Mit der Bibel Politik machen?

PBC

Bundestagswahl in Deutschland: Christliche Kleinparteien wollen erst einmal über 0,5% und dann losstarten. Mehrere Parteien reklamieren für sich, eine auf den Werten des Christentums basierende Politik zu machen. Die Unionsparteien tragen das “C” sogar im Namen. Unter den Kleinparteien treten bei dieser Bundestagswahl wieder zwei an, denen die Etablierten nicht christlich genug sind: die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) und die “Christliche Mitte”. Dieses politische Engagement ist unter Christen umstritten. Viele betrachten das Kreuzchen bei einer Kleinpartei als verlorene Stimme. Andere halten die Positionen dieser Parteien für weltfremd. idea bringt in dieser Ausgabe Hintergründe zu diesen Kleinparteien mit dem Schwerpunkt auf der PBC, deren Aktivitäten auch bei Evangelikalen starke Resonanz finden. In der nächsten Nummer werden wir Stellungnahmen verschiedener Parteien zu Fragen veröffentlichen, die Christen besonders auf den Nägeln brennen.

“Die Plakatwerbung der PBC muss immer ein Wort aus der Heiligen Schrift deutlich erkennbar enthalten!” Das ist nicht nur der Wunsch des Parteivorsitzenden Gerhard Heinzmann. So steht es sogar verbindlich in den Richtlinien für Veranstaltungen der Partei. Kein Wunder also, dass auf den kunterbunten Plakatwänden in den Städten immer wieder Bibelverse hervorblitzen. “Jesus sagt: Ihr sollt leben” (Johannes 14,19) heisst es zum Thema Abtreibung; und zum Thema Okkultismus: “Wer solches tut, ist dem Herrn ein Greuel” (5. Mose 18,12). Die PBC lässt keinen Zweifel daran: Sie will Politik mit der Bibel machen. Dafür hat sie im vergangenen Bundestagswahlkampf 250.000 Euro ausgegeben, im laufenden dürften es noch mehr werden – alles finanziert aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen.

Missionar und Politiker

Treibende Kraft hinter der Partei ist Gerhard Heinzmann (Landau). Der 62jährige war es, der am Buss- und Bettag 1989 in Karlsruhe mit 49 Gründungsmitgliedern die PBC ins Leben gerufen hat. Er ist bis heute ihr Vorsitzender. Aufs Jahr umgerechnet, investiert er etwa die Hälfte seiner Zeit in die Parteiarbeit. Die andere Hälfte geht in die Mission. Seit 1966 arbeitet der am pfingstkirchlichen Theologischen Seminar Beröa (Erzhausen) ausgebildete Heinzmann dafür, dass Sinti und Roma die Botschaft des Evangeliums hören. Früher ist er mit einem 80-Mann-Zelt zu ihren Lagern gezogen, hat dort gepredigt, später ein 200-Mann-Zelt angeschafft. Noch heute spricht er gerne in ihren Versammlungen, hat aber einen Grossteil der Arbeit an die Christen unter den Zigeunern abgegeben. So kann sich der verheiratete Vater von fünf Kindern auch stärker der Politik widmen.

Wahlergebnis: 0,1 Prozent

Seit ihrer Gründung ist die PBC nach eigenen Angaben auf 5.000 Mitglieder angewachsen. Die vierteljährlich erscheinende Parteizeitung “Salz und Licht” hat 9.000 Bezieher. In jedem Bundesland existiert ein Landesverband, darüber hinaus 54 Kreis- und eine Handvoll Ortsverbände. In der Wählergunst konnte die Partei dabei noch keine nennenswerten Erfolge verbuchen. Bei der Bundestagswahl 1998 kamen 71.941 Zweitstimmen zusammen, 1994 waren es 65.651 – das entsprach jeweils 0,1 Prozent der Stimmen. Triumphe gab es allenfalls an einzelnen Orten. In Berg bei Ansbach zum Beispiel wurde bei der Europawahl 1999 die PBC vor der FDP drittstärkste Partei. Im Ortsbeirat von Marbach bei Fulda verbuchte die Partei 10,3 Prozent, was aber weniger auf das Etikett PBC denn auf Bekanntheitsgrad und Engagement der Kandidaten vor Ort zurückzuführen sein dürfte.

PBC: “Unser Name schreckt liberale Christen ab”

Den Parteinamen empfinden viele als sperrig, ausgrenzend und damit die Wahlwerbung erschwerend. Gerhard Heinzmann hat kein Problem damit. “Unser Name schreckt liberale Christen ab.” Auf diese Weise bleibe die Partei von vielen Konflikten verschont, die andere Kleinparteien in die Zerreissprobe geführt hätten. Der Parteichef verweist darauf, dass Organisationen mit integrativeren Namen – etwa früher die Christliche Liga, die Christliche Partei Deutschlands, aber auch die weiterhin kandidierende Christliche Mitte – keineswegs mehr Erfolg beschieden sei als der PBC – im Gegenteil. Die PBC sei unter den Aussenseitern am erfolgreichsten. Ausserdem sei ihr Name bundesweit inzwischen so gut eingeführt, dass man nach einer Änderung bei Null anfangen müsste.

