Stabilität zuerst

Libanon – der neue Präsident und die Christen

Die Wahl von Michel Aoun zum neuen Präsidenten von Libanon wirft ein Schlaglicht auf die religiöse Lage und insbesondere die Situation für die Christen im zerrissenen Land.
Orthodoxe Sankt-Georgs-Kathedrale in Beirut (im Hintergrund Minarette der Mohammed-al-Amin-Moschee)
Michel Aoun

Der nach insgesamt 30 erfolglosen Wahlgängen gewählte neue Staatspräsident von Libanon soll dem Land vor allem Stabilität bringen, dies nach zwei Jahren Vakanz. Als Person kann er viele nicht überzeugen, zu oft hat er die Seiten gewechselt und mit problematischen Allianzen, Mächten und Diktatoren zusammengearbeitet. Der ehemalige irakische Präsident Saddam Hussein, der von Amerika im zweiten Irak-Krieg gestürzt wurde, ist nur einer von ihnen. Aktuell unterstützt er die Interessen des syrischen Diktators Al-Assad und diejenigen des Iran.

Das politisch-religiöse System des Libanon

Der Maronit und frühere General Michel Aoun gilt als Vertreter der Christen im Lande. Dass der Präsident aus dem maronitischen Lager kommen muss, steht so in der Verfassung von 1943. Diese teilt den verschiedenen christlichen und muslimischen Lagern die wichtigsten Staatsämter zu. Die jeweiligen Lager haben jeweils auch ihre eigene politische Ausrichtung. Die (christlichen) Maroniten sind zum Beispiel rechtslastig bis faschistoid, die Drusen sozialdemokratisch und die Sunniten konservativ oder neoliberal ausgerichtet.

Breites christliches Spektrum

Die Christen, die in den letzten 20 Jahren zunehmend unter Druck kommen, können in vier Konfessionsfamilien unterteilt werden. Die grösste bilden die Katholiken, zum Beispiel die Maroniten und Melkiten. Die zweitgrösste umfasst die Orthodoxen Kirchen. An dritter Stelle kommen die Altorientalischen Kirchen, zum Beispiel die Armenisch-Apostolische Kirche. Erst an vierter Stelle kommen die evangelischen bzw. protestantischen Kirchen, von denen zwölf im «Supreme Council of the Evangelical Community in Syria und Lebanon» zusammengefasst sind. Siehe dazu unseren Hintergrund: . Das evangelische Lager zählt ca. 40'000 Angehörige. Als einzige Konfession ist es nicht ins politische System des Libanon integriert und damit auch ungeschützt.

Traditioneller Zufluchtsort für Christen im Nahen Osten

Libanon war traditionell ein Zufluchtsort für Christen aus dem Nahen Osten. Die Christen im Libanon sind im Vergleich zu anderen Christen in der Region recht autonom sowie weniger Repressionen ausgesetzt als in anderen Nachbarländern. Dennoch gibt es Übergriffe von Muslimen auf Christen bzw. auf deren Eigentum. So werden zum Beispiel heute in manchen Gegenden Geschäfte, die Alkohol verkaufen, von muslimischen Gruppen attackiert. Die Libanonkrise 1958 und der libanesische Bürgerkrieg (1975–1990) brachten eine Wende bezüglich der bis dahin recht guten Beziehungen zwischen Muslimen und Christen.

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Datum: 06.11.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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