Ohne Trauschein: Stoibers Familienexpertin

Katherina Reiche

Berlin - Auf massive Kritik ist die Entscheidung des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber gestoßen, die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche in sein "Kompetenzteam" für die Bereiche Familie, Jugend und Frauen zu berufen. Die 28-jährige Chemikerin lebt ohne Trauschein mit dem CDU-Landtagsabgeordneten zusammen, der der Vater ihrer zwei Kinder ist. Sie befürwortet die embryonale Stammzellenforschung.

Stoiber hatte die Berufung als "Grundsatzentscheidung" bezeichnet und als Beleg dafür, dass die CDU/CSU keine "rückwärtsgewandte Ehe- und Familienpolitik" betreibe. Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner forderte nach dieser Entscheidung die CDU/CSU auf, das "C" im Parteinamen zu streichen: "Wenn Ministerpräsident Stoiber die Nominierung von Frau Reiche als 'Grundsatzentscheidung' bezeichnet und damit die Ehe ohne Trauschein als das Ehe- und Familien-Ideal der 'C'-Parteien, muss man ihm sagen: Seien Sie dann konsequent und streichen Sie das 'christlich' aus beiden Parteinamen. Das ist jetzt eine Frage der Glaubwürdigkeit."

Ähnlich äußerte sich der Dachverband von rund 1,3 Millionen Evangelikalen, die Deutsche Evangelische Allianz. Ihr Generalsekretär Hartmut Steeb (Stuttgart) erklärte, die Berufung von Frau Reiche sei die bisher größte Fehlentscheidung Stoibers im Wahlkampf. Auch der Generalsekretär des Fachverbandes für Sexualethik und Seelsorge, "Weißes Kreuz", Pastor Karl-Heinz Espey (Kassel), übte scharfe Kritik.

Dass Spitzenpolitiker die Gunst der Wähler um jeden Preis gewinnen wollten, sei alarmierend. Sie opferten dafür fundamentale Werte, die in unserem Land lange Zeit Konsens waren und unser Gemeinwesen trugen. Die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) sieht die Union auf einem "antichristlichen Kurs". Ihr Bundesvorsitzender Gerhard Heinzmann (Karlsruhe): "Nach Etablierung der unionsinternen Gruppe 'Schwule Christdemokraten' und der Förderung von Muslimen in der CDU zeigt der Kanzlerkandidat Stoiber mit der Nominierung der zweifach ledigen Mutter Katherina Reiche, dass die Union eine christlich geführte Ehe und Familie als Vorbild für ein gesundes Staatswesen nicht mehr achtet."

In der 'NZZ am Sonntag' dagegen kommentierte Siegliede Geisel die Berufung von Reiche als 'familienpolitischen Glücksfall der CDU'. Im Familienleitbild der CDU steht der Satz: "Die Ehe ist das Leitbild der Gemeinschaft von Frau und Mann und die beste Grundlage für die gemeinsame Verantwortung von Mutter und Vater in der Erziehung der Kinder". Die Bindungswirkung der Ehe sei durch nichts zu ersetzen, meint auch Katharina Reiche, aber den Zeitpunkt der Heirat wolle sie sich von der Oeffentlichkeit nicht vorgeben lassen. Reiches Berufung wurde von Edmund Stoiber gegen die Kritik verteidigt mit den Worten, dass "Familie überall dort ist, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung übernehmen".

CDU-Parlamentarier weisen Kritik an Reiche-Nominierung zurück

Berlin – Die Kritik an der Nominierung der CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche für das “Kompetenzteam” von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) hat das EKD-Ratsmitglied Hermann Gröhe, der ebenfalls für die CDU im Bundestag sitzt, zurückgewiesen. Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner und der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), hatten die Nominierung für das Ressort Familienpolitik kritisiert, weil Frau Reiche als ledige Mutter kein Ja zur Ehe gefunden habe. Meisner hatte sogar gefordert, das “C” aus dem Parteinahmen zu streichen. Gröhe sagte auf Anfrage von idea, dass er “kein Problem mit dem biographischen Hintergrund” von Frau Reiche habe. Er kenne sie seit Jahren persönlich und schätze sie. Die vorgebrachte Kritik sei “inakzeptabel”. Die Politikerin habe sich in keiner einzigen Stellungnahme vom gültigen Parteiprogramm distanziert, in dem die besondere Stellung von Ehe und Familie unterstrichen werde. “Es gibt auch keinen Beleg, dass sie die Ehe schlechtredet”, so Gröhe. Dass sie jetzt nicht aus parteipolitischem Kalkül schnell heirate, eine Hochzeit aber für die nächsten Monate angekündigt habe, spreche für ihre Integrität.

CSU betreibt keine Kirchenpolitik

Ähnlich äusserte sich der Rechtsexperte Norbert Geis (CSU). Dass die Union sich “ohne Wenn und Aber” für die Stärkung der Ehe einsetze, daran werde auch die Nominierung von Frau Reiche nichts ändern. Das christliche Verständnis von Ehe und Familie sei “nicht von gestern, sondern von morgen und übermorgen”. Eine Kultur sei zum Untergang verurteilt, wenn sie von diesem Ideal abrücke. Auch der Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe (CDU) weist die scharfe Kritik an Frau Reiche zurück. “Dass jemand uneheliche Kinder hat, bedeutet nicht, dass er zu familienpolitischen Fragen den Mund halten muss”, so der Parlamentarier im Gespräch mit idea. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel warf im Magazin “Focus” (München) dem Kölner Kardinal vor, er “verwechselt offenbar die Union mit dem Vatikan”. Die CDU/CSU betreibe keine Kirchenpolitik, sondern “Politik für die Bürger in unserem Land”.

Quelle: idea-Deutschland, NZZ am Sonntag

Datum: 11.07.2002

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