Ostern

Das Mega-Wunder, Unglauben und Glauben

Das Geheimnis von Ostern zieht noch eine Minderheit der Schweizer in die Kirchen. Damit wächst den Medien die Aufgabe zu, von Auferstehung zu reden. – Eine Zürcher Presseschau mit ungewissem Ausgang.
Oster - Gottesdienst.
Gertrud Würmli
Uwe Justus Wenzel
Hugo Stamm
Osterfeier am Gartengrab in Jerusalem.

Die Debatte um Werte und Wurzeln führt dazu, dass sich Medien der christlichen Tradition bewusster annehmen. Neben Prozessionen und Feiern in Jerusalem und Rom ist auch die einheimische Oster-Spiritualität ein Thema. Es fällt den Leitartiklern in den Zeitungen leichter, das Fest zu umkreisen, als auf die Auferstehung selbst einzugehen. „Ostern bringt Erfüllung und neues Leben“, überschreibt der Zürcher Oberländer einen Text der katholischen Theologin Gertrud Würmli, der mit dem Frühlingserwachen der Natur einsetzt. Der Weg von Jesus „erfüllt sich mit seiner Auferstehung“; dabei zeigt sich der Gott des Lebens, der „durch alles Dunkle, Böse und gar den Tod am Kreuz ging und dadurch zum neuen Licht und Leben, zum Heil für alle geworden ist“. Diese Sätze werden umrahmt von der Einladung, sich jenen Menschen anzuschliessen, die damals mit Jesus belebende Erfahrungen machten. „Im Teilen von Brot und Wein wird er präsent unter uns. Ostern lebt weiter.“

Erlöstes Lachen

In der ‚Neuen Zürcher Zeitung’ erinnert Uwe Justus Wenzel daran, dass Christen mit der Auferstehung von Jesus Grund zum befreiten Lachen haben. „Wer freudig und siegesgewiss ausrufen darf: ‚Tod, wo ist dein Stachel?’ (1. Kor. 15,55), wie sollte dem ein Lachen verwehrt sein?“ Gegen zwei grosse Kirchenväter, die Lachen im irdischen Jammertal als verfehlt ansahen, stellt der NZZ-Redaktor den mittelalterlichen Brauch des Osterlachens. Noch nach der Reformation hätten Pfarrer an Ostern Witze erzählt. „Offenbar konnte, wer sich vor Lachen ausschüttete, auch Jesu Sieg über Tod und Hölle unbeschwerter feiern.“ Es gehe indes an Ostern darum, „so zu lachen, dass das Weinen nicht vergessen geht – dass am Ostersonntag der Karfreitag nicht aus dem Bewusstsein getilgt ist“.

Der Unglaube der Mehrheit…

Die „Mehrheit der Schweizer glaubt nicht an die Ostergeschichte“: Die NZZ am Sonntag brachte Ergebnisse einer Umfrage, welche die Schweizerische Evangelische Allianz SEA in Auftrag gegeben hatte. Danach glauben 56 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer nicht, dass das Grab von Jesus am Ostermorgen leer war und er leiblich von den Toten auferstanden ist. Eine von drei Personen hält die biblischen Berichte für wahr; dies findet SEA-Zentralsekretär Hans Jörg Leutwyler „überraschend viel“. Nur ein Teil der Ostergläubigen gehe zur Kirche – dies sollte den Kirchen zu denken geben. Deutlich wird ein grösserer Unglaube in der Romandie (63 Prozent gegenüber 53 in der Deutschschweiz), unter Reformierten (55 gegenüber 46 Prozent bei Katholiken) und unter 30-Jährigen (64 Prozent).

…eine Folge aufklärerischer Theologie

Theologen der protestantischen Grosskirchen im deutschsprachigen Raum haben diesen Unglauben vorgespurt. Seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert wurde die (in der Bibel eindeutig bezeugte) Tatsache des leeren Grabs geleugnet und dann die Möglichkeit des Wunders überhaupt verworfen. Im 20. Jahrhundert verfiel man auf die Formel, Jesus sei (zwar tot geblieben, doch) in den Glauben seiner Jünger und ihre Verkündigung auferstanden. Und es gehe darum, ohne die Tatsache der leiblichen Auferstehung an den Lebensspender Jesus zu glauben.

