Deutsche Evangelische Allianz: Keine kirchliche Trauung ohne Standesamt

Durch eine Änderung im Personenstandsgesetz ist in Deutschland ab Januar 2009 eine kirchliche Trauung erlaubt, ohne dass die Partner standesamtlich geheiratet haben müssen. Diese Regelung schafft mehr Probleme, als sie löst, wie Proteste zeigen.
Durch eine Änderung im Personenstan

Denn die rein kirchliche Ehe wird nach staatlichem Recht als nicht eheliche Gemeinschaft mit allen Konsequenzen angesehen. Das bedeutet: kein Unterhalt, kein Erbrecht, kein Splitting-Tarif im Steuerrecht und keine Schutzvorschriften, auch kein Zugewinnausgleich, für den Schwächeren beim Scheitern der Verbindung. Eine rechtsverbindliche Ehe kann wie bisher nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden. Die Neuregelung könnte jedoch für christlich geprägte Paare interessant sein, die eine sogenannte "Rentnerehe" eingehen wollen, bei der zwei Hinterbliebene gern den kirchlichen Segen hätten, aber zivilrechtlich Singles bleiben wollen, um die Witwenrente nicht zu verlieren.

DEA: Lebenslanges Treueversprechen muss rechtlich bindend sein

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), Hartmut Steeb, hat gegenüber den "Stuttgarter Nachrichten" eine kirchliche Trauung ohne vorherige standesamtliche Eheschliessung abgelehnt. Er betonte: "Das lebenslange Ehe- und Treueversprechen, das gerade aus christlicher Sicht unabdingbar für eine Eheschliessung ist, wird weitgehend der Substanz beraubt, wenn es nicht mehr rechtlich, sondern ‘nur' noch 'moralisch' bindend ist." Eine Moral, die Verbindlichkeit und gegebenenfalls auch Nachteile scheue, bleibe in ihrer "guten Absichten" stecken. Wer nicht bereit sei, die rechtlichen Konsequenzen einer Eheschliessung einzugehen, dem könne die Kirche auch die Zusage des Segens Gottes für eine solche halbherzige Treuezusage nicht zusprechen.

Schaden fürs Rechtsbewusstsein

Eine kirchliche Trauung ohne staatlich anerkannte Eheschliessung ist laut Steeb ein Pyrrhussieg für die Freiheit, der niemandem helfe. Eine solche "Ehe" habe nicht den Schutzstand der Ehe nach dem Grundgesetz. Zwar sei der Verzicht auf die Festsetzung von Bussgeldern scheinbar keine besonders starke Rechtsänderung. "Aber es ist ein weiterer Stoss zur Senkung des Rechtsbewusstseins und der Rechtsklarheit." Aufgabe der Christen und Kirchen müsse es jetzt umso mehr sein, politisch darauf zu drängen, dass eine Eheschliessung in keinem Fall mit materiellen und ideellen Nachteilen verbunden sein dürfe. "Wir brauchen dringend entsprechende Gesetzesänderungen zum Schutz und zur Förderung von Ehe und Familie", hob Steeb hervor.

Risiko wird auf den schwächeren Partner abgewälzt

Der Regensburger Familienrechtsexperte Prof. Dieter Schwab wies in der "Süddeutschen Zeitung" auf weitreichende Folgen dieser Neuregelung hin: "Ein Paar, das sich kirchlich, aber nicht standesamtlich trauen lässt, befindet sich in einer Ehe, die vom staatlichen Recht als nichteheliche Gemeinschaft angesehen wird - mit allen Konsequenzen." Dies bedeute: kein Unterhalt, kein Erbrecht, keine Schutzvorschriften für den Schwächeren beim Scheitern der Ehe, auch kein Zugewinnausgleich.

Schwab hält es "für äusserst bedenklich", wenn die Nur-Kirchen-Ehe gewählt werde, um das Risiko des Scheiterns dieser Ehe vermögensrechtlich auf den schwächeren Partner abzuwälzen. Deshalb sei auf jeden Fall eine gründliche juristische Aufklärung nötig. Die bisherige Bestimmung, dass die standesamtliche einer kirchlichen Hochzeit vorausgehen muss, geht dem Bericht zufolge auf die entsprechende Regel des Deutschen Reichs aus dem Jahr 1875 zurück. Bei Zuwiderhandlung habe Priestern lange Zeit eine Bestrafung gedroht, zuletzt sei die "kirchliche Voraustrauung" in Deutschland aber nur noch eine Ordnungswidrigkeit ohne Sanktion gewesen.

Sorge um muslimische Frauen

Auch die Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" warnte angesichts der ab 2009 zulässigen kirchlichen Hochzeiten ohne Standesamt vor einem Anstieg der Zahl der Zwangsheiraten. Politiker befürchten, dass die neue Regelung Mehrfach-Ehen den Weg ebnen könnten. "Unsere grosse Sorge gilt muslimischen Frauen, die künftig leichter in eine religiöse Ehe gezwungen werden können. Aber es gibt auch in den christlichen Kirchen fundamentalistische Kräfte, die wir nicht unterschätzen dürfen", sagte Rahel Volz von Terre des Femmes der in Essen erscheinenden "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".

In Österreich sind Nur-Kirchen-Ehen schon länger möglich. Wegen der Nachteile für den wirtschaftlich schwächeren Partner habe die römisch-katholische Kirche dort aber angeordnet, dass rein kirchliche Ehen nur mit Erlaubnis des Bischofs geschlossen werden dürfen.

Quelle: APD, Bearbeitung Livenet

Datum: 10.07.2008

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