In der NZZ am Sonntag vom 19. Juni schreibt Sandoz, die Geistlichen müssten zur Begründung für zivilen Ungehorsam aufzeigen können, „dass das angewandte Gesetz oder der gefällte Entscheid ein heiliges Gebot missachtet. Tun sie das nicht, dann sieht es so aus, als legitimierten sie jeglichen Ungehorsam im Namen eines angeblichen Ideals. Sie setzen ein falsches Zeichen und leisten der Unordnung, dem Egoismus, der Unsicherheit und Verwirrung Vorschub, ohne dass deswegen die Zahl der Gläubigen steigen würde.“ Sandoz wirft den gegen die Ausschaffung der Ausländer engagierten Priestern und Pfarrern vor, sie stellten die Elemente des alten christlichen Dilemmas von Loyalität und Ungehorsam gegenüber Gesetz und Behörden nicht korrekt dar. Rekurse gegen Entscheide bräuchten Zeit. „Das auf zutiefst ethischen Motiven gründende Gesetz stellt die Grundlage für Entscheide dar, die den Anschein erwecken, als seien sie nicht mehr ethisch, bloss weil sie nach vielen Jahren gefällt werden… Die Wahl ist nicht einfach, denn das menschliche Leid weckt immer Mitgefühl. Aber wozu dient ein Verfahren mit Rekursmöglichkeit, wenn das - weil es Zeit braucht - letztlich dazu führt, dass der endgültig negative Entscheid nicht vollzogen werden kann?“ Die kirchlichen Verantwortlichen hätten das tiefe Dilemma zu erkennen, „mit dem die Bürger und die in einem Loyalitätskonflikt gefangenen Behörden konfrontiert sind, statt die mit dem Vollzug der Wegweisungsentscheide betrauten Behörden anzuprangern - wie es manche tun - und das Loblied auf eine unüberlegte Barmherzigkeit zu singen.“ Quelle: Livenet / NZZ am SonntagVerwirrung und Unordnung
Ethisches Gesetz – unethische Entscheide?
Datum: 28.06.2005
Autor: Peter Schmid