Ein Emmentaler läuft der Ölindustrie den Rang ab

Pionier Josef Jenni vor dem Solarflitzer «Bleistift».
Jenni will bei den nächsten Wahlen für die EVP in den Nationalrat.
Die Jenni Energietechnik AG in Oberburg bei Burgdorf.
LKW mit Speicher beladen vor einem „Sonnenhaus“.

Erdöl ist der Treibstoff im Wirtschaftsmotor. Wegen diesem schwarzen Gold sieht aber Josef Jenni schwarz. Trotzdem hat er keine Zukunftsangst – sondern gewisse Gemeinsamkeiten mit Adam und Bernie Ecclestone.

Oberburg. Nach dem Bahnhof und dessen Übergang geht’s rechts. Die Firmengebäude sehen aus, wie Firmengebäude eben aussehen. Einzig die Solarzellen auf dem Dach fallen – zum Glück nicht wörtlich – aus dem Rahmen. Josef Jenni ist Solarpionier. Er erfand die legendäre «Tour de Sol». Seine Kritiker sagten damals: «Mit einem Solarauto kann man die Schweiz nicht in so kurzer Zeit durchqueren.» Doch die Tour de Sol, in dessen Patronatskomitee die damaligen Nationalräte Adolf Ogi, Kaspar Villiger und Moritz Leuenberger sassen, strafte diese Kritiker Lügen.

Gleichwie das Solarhaus. Also ein Haus, das vollständig von der Sonne „lebt“? «Jetzt spinnt er», hiess es über Jenni. Dieser grinst verschmitzt. «Dank dieser Kritiker stieg das Interesse der Medien am Sonnenhaus sehr stark.» Jenni zeigt ein Bild. «Diese Aufnahme ging um die Welt.» Die Welt sah darauf das Solarhaus und Leute, die davor in einem Pool baden, mitten im Winter, am 31. Januar. Das Schwimmbecken wurde mit Solarenergie aufgeheizt.

«Oil of Emmental»

«Die Jenni AG ist eine Schlosserei geworden», meint Jenni, beim Öffnen der Werkstatt-Türe zu seinem 40-Mann-Betrieb. Überall stehen riesige Wassertanks. Diese speichern die Solarenergie. Heute liefert sein Unternehmen Solaranlagen nach ganz Europa. «Dieser hier geht nach Trier. Und jene sind für Luxemburg bestimmt.» Seit der Erdölpreis unaufhaltsam nach oben klettert, habe ein Umdenken in der Bevölkerung stattgefunden. «Jetzt reissen wir ständig Heizöltanks heraus und ersetzen sie durch alternative Anlagen.»

Zum Beispiel durch Holzschnitzel-Heizungen. Ohne Raubbau zu betreiben, biete der Wald genug nachwachsende Ressourcen. «Hier im Emmental könnten wir alleine mit Holz heizen, ohne einen Tropfen Erdöl. Diese Ölmillionen würden dann nicht ins Ausland fliessen. Im Gegenteil, wir würden hier sogar Arbeitsplätze schaffen.» Jenni hat den Slogan «Oil of Emmental» kreiert. Mit diesem „Öl“ (Sonnen, Holz und andere Energietechniken) läuft der Emmentaler den Ölmultis allmählich den Rang ab.

Die Party ist vorbei

«Die Party ist vorbei», sagt Jenni. «Dem Wirtschaftsmotor geht das Erdöl aus.» Berechnungen zufolge geht bei gleichem Verbrauch wie heute in 41,9 Jahren das Öl aus. Und bereits vorher wird es so gut wie unbezahlbar. «Ich erlebe, dass Firmen und Behörden dieses Problem verdrängen. Irgendwelche Professoren behaupten, dass es doch irgendwie gehen wird. Ich verstehe nicht, wie man studieren kann, nur um dann einen solchen Unsinn zu behaupten.» Aber kritische Stimmen seien bei diesem Thema nicht gefragt.

