Für Versöhnung arbeiten, bevor es zu spät ist

Accra - In Afrika gehen die Mächtigen selten rücksichtsvoll mit ihren Völkern um. Angesichts ihrer Anmassung unter den Armen und Benachteiligten Bitterkeit und Rebellion. Wenn gar elementare Grundsätze der Demokratie verspottet und verletzt werden, ist der offene Aufstand nicht mehr fern. Plötzlich bricht der Sturm los. So geschehen im letzten September in der Côte d'Ivoire, der wirtschaftlichen Drehscheibe Westafrikas.

Die Gräben haben sich trotz dem Druck Frankreichs nochmals vertieft in den letzten Wochen; das von Paris aufgedrängte Waffenstillstandsabkommen wird weitherum abgelehnt; im Land befürchtet man einen Marsch der Rebellen vom Norden auf die Hauptstadt.

Misstrauen kostet viel
Afrikanische Konflikte erscheinen nicht zuletzt deswegen ausweglos, weil die Mächtigen oft Verachtung und Abneigung gegen andere Stämme und Völker schüren und auch religiöse Gefühle missbrauchen, um die Massen an sich zu binden. Doch wenn das Misstrauen gegenüber anderen Stämmen und Völkern zunimmt, verlieren die Politiker ihren Handlungsspielraum; sie werden selbst Gefangene des Hasses, den sie geschürt haben.

Das Evangelium weist einen Weg aus diesem Teufelskreis, wie der African Church Information Service berichtet. Im Nachbarland der Côte d'Ivoire, in Ghana, hatte der langjährige Präsident Jerry Rawlings im Jahr 2000 die Grösse, ordentlich abzutreten und seinem gewählten Nachfolger John Agyekum Kufuor Platz zu machen. Aber seit Monaten ist Feuer unter dem Dach, denn Rawlings hat die neue Führung öffentlich kritisiert. Seine Äusserungen wurden als unannehmbar zurückgewiesen, er selbst im letzten Oktober mehrfach zum Verhör vorgeladen.

Flugs vier Geländewagen
Die Behörden zeigten ihre Zähne: Bis auf einen wurden dem früheren starken Mann des Landes alle Wagen weggenommen. Er bestellte aus Trotz vier luxuriöse Geländewagen, und flugs, innert drei Wochen, waren sie geliefert - woher, das verschwieg Rawlings. Wilde Gerüchte liessen die Fehde noch bedrohlicher erscheinen.

Nun bemühen sich Kirchenleute um Verständigung und Versöhnung. Ein erster Versuch der Methodistenkirche, die beiden Politiker zusammenzuführen, scheiterte im letzten November: Zu einer Grossveranstaltung der Kirche in der Hauptstadt erschien nur Präsident Kufuor, Rawlings weilte in Angola.

Kirche drängt auf Versöhnung
Der Methodisten-Bischof Dr. Samuel Asante Antwi äusserte grosse Besorgnis über die wachsende Unruhe im Land, das zwischen der Côte d'Ivoire und dem ebenfalls zerrissenen Nigeria liegt. Er sagte, die Zivilgesellschaft und die Kirche hätten sich um Frieden und Versöhnung zu bemühen.

Diese schliesst ein, "dass man ehrlich sagt, es tut mir leid". Nur so könnten gefährliche Entwicklungen vermieden und Gefahren für Einzelne, Familien und ganze Völker abgewendet werden. Bischof Antwi bekräftigte, dass die Kirche weiterhin auf die Versöhnung der beiden Politiker hinwirken wolle. Rawlings' Partei, der National Democratic Congress, habe einen neuen Führer gewählt. Nun müsse dieser einbezogen werden in Versöhnungsbemühungen, "und zwar bevor die nächsten Wahlen anstehen".

Hoffnung auf einen neuen Handschlag
Auch an Weihnachten kamen die beiden Erz-Rivalen einander nicht näher. Die formellen Neujahrsgrüsse des Präsidenten an Rawlings und seinen neuen Parteiführer wurden von diesen zurückgewiesen. Unter diesen Umständen werden die Versöhnungsbemühungen der Methodisten im Land von Kirchenvertretern als sehr bedeutsam gewürdigt. "Es wird wunderbar sein, wieder einen warmen Handschlag zwischen den beiden Männern wie bei der Amtsübergabe zu sehen", äussert ein besorgter Ghanese.

Zum Ende der erwähnten sechstägigen Grossveranstaltung in der Hauptstadt Accra bat Präsident Kufuor während eines Dankgottesdienstes alle seine Landsleute, für einen dauerhaften Frieden und Einigkeit im Land zu beten, damit sich Ghana gedeihlich entwickeln könne. Armut sei der grösste Feind der Menschen, und sie könne nur besiegt werden, wenn sie sich versöhnten und miteinander Auswege suchten.

Kufuor gestand ein, dass er Mühe habe, das Vergangene zu vergessen. Aber die Zeit des Verzeihens sei gekommen; nur so könne das Land vorankommen. Auch aus diesem Grund habe die Regierung eine nationale Versöhnungskommission eingesetzt. Die Kommission soll denen, die Unrecht erlitten haben, offen stehen und ihnen Entschädigung verschaffen.

Datum: 19.02.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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