Fastentage für den Frieden

“Bibeltreu” in der Politik, das bedeutet für die PBC: Deutschland muss kinderfreundlicher werden, Abtreibung muss – auch mit dem Mittel des Strafrechts – erschwert werden. Das Land muss sich klar zu Israel bekennen. “Wenn eine Regierung gegen Israel steht, ist alles zum Scheitern verurteilt”, so Heinzmann. Aus Schule und Medien ist Okkultes zu verbannen. Kindern solle die Bibel auch im Unterricht nähergebracht werden. “Damit würde man vielen für ihr ganzes Leben helfen.” Das sind die Hauptthemen der Partei. Das 17 Kapitel umfassende Grundsatzprogramm widmet sich aber auch anderen Gebieten. Es fordert beispielsweise “zur Sicherung des Friedens und zur Abwehr eventueller Bedrohung der Bundesrepublik nationale Gebets- und Fastentage”. Zur Resozialisierung Strafgefangener sollten in den Gefängnissen regelmässig Bibelarbeiten angeboten werden. Christlichen Therapiezentren für Drogenabhängige, “die aufgrund ihrer biblischen Basis nachweisbar höchste Erfolgsquoten aufweisen”, solle künftig grössere Unterstützung gewährt werden.

Partei ohne Experten?

Was sich im Programm gut liest, könnte in der Praxis viel Kopfzerbrechen bereiten. “Der PBC fehlen die Experten und der politische Sachverstand – und beides ist dort nicht einmal erwünscht.” Diesen Vorwurf erhebt einer, der selbst einer ihrer Funktionäre war: der evangelikale Theologe Thomas Schirrmacher (Bonn). Aus Frustration über eine CDU, die sich seiner Ansicht nach immer weniger um die christliche Ethik kümmert und sich beispielsweise mit den massenhaften Abtreibungen in Deutschland arrangiert hat, trat er Mitte der neunziger Jahre mit rund 50 weiteren Evangelikalen der PBC bei – obwohl er sich mancher Schwächen der Kleinpartei bewusst war. “Ich ging etwas zu optimistisch an die Sache ran und hatte die Illusion, Einfluss ausüben zu können”, sagt Schirrmacher, der vorübergehend den Vorsitz des PBC-Kreisverbandes Bonn innehatte.

Kirche und Staat trennen?

Doch mit seinen wichtigsten Anliegen scheiterte der Theologe. So wollte er unbedingt klären lassen, wie sich die PBC zum Verhältnis von Staat und Kirche stellt. Manche Forderung – wie etwa die Bibelarbeiten in Haftanstalten – seien ja heute schon durch Verträge zur Gefängnisseelsorge geregelt. Zu fragen sei künftig, wer darüber zu befinden habe, welche Seelsorger wozu beauftragt werden. Eine Partei könne das nach traditionellem Verständnis nicht tun, weil damit die Trennung von Staat und Kirche aufgehoben würde. “Es folgen juristische Verwicklungen”, so Schirrmacher. Anfragen hat er auch an die Seriosität der Kleinpartei. So bezweifelt er die Mitgliederzahlen. “Man hat wahrscheinlich nur die Eintritte, aber nicht alle Austritte registriert”, lautet seine Beobachtung – ein Vorwurf, den der PBC-Vorsitzende Heinzmann gegenüber idea als “unwahr” zurückweist. Schirrmacher hat die Partei 1997 verlassen, ist inzwischen wieder CDU-Mitglied und verspricht sich mehr davon, in der Volkspartei Einfluss auszuüben. Solange das deutsche Wahlsystem die Fünf-Prozent-Hürde enthalte (die nach Schirrmachers Ansicht undemokratisch ist), habe keine christliche Kleinpartei eine Chance auf ein Mandat im Bundestag.

CM: Gegen Abtreibung und Muslime

Die andere christliche Kleinpartei ist die “Christliche Mitte – Für ein Deutschland nach Gottes Geboten”. Wer ihren “Kurier” liest, entdeckt manche Parallelen zu PBC-Positionen – etwa im Blick auf Lebensschutz, Förderung der Familie und Ablehnung der “Homo-Ehe”. Sie ist aber stark katholisch orientiert und hat eine massiv antiislamische Ausrichtung, die bisweilen die nötige Fairness gegenüber Muslimen vermissen lässt. Die CM tritt nur in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen an; die PBC ist dort ebenfalls auf dem Wahlzettel zu finden, darüber hinaus aber auch in Sachsen, Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz.

Zünglein an der Waage?

Erstes Ziel für die Kleinparteien ist übrigens nicht ein Sitz im Bundestag, sondern das Erreichen der 0,5-Prozent-Marke. Dann nämlich gibt es aus der Staatskasse Wahlkampfkostenrückerstattung – jährlich 70 Cents pro Wählerstimme. Zusätzlich würde jeder Spenden-Euro noch einmal um 38 Cents erhöht. Im Klartext: Auch die Splitterparteien hätten plötzlich Geld, könnten ihre Arbeit auf soliderer Basis aufbauen. Was aber, wenn es am Abend des 22. September bei der Stimmauszählung zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen rotgrün und schwarzgelb kommt und die Stimmen, die auf die Kleinparteien fallen, das Rennen hätten entscheiden können? PBC-Chef Gerhard Heinzmann glaubt, dass seine Partei von Linken wie Rechten Stimmen erhält; südlich der Mainlinie eher von ehemaligen CDU-Wählern, nördlich – vor allem im Ruhrgebiet – von SPD-Leuten. Das Zünglein an der Waage werde die PBC deshalb nicht darstellen können, meint Heinzmann.

Datum: 16.09.2002
Autor: Markus Mockler
Quelle: idea Deutschland

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