„Mystisches Erlebnis“

In der Coop-Zeitung der Karwoche sagt der Pfarrer und Physiker Hans-Rudolf Stadelmann: „Die Jüngerinnen und Jünger von Jesus wurden nach dessen Tod von einem mystischen Erlebnis ergriffen, das ihnen klar machte: Jesus ist nicht tot. Er lebt weiter im Geist und damit in uns allen.“ Auf die Frage, wohin Jesus denn gegangen sei, flüchtet sich Stadelmann in die Antwort, Jesus sei „wieder eingegangen in den Geist Gottes. Und dieser Geist ist überall, auch in uns und in der Schöpfung.“ Dass die abgrundtiefe Enttäuschung der Anhänger über das Scheitern ihres Rabbi in der Kreuzigung sich ohne tatsächliche Auferstehung in Osterjubel verwandelt und so die Grundlage für die christliche Kirche abgegeben hätte – an diese psychologische Unmöglichkeit glauben solche Theologen eher als an die biblischen Berichte.

„Wenn er tatsächlich der Sohn Gottes ist…“

Es verwundert nicht, dass Journalisten, die gegen beengenden Glauben und religiöse Manipulation auftreten, der Skepsis von Theologen folgen. Der Sekten-Experte des Tages-Anzeigers, Hugo Stamm, hält in seinem Karfreitag-Blog immerhin fest, worum es an Ostern geht: „Wenn er tatsächlich der Sohn Gottes ist…“ Doch Stamm meint, die biblischen Berichte über Jesu Tod und Auferstehung seien nicht glaubwürdig, da die Autoren Jesus als Messias und Sohn Gottes verehrt und ihre Sehnsüchte in ihn hinein projiziert hätten. „So entstand ein Idealbild, das nur zutreffen kann, falls Jesus tatsächlich der Sohn Gottes ist.“

Ohne seine Auferstehung wäre Jesus in der Versenkung gelandet, schreibt Stamm lakonisch. „Es brauchte diesen übernatürlichen Akt, um ihn als Sohn Gottes glaubwürdig zu machen.“ Offenbar stellt er sich vor, dass die Autoren der Evangelien wie erfahrene Schriftsteller ihrem Messias-Portrait mit dieser unerwarteten Wendung den dramaturgischen Höhepunkt gaben.

Glaubwürdiger Bericht oder gelungene Pointe?

Auferstehung als schriftstellerische Pointe? Stamm geht nicht auf die Hinweise auf Authentizität ein, welche unvoreingenommenen Historikern in den biblischen Berichten auffallen. Diese hüten sich nämlich, das Wunder, das die Kategorien der Wirklichkeit sprengt, in sprachlicher Schilderung zu banalisieren. Vielmehr rapportieren sie die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Empfindungen der Zeugen am Ostertag (Entsetzen, Verwirrung und Unglaube inbegriffen). Den Frauen, die dem auferstandenen Jesus früh begegnen und seine ersten Zeugen werden, stehen die vorerst skeptischen Jünger gegenüber. Stamm müsste plausibel machen, warum Dramaturgen all dies hätten erfinden sollen…

Pfarrer vis-à-vis Hexe

Der Tages-Anzeiger fällt auch darin ab, dass er am Karsamstag eine deutsche Hexe „im besten Alter“ (35) portraitiert. So finden sich in der Zürcher Oberländer Regionalausgabe Seite an Seite die Plaudereien der „guten Hexe“ und die Gedanken eines Ustermer Pfarrers zu Ostern. Die selbstbewusste Heidin praktiziert keine Schwarze Magie, weil sie sich nicht mit dunklen Geistwesen einlassen will, die ihr selbst unversehens „Lebenskraft abziehen“ würden. Er schreibt über die befreiende Botschaft von Ostern angesichts von entmenschlichenden Missständen in der Welt: „Tod, Hoffnungslosigkeit, Unterdrückung, stumme und laute Schreie der ganzen Welt sind nicht das Letzte, sie machen einem Aufbruch ins Leben Platz.“ Und der kann stattfinden mit dem, der wahrhaftig auferstanden ist – was die Christen im Osten seit alters quittieren mit einem fröhlichen Halleluja!

Datum: 11.04.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Werbung
Livenet Service
Werbung