«Aber man muss sich vorstellen, dass Airbus seinen Giganten A380 bis ins Jahr 2030 tausendmal verkaufen will.» Da wird der Treibstoff knapp, bevor die Fluggesellschaften diese Maschinen amortisiert haben. Der weltweite Energierausch sollte also langsam ausgeschlafen sein. Jenni: «Die ärmsten Länder können demnächst kaum mehr Erdöl kaufen.»

Öl-Länder wie Ägypten, die USA, Malaysia, Syrien, Indien, der Jemen, Oman, Australien, England und Norwegen haben ihr maximalen Fördermengen bereits hinter sich und liefern Jahr für Jahr immer weniger.

«Hier halten wir Vorträge vor Schulklassen und Wirtschaftsleuten.» Jenni zeigt einen Raum in seiner Firma, der einem Schulzimmer ähnelt. «Wirtschaftsvertreter interessieren sich, wie wir unser Unternehmen führen», erläutert Jenni, der aus ethischen Gründen «nie in Billiglohnländern produziert». Er ist ein „Büetzer“* und kein Manager. «Ich halte nichts von Businessplänen. Denn am Schluss stimmt das sowieso nicht. Und ich mache auch keine Termine, die weiter als ein Jahr in der Zukunft liegen. Da kann so viel passieren.»

Früher belächelt

Früher wurde er belächelt. Nicht weil die Initiative, die er mitorganisierte, an der Urne abgelehnt wurde. «Wir forderten einen autofreien Sonntag pro Monat. Bei dieser Initiative habe ich arbeiten gelernt», sagt der Ingenieur HTL. Belächelt wurde er, weil er ganz auf die Karte Solar setzte. «Nach dem Tech ** konnte ich bei meinen Eltern bleiben. Sie gewährten mir freie Kost und Logis.» So konnte er seine ersten Solar-Schaltungen herstellen. «Aber Firmen wollten keine bei mir einsteigen. Sie wollten „mit Unternehmen zusammenarbeiten, die es in zwei Jahren noch gibt!“» Und so begann die eigene, mittlerweile 30jährige Firmengeschichte.

«Ich war es gewohnt, belächelt zu werden», erinnert sich Jenni. «In der Schule war ich im Sport einer der Schwächsten. Und ich war klein. Und auch wegen dem Glauben war ich ein Aussenseiter. Wir gingen in eine Freikirche.» Doch das Belächeltwerden hat ihn nicht aus der Bahn geworfen. «Es hat mich stark gemacht.»

Josef Ecclestone?

Nein, mit Formel-1-Chef Bernie Ecclestone will Josef Jenni nicht verglichen werden. Für die Tour de Sol durch die Schweiz jedenfalls wurde Jenni aber zu so einer Figur. Der Oberburger erfand diese Tour sogar. «Man rechnete uns vor, dass die beabsichtigten Fahrten gar nicht möglich waren. Die Energie würde nicht reichen. Aber niemand rechnete damit, dass wir weniger Energie brauchen würden, als unsere Kritiker sich das ausmalten.»

Heute würde er die Tour aber nicht mehr durchführen. «Das läge mir zeitlich gar nicht drin.» Auch in den Bau von Solarautos würde er nicht einsteigen. «Wenn man Erfolg hätte, würden einen die Automobilkonzerne auseinandernehmen. Die würden irgendwelche Patentverletzungen finden und den Bau lahmlegen.» Solarautos können heute noch keine Benzin- oder Dieselfahrzeuge ersetzen oder übertrumpfen. «Aber mit einem Solarwagen kann man bereits 300 Kilometer am Stück fahren.»

Adam?

Seine Firma brauche nur zehn Prozent der Energie, die normalerweise benötigt würde. «Wir verzichten fast ganz auf die Verwendung von energiefressender Pressluft». Sieht sich Josef Jenni als moderner Adam, der die Schöpfung bewahren hilft? «So habe ich das noch nie betrachtet.» Aber der christliche Glauben gebe ihm Halt. «Die schlechten Ölnachrichten schlagen mich nicht zusammen. Sie treiben mich an.»

* berndeutsch für „solider Arbeiter“
** Tech = Ausbildung an der Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) im schweizerischen Brugg.

Website: www.jenni.ch

Datum: 25.08.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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