Medien

«Das Internet ist noch nicht erwachsen»

Die US-Soziologin und Psychologin Sherry Turkle warnt vor den negativen Auswirkungen von Internet, Handy und sozialen Netzwerken auf die Kommunikation in der Familie und unter Freunden und Bekannten. Sie hatte in einem früheren Buch noch die grossen Vorteile der digitalen Kommunikation hervorgehoben.
Mutter am Telefon, mit Kind auf dem Arm.

«Die neuen Technologien haben profunden Einfluss auf unseren Alltag - wir sollten ihn definieren und formen», schlägt Professorin am Massachusetts Institute of Technology in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Psychologie heute (Juli 2011) vor.

Aus ihrer Sicht haben die neuen Kommunikationstechnologien eine Entwicklung eingeschlagen, welche Turkle weder voraussah noch sich wünschte. Eine Entwicklung, die sich bereits auf Kinder auswirkt, die sich noch nicht selbst damit angefreundet haben. Die Folge: «Familienangehörige sind einander trotz körperlicher Nähe oft emotional fern.» So hätten sich Kinder bei Interviews zu ihrem neuen Buch «Alone Together» darüber beschwert, dass ihre Eltern beim gemeinsamen Essen immer wieder SMS verschicken. Sie tippten Nachrichten während gemeinsamer Unternehmungen wie beim Picknicken oder bei Strandbesuchen. Jungs beschwerten sich, dass ihre Väter sogar beim gemeinsamen Sportschauen zum Handy greifen. Und Mütter lassen sich vom Handy ablenken, wenn sie ihre Kinder von der Schule abholen.

«Beim Telefonieren könnte ich zuviel preisgeben»

Von Bedeutung ist für Sparkle die Beobachtung, dass auch beim Gebrauch der neuen Kommunikationsmittel eine Wende stattgefunden hat, welche zu oberflächlicheren Kontakten führen. Um nicht spontan zu viel zu verraten, bevorzugen Jugendliche Facebook, Twitter oder SMS. Man könnte sich dabei besser zurückziehen, wenn sich eine Situation zuspitze, begründet eine Jugendliche. Denn «Telefonieren ist eine Konversation bei denen sie nicht die Oberhand behalten können». «Wenn du telefonierst, hast du nicht die Zeit, deine Antwort zu überdenken wie bei Textnachrichten. «Da ist die Gefahr gross, dass man sich verplappert und zu viel preisgibt», so ein Junge gegenüber der Autorin.

Ihre Beobachtungen geben Sherry Turkle selbst zu denken: «Ich frage mich beispielsweise, wie mich meine Tochter in 40 Jahren in Erinnerung haben wird, wenn ein Grossteil unserer Kommunikation per Kurznachrichten stattfindet.»

Zwei Folgerungen

Ihre Folgerungen lauten: «Ich halte zwei Ansätze für entscheidend. Erstens: Wir sollten unseren Kindern unsere volle Aufmerksamkeit zukommen lassen, nicht nur halb und nicht nur über den Rand des Notebooks hinweg. Zweitens sollte unsere Aufgabe darin liegen, in unsere Beziehungen zu Verwanden und Freunden wieder Privatsphäre und Intimität hineinzutragen. Es muss nicht alles auf Facebook geteilt werden. Bestimmte Gefühle und Gedanken gehören in den privaten direkten Austausch. Wir haben diese zwei Dinge aus den Augen verloren und sollten die bewährten Verhaltensweisen der Zurückhaltung und Privatheit wiederherstellen.»

Webseite:
SMS-Boom – Süchtig nach Information

Datum: 17.06.2011
Autor: Fritz Imhof
Quelle: SSF

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