mitbringen. Wir merkten: Wir werden gebraucht und solange ausgenutzt, bis es ihnen besser geht.“

Schwarz ist nicht gleich schwarz

Allerdings gibt es bei den Schwarzen grosse Unterschiede; Markus Zollinger warnt vor pauschalen Urteilen. Aus den Ausländern sticht eine Gruppe hervor: „Tamilen wollen sich integrieren und arbeiten, sind sehr umgängliche Menschen, beliebt in der Region.“ Oft schwierig einzuschätzen sind seiner Erfahrung nach Personen aus den Balkanländern und der Türkei.

Im Lauf der Jahre hat der Pastore etliche Asylbewerber getroffen, die sich offenbar vom Grundsatz leiten lassen, im Schweizer Paradies möglichst vielfältig zu profitieren: „Auch wenn man nicht arbeitet, noch auf eine Bewilligung wartet, wird man doch verpflegt, medizinisch versorgt und eingekleidet – es geht ihnen klar besser, als wenn sie im Herkunftsland geblieben wären. Eine Familie, der der Strom abgestellt worden war, bat mich, ihre Rechnung zu bezahlen (was ich prinzipiell nicht tue). Am andern Tag sahen wir per Zufall: Sie hatte sich eben im Fachgeschäft eine teure Stereoanlage reservieren lassen!“

Auch im Tessin: Ausländer bilden christliche Gemeinden

Es gibt im Tessin mehrere evangelische Ausländerfreikirchen: Tamilen, Afrikaner und Brasilianer treffen sich regelmässig in eigenen Gemeinden. Markus Zollinger freut sich über diese Orte der Gemeinschaft. Für die Brasilianerinnen, die mit Tessinern verheiratet sind, sieht der Pastore in Mendrisio seine multikulturelle Gemeinde allerdings als geeigneter an: „Zu uns kommt der Mann viel eher mit; denn in unseren italienischen Gottesdienst begleiten Tessiner ihre Frau lieber als in eine Brasilianer-Gemeinde.“

In Mendrisio kulturübergreifend feiern

Zollingers haben sich in den letzten Jahren intensiv um Tamilen und Brasilianerinnen bemüht. Die Gemeinde achtet generell darauf, dass sich Ausländerinnen und Ausländer angenommen fühlen und in die Gemeinde integriert werden.

Diese Offenheit sollte alle christlichen Gemeinschaften im Land auszeichnen, findet Markus Zollinger, da Christus das Trennende zwischen den Völkern beseitigt und durch sein Heilswerk einen Raum des vertrauensvollen Miteinanders gestiftet hat: „Grundsätzlich muss in der christlichen Gemeinde jede und jeder angenommen werden, woher sie und er auch kommt.“

Eigenbrötlerische Afrikanergemeinde

Eine Afrikanergemeinde ist im letzten Jahr aus dem Sopraceneri nach Chiasso umgezogen. Markus Zollinger bedauert, dass der Leiter mit ihm noch nicht Kontakt aufgenommen hat. Das Centro Cristiano ist in der Grenzstadt seit Jahren mit einen Mittagstisch präsent. Er wird von 55-60 Kindern besucht. Darunter sind auch Kinder aus Asylantenfamilien.

Sorge um Chiasso

Im Gespräch mit Livenet äussert der Pastore, der seit gut 20 Jahren im Mendrisiotto arbeitet, Sorgen über die soziale Entwicklung in der Grenzstadt Chiasso. Unternehmen schliessen oder ziehen weg. Verkehrslärm und schlechte Luft machen Anwohnern das Leben schwer. Einheimische Familien suchen ein anderes Domizil.

Der hohe Ausländeranteil und soziale Probleme führen zu sinkenden Wohnungsmieten: „Ich weiss von Frauen mit Kindern, die wegen einer günstigen Wohnung von Zürich nach Chiasso umgezogen sind! Dies führt zu noch mehr Sozialfällen in der Stadt, die wahrlich schon genug Probleme hat.“

Bericht von der 20-Jahr-Feier des Centro Cristiano

Datum: 06.05.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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